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Schlossfestspiele Schwerin

Platter Goethe, hohe Töne, Tanz und Tüffi im Schlosshof

Ein Amerikaner in Schwerin – Michael Ellis Ingram hat Goethes Schäferspiel mit Text und Musik nach Mecklenburg-Vorpommern „geliftet“.

Johann Wolfgang von Goethe lernte Latein, Griechisch und Hebräisch als klassische Bildungssprachen sowie die lebenden Sprachen Französisch, Italienisch, Englisch und das „Judendeutsch“, das „in der Frankfurter Judengasse lebendige Gegenwart war“. In den lebenden Sprachen wurde er von muttersprachlichen Lehrern unterrichtet. Sein Französisch und sein Italienisch sollen sehr gut gewesen sein. Nicht überliefert – aber immerhin möglich – ist, dass der vor 275 Jahren in Frankfurt am Main geborene Dichterfürst Hessisch gebabbelt hat. Ganz sicher hingegen ist: Plattdeutsch konnte er nicht.

Ein Amerikaner macht’s möglich

Kein Mecklenburger, sondern der Oberschlesier Ludwig Max Goldberger bezeichnete 1903 die USA als das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“. Und genau daher kommt der Mann, der bei den diesjährigen Schlossfestspielen in Schwerin Goethe auf Platt auftischt. Das SeMa hat mit Michael Ellis Ingram gesprochen, der ab der Spielzeit 2024/25 Chefdirigent der Staatsoperette Dresden sein wird.

SeMa: Herr Ingram – Sie kommen aus Missouri, einem Bundesstaat der USA, dessen Bevölkerung zu gut 25 % deutsche Wurzeln hat. Ist das einer der Gründe, warum Ihr künstlerischer Mittelpunkt in Deutschland liegt?

MEI: Diese Statistik ist mir neu! Die Wurzeln liegen allerdings teilweise zwei bis drei Jahrhunderte zurück. In meiner Jugendzeit bin ich nur einem einzigen Menschen direkt aus Deutschland begegnet. Es gibt aber tatsächlich eine Stadt in Missouri mit dem Spitznamen „Little Germany,“ in der meine Eltern immer gern Urlaub gemacht haben. Vielleicht war es einfach nur die besondere Luft, die mich unwissend von Missouri nach Deutschland gelockt hat.

Goethe auf Platt ist in geradezu klassischer Umgebung des Freilichtmuseums Mueß zu erleben.

SeMa: Sie waren einige Jahre fest in Schwerin engagiert. Dort wird im Alltag kaum noch Plattdeutsch gesprochen. Bei den Schlossfestspielen wird Goethes Singspiel „Erwin und Elmire“ auf Mecklenburger Platt gesungen. Verstehen Sie Platt?

MEI: Na klor verstah ick Plattdüütsch! Ich arbeite seit nun acht Jahren regelmäßig mit der Fritz-Reuter-Bühne am Mecklenburgischen Staatstheater zusammen – zunächst als Komponist und Pianist, aber inzwischen auch als Autor und Regisseur.

SeMa: Sie sind nicht nur für die musikalische Leitung, sondern  auch für die Regie verantwortlich. Was reizt Sie da besonders?

MEI: Mein Regiedebüt mit einem mir vertrauten und beliebten Schauspielensemble zu feiern, nachdem ich jahrelang sehr genau gelauscht habe, was Regisseur*innen bei der Probenarbeit so sagen, ist ein absoluter Traum. Es wird bestimmt die Krönung meiner Schweriner Jahre sein.

SeMa: Das Singspiel des „Dichterfürsten“ wurde bisher von sechs Komponisten und Goethes Landesherrin, der Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar und Eisenach vertont. Nun haben Sie sich des Stoffs angenommen. Ist alles neu oder haben Sie Teile übernommen?

Der Countertenor Nils Wanderer lädt zu einer Wanderung zwischen den musikalischen Welten ein.

MEI: Bei der Vorbereitung von „Erwin und Elmire“ habe ich versehentlich mit einem leeren Blatt angefangen und ein komplett neues Stück geschrieben – ganz, ganz frei nach Motiven von Goethe. Auch die Musik habe ich neu komponiert im heutigen Broadway-Stil. Das bescheidene Schäferspiel bekommt also ein Make-over – up Platt!

Wanderer zwischen den Welten

Die Ausstellung zu Caspar David Friedrich in Hamburg ist vorbei – Schwerin bietet bei den Festspielen einen weiteren Wanderer. Ganz wörtlich und im übertragenen Sinn. Denn bei einem Konzertabend der Extraklasse am Freitag, den 12. Juli, werden der Countertenor Nils Wanderer und seine Gäste Musik von Mozart bis Leonhard Cohen präsentieren. Songs aus den Musicals „Cats“, „West Side Story“, „Chicago“, „Romeo und Julia“ sowie Arien von Mozart, Purcell und Händel werden gemeinsam mit Hits von Lady Gaga, Adele, Whitney Houston, Leonard Cohen das Publikum mit auf eine Wanderung durch die Höhen der Musikwelt nehmen.

Nach gefeierten Konzerten in Berlin, London, Barcelona oder Salzburg kommt der aufstrebende Star der Opernwelt zum ersten Mal nach Schwerin und gibt ein Konzert, für das das SeMa zweimal zwei Karten verlost. Das Konzert ist das Auftakt-Konzert für die Residenz von Nils Wanderer in Schwerin, wo er sich in allen Facetten seines Könnens dem Schweriner Publikum vorstellt. Gemeinsam mit der Mecklenburgischen Staatskapelle und Gästen gestaltet er ein mitreißendes Programm, in dem sicherlich auch mitgesungen und getanzt werden darf!

Schweriner Schloss

Im Schlosshof ein Schwein

Im Mittelpunkt steht Tüffi, der boshafte und umtriebige Tartuffe des 21. Jahrhunderts. Von Beruf Lebensberater. Es geht um Heuchelei, Doppelmoral, Konsumsucht, Selbstbetrug und Selbstoptimierung und das alles frei nach Molière. Die schwarze Komödie erzählt von Schweinemenschen und Menschenschweinen, von Verkaufsstrategien und falschen Versprechen in einem System der Blender und Verblendung. Mit turbulenten Textkaskaden voller irrwitziger Widersprüche demontiert Autor, Musiker und Gesamtkünstler Peter Licht uns alle – und demonstriert, wie entlarvend und komisch zugleich beißende bürgerliche Selbstkritik sein kann. Anders als Molière nimmt er nicht eine bestimmte gesellschaftliche Gruppe aufs Korn, sondern gleich unseren ganzen modernen Zeitgeist. Peter Kastenmüller, bis 2019 Intendant des Theaters Neumarkt in Zürich, inszeniert den bösen Spaß mit Opulenz, Musik und einem starken Spielensemble im sommerlichen Ambiente des wunderschönen Schlossinnenhofs.

Das ganze Programm

Schwerin ist für sich allein schon eine Reise wert. Doch wenn dort für Wochen die Kunst regiert, gilt das ganz besonders. Die Festspiele beginnen bereits am 14. Juni mit „Erwin un Elmire“ im Freilichtmuseum Mueß. Ab 21. Juni treibt Tüffi im Schlossinnenhof sein Unwesen. Im Großen Haus lädt Chefchoreografin Xenia Wiest die internationale Ballettwelt vom 20. bis zum 23. Juni für vier Abende nach Schwerin ein. Und der Wanderer zwischen den Welten ist am 12. Juli auf der Freilichtbühne Schwerin zu erleben. Am Tag danach laden dort die beliebten MeckProms zum Zuhören ein.

Das ganze Programm mit allen Terminen im Internet:
www.mecklenburgisches-staatstheater.de/schlossfestspiele   

 

F. J. Krause © SeMa

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