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Seiffen

... das erzgebirgische Spielzeugdorf und die Geburtsstätte des ersten Nussknackers im HAUS FÜCHTNER

Plakat zur Seiffener
Weihnacht 2023.

Wir möchten unseren Lesern einen Besuch ins Erzgebirge ans Herz legen. Ob im Sommer oder Winter, die Ortschaft Seiffen und die Umgebung sind immer eine Reise wert. 1324 wurde der Ort erstmals urkundlich erwähnt. Der Bergbau war lange die Haupteinnahmequelle der Bewohner. Nachdem der Zinnabbau 1849 erlosch, musste beruflich umgedacht werden, und es entwickelte sich das Holzhandwerk. In dem Ort, in dem sich handwerkliches Geschick in der meisterhaften Fertigung der Schwibbögen, Spieluhren, Pyramiden, Figuren in allen Größen und den in aller Welt beliebten Nussknacker widerspiegeln, werden schöne Augenblicke der eigenen Kindheit wach. In den prächtig beleuchteten Geschäften werden die Erzeugnisse in großer Vielfalt für die Käufer präsentiert. Jedes Jahr vom 1. bis 4. Advent lädt die Stadt zur „Seiffener Weihnacht“. Unvergessliche Eindrücke erwarten die Gäste. Auch die achteckige Bergkirche, die der Dresdner Frauenkirche nachempfunden und 1779 fertiggestellt wurde, ist dann weihnachtlich geschmückt. Das Wahrzeichen von Seiffen ist inzwischen auf vielen Kontinenten bekannt, da die Spielzeugmacher die Kirche millionenfach im Kleinformat fertigten. In vielen Wohnzimmern leuchtet sie zum Advent. Den ersten aus Holz gedrechselten Nussknacker der Welt entwarf Wilhelm Füchtner 1870 in seinem Haus in Seiffen. Nach über 150 Jahren wird die Tradition in der Familie fortgeführt. Wir besuchten seinen Ur-ur-ur-Enkel Markus Füchtner zum Interview in dem Haus, in dem auch der erste Nussknacker geboren wurde.

Markus Füchtner vor dem Foto seines Ur-ur-ur- Großvaters Wilhelm mit dem von ihm erfundenen ersten Nussknacker.

Herr Füchtner, Sie haben sich für den Beruf des Holzspielzeugmachers entschieden, war das schon als Kind Ihr Wunsch?

Nein. Nach dem Schulabschluss musste ich mir über den Berufsweg Gedanken machen. Mein Wunsch war immer, als Schornsteinfeger zu arbeiten. Ich entschied dann doch das Familienerbe anzutreten und die weltweit einzige Berufsschule für Holzspielzeugmacher in unserem Ort zu besuchen. Diese handwerkliche Tätigkeit wird seit vielen Generationen in unserer Familie ausgeführt, ich bin jetzt die achte. Mein Ur-ur-ur-Großvater Wilhelm Friedrich Füchtner erfand den erzgebirgischen Nussknacker und stellte ihn ab 1870 in Serie her. 

Wie kam es dann dazu, dass Sie doch das Erbe antraten und nicht Schornsteinfeger wurden?

Ich wusste, dass mein Vater und mein Onkel es gern gesehen hätten, dass ich in ihre Fußstapfen trete. Es gab aber auch ein Schlüsselmoment. Ich verbrachte schon als Kind viel Zeit mit meinem Großvater in der Werkstatt hier im Haus. Er verstarb 2010. Bei seiner Beerdigung bekam er unsere berühmteste Nussknackerfigur, den „Roten König“, mit auf seine letzte Reise in den Sarg. Ab da wusste ich, dass sein Lebenswerk nicht aufhören durfte. 

Welche Holzsorten wurden damals verarbeitet und welche heutzutage?

Früher wurde hauptsächlich Fichte verarbeitet. Unser Nussknacker bestehen heute aus Buche, Linde, Erle und Birke. Das Lindenholz eignet sich hervorragend zum Drechseln. Der Hebel ist aus Buchenholz, da er hart sein muss. Wir verwenden nur einheimische Hölzer, die wir aus dem Sägewerk aus dem Nachbarort bekommen. 

Mitarbeiterinnen Corinne Uhlemann und Carola Seifert.

In welche Länder versenden Sie Ihre Nussknacker?

In sehr viele – u. a. nach Amerika. Aber auch die Japaner lieben das traditionelle deutsche Handwerk. Vor Kurzem bestellte ein Brasilianer einen Nussknacker, den er im Internet entdeckte. Er schrieb die Bestellung in portugiesischer Sprache, die wir erst entschlüsseln mussten. Es ist machbar, dass wir in die ganze Welt liefern können. 

Produzieren Sie alles in Ihrem Haus?

Ja, wir arbeiten und wohnen noch in dem Haus, in dem mein Ur-ur-ur-Großvater den Nussknacker erfand. Es ist das Schöne, dass wir mit unseren Nussknackern, die hier in der kleinen Werkstatt, wo alles noch wie früher mit der Hand und an den historischen Maschinen hergestellt wird, Menschen in der ganzen Welt erfreuen können. Wir sind ein Familienbetrieb. Meine Mutter betreut das Büro, mein Vater und  mein Onkel springen immer dort ein, wo sie gebraucht werden, meine Lebensgefährtin Carola beherrscht perfekt die Bemalung der Nussknacker. Ich erarbeite aus einem Stück Holz einen Nussknacker, immer ein Unikat mit Seele.

Markus Füchtner in seiner Werkstatt beim Drechseln.

Wie sieht es mit der neunten Generation aus?

Ich habe zwei Söhne. Der zwölfjährige Tristan findet es cool. Er hat auch schon in seiner Schule Vorträge über unsere Familiengeschichte gehalten. Als Profilbild hat er auf seinem Handy den „Roten König“. Dieser Nussknacker wurde von meinen Ur-ur-Großvater Albert entworfen und gefertigt. Damals war die Zeit des deutschen Königs, der meist eine rote Jacke und seine Krone trug. Der zehnjährige Bennet fragt mich auch schon mal, ob er drechseln darf. Ich versuche den beiden Jungs den Weg zu eben, damit sie es später leicher haben den Betrieb weiterzuführen, wenn sie möchten.

Haben Sie noch Nussknacker, die Ihre Vorfahren gestalteten?

Ja, und sogar auch den ersten, den mein Ur-ur-ur-Großvater Wilhelm erschuf. Es sind welche dabei, die auch Kriege überlebten. Wir haben vor drei Jahren eine besondere Edition von den Originalen aufgelegt, haben dabei die Maße abgenommen, sie nachgebaut und in der Stückzahl limitiert. Die meisten unserer Nussknacker sind über 100 Jahre nicht mehr hergestellt worden. Es gibt jedes Jahr ein neues Model in der „Edition M 8“. 

Die Kirche ist sehr bekannt und das Wahrzeichen von Seiffen.
Foto: Touristeninformation Seiffen E. Schalling

Sie haben jetzt Ihre Produktionsidee in die Realität umgesetzt, erzgebirgische Handwerkskunst mit Weltraumtechnik verschmolzen und eine Räucherrakete erfunden. Wie kam es dazu?

In unser Spielzeugdorf Seiffen kamen Wissenschaftler und Forscher vom Frauenhofer Institut aus Dresden. Sie stellten intelligente Materialien vor, die schon in der Medizin, Automobilbranche und im Weltall eingesetzt werden. Es ist eine Weltraumtechnik, die auf Wärmereize reagiert und die auf der ISS die Sonnensegel bewegt. In dieser gedrechselten Holz-Rakete steckt ein kleiner Wilhelm-Nussknacker. Wenn die Räucherkerze im Inneren angezündet wird, steigt Wilhelm auf, öffnet seine Raketen-Luke und schaut neugierig heraus. Wenn es wieder kalt wird, zieht er sich zurück, und die Luke schließt sich. Das ist ein Spagat zwischen 150-jähriger Tradition und  moderner Weltraumtechnik, eine echte Weltneuheit. Damit der Mechanismus funktioniert, kommt Hightech zum Einsatz, und alles ist 100 Prozent „made in Sachsen“. Das war und ist uns ganz wichtig. Wir haben inzwischen ca. 500 Vorbestellungen für diese Räucherrakete. 

Weitere Information zu Markus Füchtner: www.fuechtnerwerkstatt.de.
Informationen und alle Termine zum Kurort Seiffen: www.seiffen.de  

 

Bild ganz oben: Sechs Generationen der Familie Füchtner mit ihren jeweils entwickelten Nussknackern.

Text Marion Schröder/Fotos: Marion Schröder (5)/Touristinformattion Seifen (2)

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