Wenn der Durst nachlässt
Trinken für die geistige und körperliche Fitness – mit dem Enkeltrick
Die Trinkmotivation lässt bei vielen Menschen mit zunehmenden Alter nach, teils mit verheerenden Folgen. Denn Wasser bedeutet Leben. Gerade jetzt im Sommer ist die ausreichende Flüssigkeitszufuhr wichtig. Wem das Trinken jedoch schwerfällt, kann mit kleinen Tricks arbeiten.
Für Dr. Tobias Meyer sprechen die Fakten für sich: „Unser Körper besteht zu 70 Prozent aus Wasser und ist Träger sämtlichen Lebens. Der Stoffwechsel benötigt es, wir brauchen es zum Entgiften, es reguliert den Blutdruck, ist an der Darmtätigkeit beteiligt und hält die Haut frisch“, sagt er. Kein Wunder, Hon.-Prof. Dr. Meyer ist Chefarzt der Inneren Medizin mit Schwerpunkt Nephrologie an der Asklepios Klinik Barmbek. Er beschäftigt sich tagtäglich mit der Funktion der Nieren. Die sind unsere wichtigsten Entgiftungsorgane, das Klärwerk unseres Körpers. Sie regulieren den Wasser- und Salzhaushalt und reinigen das Blut und das alles mithilfe von Flüssigkeit. Über den Urin scheiden sie Abfallstoffe und Gifte aus. Gerät das aus dem Gleichgewicht, bekommt der Mensch Durst – in der Regel. Denn während junge Menschen scheinbar unbegrenzt Flüssigkeit zu sich nehmen können, fällt dies älteren Menschen sehr viel schwerer. Sie verspüren einfach weniger Durst.
„Die Trinkmotivation nimmt im Alter ab, und viele ältere Menschen nehmen deshalb zu wenig Flüssigkeit zu sich. Die Gründe dafür sind noch nicht bis ins Letzte erforscht“, sagt Dr. Jochen Gehrke, Chefarzt der Geriatrie an der Asklepios Klinik Nord. Ein Erklärungsansatz ist, dass die Dehnungsrezeptoren in Magen und Darm abnehmen, sodass bei älteren Menschen schon nach geringer Flüssigkeitszufuhr das Durstgefühl gestillt ist. Deutliche Warnzeichen für eine Exsikkose – so nennen Mediziner die Austrocknung – sind häufig Kopfschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten, Verwirrtheit, dunkler Urin und trockene Schleimhäute. Ein einfacher Test zur Diagnose einer Exsikkose ist die „stehende Hautfalte“. Wenn nach leichtem Zusammendrücken der Haut, zum Beispiels an der Handoberseite, die Hautfalte „stehenbleibt“, so spricht dies für eine unzureichende Flüssigkeitszufuhr. „Da hilft nur eins: Trinken. Trinken. Trinken“, so Dr. Gehrke. Im schlimmsten Fall drohen Kreislauf- oder Nierenversagen bei stärkerer Austrocknung des Körpers.
„Gerade bei höheren Temperaturen im Sommer kann es schon innerhalb eines Tages zur Austrocknung kommen“, sagt Dr. Gehrke und berichtet von einer älteren Patientin, die von ihren Angehörigen am Abend nach einem Tagesausflug in seine Klinik gebracht wurde. Sie hatte seit dem Morgen und möglicherweise schon länger bewusst nichts mehr getrunken, weil sie auf dem schönen Ausflug und der Autofahrt den Toilettengang scheute. Dieses Phänomen beobachtet der Geriater tagtäglich. Viele ältere Menschen leiden unter Blasenschwäche und vermeiden das Trinken, weil sie Angst haben, beispielsweise einen Opern- oder Theaterbesuch nicht ohne Malheur „durchzustehen“. Dr. Gehrke empfiehlt, falsche Scham abzulegen und den Hausarzt vertrauensvoll auf dieses Thema anzusprechen, damit die Trinkrestriktion nicht zu einem Krankenhausaufenthalt führt.
Ist es nur mangelndes Durstgefühl, das einen älteren Menschen weniger trinken lässt, gibt es durchaus Tricks. „Etwa 1,5 Liter sollten es täglich schon sein“, sagt der Nephrologe Dr. Meyer. Und diese eineinhalb Liter muss man sich vornehmen. „Ist der Wille dafür da, kann schon eine schöne Karaffe motivieren oder die zwei Flaschen Wasser in der Küche, die am Abend ausgetrunken sein müssen“, sagt er weiter. Dr. Gehrke berichtet von einem Patienten, dem sein Enkel einen Becher mit einem Foto von sich geschenkt hat. Darauf trinkt der Junge, darunter steht: „Prost, Opa!“. „Darüber hat der ältere Herr sich so gefreut, dass es ihn täglich motiviert, immer wieder zu diesem Becher zu greifen“, so Gehrke.
Ist Wasser zu fad, darf es auch mal eine Saftschorle sein, auch eine Suppe, Tees und abends mal ein möglichst alkoholfreies Bier, Auch die Warnung, Kaffee entziehe dem Körper Flüssigkeit, hat sich inzwischen als Mär erwiesen. „Flüssigkeit ist Flüssigkeit“, sagt der Nephrologe Meyer. Auch feste Rituale, wie ein großes Glas Wasser nach jeder Mahlzeit, ein Pott Tee am Nachmittag oder Trinken nach der Uhr, können helfen. Treibt einen die Sorge, es nicht rechtzeitig zur Toilette zu schaffen, kann ein Toilettentraining eine Option sein. „Dabei schiebt man den Toilettengang jeweils in Minutenschritten auf.“
Schwieriger ist es mit kognitiv eingeschränkten Menschen (z. B. Demenzkranken). „Da reicht es nicht, eine hübsche Flasche hinzustellen, da muss man tatsächlich dabeibleiben und abwarten, bis das Glas leer ist“, sagt Dr. Gehrke. Als Ultima Ratio oder auch im Krankheitsfall gibt es die Möglichkeit von subkutaner Flüssigkeitssubstitution, bei der über Nacht Flüssigkeit in das Unterhautgewebe infundiert wird. „Das ist besser und risikoärmer als die Anlage einer Magensonde und wird vor allem in akuten Fällen, wie etwa einer fieberhaften Infektion oder einer Durchfallerkrankung zur Überbrückung eingesetzt“, so Gehrke.
Wer glaubt, dass mit dem Wasserhaushalt des Körpers etwas nicht stimmt, sollte zudem seine Medikamente überprüfen. „Wer Medikamente gegen Bluthochdruck oder Herzinsuffizienz nimmt, muss mehr trinken als die empfohlenen 1,5 Liter, weil diese Mittel Nierenfunktionshemmstoffe enthalten, die zu einer höheren Ausscheidung führen“, warnt der Nephrologe Meyer. Gleiches gilt natürlich für Entwässerungstabletten. Dann hilft ebenfalls der ein oder andere Trick, um den Flüssigkeitshaushalt in Ordnung zu halten und dem mangelnden Durst ein Schnippchen zu schlagen.
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