Gedächtnistraining – nur etwas für Uralte?
Mit Denksport 60+ den grauen Zellen auf die Sprünge helfen
„Gedächtnistraining oder Denksport ist etwas für Senioren ab 60 Jahren“, sagt Anja Studemund, Logopädin und zertifizierte ganzheitliche Gedächtnistrainerin im Bürgerhaus Lokstedt. „Viele sagen zwar‚ so weit bin ich noch nicht‘ und haben Vorbehalte, aber mitmachen kann im Prinzip jede(r), der Interesse an geistiger Fitness hat. Für unseren Körper gehen wir ja auch ein- bis zweimal die Woche spazieren oder zum Sport oder betätigen uns irgendwie körperlich. Warum also nicht das Gehirn trainieren?“, sagt Studemund.
Jeden Mittwoch um zehn Uhr treffen sich im Bürgerhaus Lokstedt die aktuell sieben Kursteilnehmer, um gemeinsam zu knobeln, zu rätseln und ihr „Gehirn zu trainieren“. Das gemeinsame Gedächtnistraining fördert mit Übungen zu Wortfindung, assoziativem Denken, Konzentration und Kreativität unter anderem die geistige Beweglichkeit.
Gehirn: „use it – or lose it“
„Use it – or lose it!“ kann dabei auch als wissenschaftlich fundierte Einladung verstanden werden: bleibe offen für Neues, lerne ein Leben lang, bilde dich und das am besten in der Gruppe – bleibe mental und emotional am Ball. Ein buntes Leben, direkter sozialer Kontakt und anregender (Wissens-)Nachschub tut den grauen Zellen so gut wie nichts anderes.
„Hier hat jeder Schwächen und Stärken“, sagt Kursteilnehmerin Lilo B. „Hier ist es auch nicht wie in der Schule: Bei Lücken helfen wir uns gegenseitig. Ohne vorzusagen, versteht sich“, sagt die 79-Jährige. Nicht wie in der Schule, und doch gibt es Hausaufgaben. Zu Beginn der Stunde werden die dann erst mal besprochen. Danach geht es los mit der ersten Aufgabe, die Anja Studemund vorschlägt. Sie führt eine Abfolge von Bewegungen vor, die die Kursteilnehmer nachmachen können: Ellenbogen, Handkante, Faust, Handfläche ... auf die Tischkante. Lange lassen sich die drei Damen und der Herr heute nicht bitten – munter hämmern sie drauflos ... der eine schneller, der andere langsamer. Dabei wird diskutiert, wie man sich die Reihenfolge am besten merken könne.
Fantasie und Kreativität
Danach folgt eine Aufgabe aus dem Bereich „Fantasie und Kreativität“. Die Trainerin hat Bilder vorbereitet, die ergänzt werden sollen. Künstlerische Gemälde oder Zeichnungen wurden mit leeren Sprechblasen wie bei Comics versehen. Die Kursteilnehmer erfinden kurze Texte oder Dialoge. Einige legen gleich los, andere grübeln erst ein Weilchen. Manche texten originell, manche klassisch. Bei der anschließenden Ausstellung der „Werke“ wird viel gelacht, und die Texte werden auf Treffsicherheit analysiert.
VI – IV = IX
Bei der Übung zum Thema „Logik“ müssen Streichhhölzer gelegt werden. „Bei mir werden Erinnerungen an die Schulzeit wach. Man fühlt sich wieder jung – merken Sie was?“, amüsiert sich Lilo B. Durch Umlegen eines Streichholzes soll aus VI – IV = IX eine richtige Gleichung werden.
Die Aufgaben oder Übungen variieren. Manche werden einzeln, manche im Plenum, andere in Partnerarbeit absolviert. Schnell ist die Stunde um. „Die TeilnehmerInnen bekommen hier ein gutes Rüstzeug an die Hand, wie sie sich im Alltag Sachen besser merken können“, so Gedächtnistrainerin Studemund. „Was hat sich das Enkelkind gewünscht? Was stand auf dem Einkaufszettel, der zu Hause vergessen wurde? Oder wie heißt die neue Nachbarin? – durch einige Hilfen können sich die meisten Menschen nach ein bisschen Training wieder gut an Sachen erinnern.“
Soziale Komponente
Volkshochschule, Bürgerhaus oder soziale Einrichtung ... in Hamburg gibt es zahlreiche Anbieter von Denksport-Kursen. Neben dem positiven Effekt fürs Gehirn spielt auch die soziale Komponente eine wichtige Rolle. Gemeinsam zu „trainieren“, über Fehler zu lachen oder sich über kreative Erfolge zu freuen ist ein äußerst positiver Nebeneffekt.
Die Teilnahme im Bürgerhaus Lokstedt kostet um die 80 Euro für acht Stunden (Ermäßigung möglich). In der Volkshochschule kosten 20 Stunden (verteilt über fünf Monate) 69 Euro, bei LAB (Lange aktiv bleiben) liegt die Teilnahmegebühr hamburgweit zwischen drei Euro für Mitglieder und fünf Euro für Nicht-Mitglieder. Bei fast allen Angeboten gibt es die Möglichkeit, erst einmal eine Probestunde zu besuchen, um zu erleben, ob der Kurs für einen selbst etwas ist.
Text und Fotos: Corinna Chateaubourg © SeMa
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