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Krimi-Serie (Teil 12)

Um 14.35 Uhr waren beide Köpfe gefallen. 1949 wurde zum letzten Mal in Hamburg die Todesstrafe vollstreckt.

In einer Wohnung in der Isestraße trafen die Mörder ihr Opfer. Foto © stahlpress Medienbüro

Noch gehört die Todesstrafe in 56 Ländern zum Rechtssystem. „Weder im Herzen des Einzelnen noch in den Sitten der Gesellschaft wird es einen dauerhaften Frieden geben, solange der Tod nicht aus den Gesetzen verbannt ist“, schrieb der Literaturnobelpreisträger Albert Camus 1957 in einem berühmten Essay über die Guillotine. Mit dem Grundgesetz wurde die Todesstrafe am 23. Mai 1949 auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland abgeschafft. In der DDR dauerte das bis 1987; noch 1981 wurde das letzte Todesurteil vollstreckt.

Eine genaue Zahl derer, die in Hamburg von Rechts wegen getötet wurden, ist nicht bekannt. Geschätzt kam es weit mehr als 1.000 Mal vor. Von 1444 bis 1581 wurden 40 Frauen wegen Hexerei und Zauberei auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert verloren mehr als 400 Seeräuber auf dem Grasbrook im Hafen ihr Leben.
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts waren Hinrichtungen keine öffentlichen Spektakel mehr. Sie wurden zu Verwaltungsakten und im Geheimen vollzogen. Einen Tod, der für alle gleich war und nur einen Augenblick dauerte, gewährleistete die Enthauptungsmaschine, das Fallbeil, die Guillotine.

Das Opfer, seine Geliebte und seine Mörder sowie der „Tatort“, das Auto, und das Fallbeil, mit dem die Geschichte endete.
Zeichnung: Uwe Ruprecht © stahlpress Medienbüro

Während der Weimarer Republik wurden in Hamburg keine Todesurteile verhängt. Das änderte sich mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Sie vermehrten die Straftatbestände, für die der Tod als Buße vorgesehen war. Von 1934 bis 1936 wurde die seit 1850 übliche Exekution mit dem Fallbeil durch das Handbeil ersetzt – weil die Guillotine an die Französische Revolution erinnerte und als Erbe der napoleonischen Herrschaft galt. Zwischen 400 und 500 Menschen starben im Hof des Untersuchungsgefängnisses am Holsten- glacis, die letzte Hinrichtung in der Zeit des Nationalsozialismus wurde vermutlich am 23. April 1945 vollzogen: gesühnt werden sollte der Diebstahl von Feldpost.

Während der folgenden britischen Besatzungsherrschaft starben noch 18 Menschen unter dem Fallbeil. Die letzten Verbrecher, die in Hamburg gehenkt wurden, hießen Peter Steinhauer und Robert Amelung. Der 37-jährige Steinhauer war Direktor einer chemischen Fabrik gewesen und wohnte nach Kriegsende komfortabel in Timmerhorn bei Ahrensburg. In Hamburg, wo inmitten von Trümmern gelebt und gehungert wurde, betätigte er sich als Schieber.

Zu seinen Geschäftskontakten gehörte der serbische Journalist Peter Nikolitsch. Der 34-Jährige konnte sich in einem Auto der US-Armee ungehindert zwischen den Besatzungszonen bewegen, um die begehrten Waren für den Schwarzmarkt zu organisieren und zu schmuggeln: Zigaretten vor allem, Alkohol und Medikamente. Nikolitsch wurde im Suff gewalttätig und drohte dann seinem Kumpan Steinhauer, ihn zu verpfeifen. Als er schließlich Steinhauers Frau Avancen machte, plante dieser seine Ermordung.

Zur Mithilfe erpresste Steinhauer den 27-jährigen Schmied Robert Amelung, der bei ihm mit 10.000 Reichsmark in der Kreide stand. Am 30. Oktober 1947 trafen sich die drei zu einem Saufgelage in der Wohnung von Nikolitschs Geliebter, der 40-jährigen Marie Mohr, in der Isestraße. In der Nacht stiegen sie in Nikolitschs Auto, das sein Besitzer steuerte.
An der Bebelallee, nördlich des Stadtparks, ließ Steinhauer anhalten. Vom Rücksitz aus schlug Amelung Nikolitsch mit einem Gummihammer den Schädel ein. Dann fuhren die Mörder zur Alster und versenkten die mit Ziegelsteinen beschwerte Leiche.

Die Hinrichtungen fanden im Hof des Untersuchungsgefängnisses am Holstenglacis statt.
Foto © stahlpress Medienbüro

Aber Amelung erzählte seiner Freundin von der Bluttat, und sie verriet ihn an die Polizei. Ein britisches Militärgericht machte ihm und Steinhauer im Dezember 1948 den Prozess. Mit auf der Anklagebank saß Marie Mohr. Weil Nikolitsch sie ständig verprügelt habe, solle sie zu dem Mord angestiftet haben, behauptete Steinhauer. Am 5. Februar 1949 wurden zunächst alle drei zum Tode verurteilt, aber die Berufsinstanz sprach die Frau frei.

Am 9. Mai 1949 bestiegen Steinhauer und Amelung nacheinander das Schafott. Der Verurteilte wurde auf ein senkrecht stehendes Brett geschnallt. Ein Holz mit halbmondförmigem Ausschnitt, die Lunette, umschloss den Nacken. Das Brett kippte, der Delinquent rutschte nach vorn. Der Scharfrichter löste die Hebel, das Messer sauste herab, ein dumpfer Schlag – um 14.35 Uhr war es vorbei.

Als Scharfrichter fungierte Friedrich Hehr, der 1925 als Henkersgehilfe begonnen hatte. Seit 1937 war er hauptverantwortlich für die Hinrichtungen in Hamburg, Hannover und Köln. Mindestens 700 Menschen beförderte er vom Leben zum Tod. Er war bereits 66 Jahre alt, als die alliierten Behörden sich seiner Dienste versicherten. Er wurde 1946 für das neue Bundesland Niedersachsen engagiert, ab 1947 richtete er auch in Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Hehr verschied 1952 friedlich mit 72 Jahren.    

Hinweis: Mit dieser Folge endet unsere Krimiserie. Ab dem nächsten Heft startet die neue Reihe „Geschichten aus der Hamburger Geschichte“.

 

Volker Stahl © SeMa

Hinweis: Mit dieser Folge endet unsere Krimiserie. Ab dem nächsten Heft startet die neue Reihe „Geschichten aus der Hamburger Geschichte“.

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