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„Kunstwerk aus Stein“

Ein Pfandleihhaus gab der Lombardsbrücke ihren Namen

Ein freundlicher Ansichtskartengruß aus dem Jahr 1903.
Foto: Archiv stahlpress

Sie befindet sich im Herzen der Stadt und trennt die Binnen- von der Außenalster – die Lombardsbrücke. Die Überführung ist mit ihren gusseisernen Leuchten, Korbbögen und Verzierungen nicht nur ein echter Hingucker, sondern gewährt zudem einen Blick auf die Schokoladenseite der Stadt: Ballindamm, Jungfernstieg, Alsterfontäne, Rathausturm.

Die Brücke mit dem einzigartigen Panorama hat auch Künstler wie den Schriftsteller Hans Erich Nossack inspiriert. „Es war nämlich spät nachts, der Engel lehnte bei einem der schönen Kandelaber an der Balustrade der alten Lombardsbrücke und blickte auf das Wasser der Binnenalster, in dem die Lichter des Jungfernstiegs tanzten.“ Doch das vom Architekten Johann Hermann Maack (1809–1868) entworfene Bauwerk hatte über die Jahre Patina angesetzt. Die Kandelaber mit ihren Schmuckbauteilen waren angerostet, die Natursteinfassade bröckelte, und die Beleuchtung entsprach nicht mehr dem heutigen Standard. In einem ersten Schritt erneuerte die Stadt im Sommer 2015 daher auf der Oberseite der Brücke Abdichtungen und Beläge. Die Oberflächen wurden mit Kopfsteinpflaster denkmalschutzgerecht hergerichtet. Anschließend wurden die Natursteinfassaden, Balustraden und das Mauerwerk der Schiffsdurchfahrten sowie die Kandelaber von der federführenden Verkehrsbehörde restauriert.

Die „Kennedy-Brücke“ hieß vor 1963 „Neue Lombards-
brücke“. Foto: Archiv stahlpress

Während die steinerne Lombardsbrücke das Auge von Hamburgern und Touristen seit anderthalb Jahrhunderten erfreut, mussten ihre reparaturanfälligen hölzernen Vorgängerinnen in kurzen Abständen 1739, 1759, 1778 und 1827 erneuert werden. Die erste Brücke entstand im 17. Jahrhunderts entlang der alten Befestigungslinie – zunächst als namenlose schmale Klappbrücke, dann als Steg, später als befahrbare Holzkonstruktion.

Dank seiner Wehranlagen galt Hamburg während des Dreißigjährigen Krieges als uneinnehmbar. „Der Neubefestigung der Stadt verdanken wir nicht nur die Zerlegung der bis dahin noch ungeteilten Großen Alster in Binnen- und Außenalster, sondern auch die Entstehung des wegen seiner Lage viel gerühmten Bauwerks der Lombardsbrücke zur Verbindung der beiden in die Alster hervortretenden Wallenden“, schrieb Wilhelm Melhop 1932 in seinem Buch „Die Alster“. Viel gerühmt waren die bald nach dem von 1651 bis 1827 auf den Wallanlagen stehenden Pfandleihhaus benannten Holzbauten noch nicht. In das Leihhaus nahe der Brücke schleppten finanziell klamme Hanseaten einst ihre Wertsachen, um mit einem „Lombardkredit“ wieder Geld ins leere Portemonnaie zu bekommen.

Schöne Aussicht: Blick von Hamburgs Traditionsbrücke
im Jahr 1958.
Foto: Germin/SHMH

Das Knarzen der Holzbrücke war Geschichte, als sich der Hamburger Bauinspektor Johann Hermann Maack daran machte, ein Funktionalität und Ästhetik perfekt verbindendes Kunstwerk aus Stein zu schaffen. Für dessen heute noch als attraktiv wahrgenommene optische Gestaltung sorgen das mit maritimen Motiven verzierte Mauerwerk und acht gusseiserne Kandelaber mit je fünf Glaskugeln. Die zierlichen Lichtträger auf den Pfeilerköpfen mit ihren musizierenden Putten sind Werke von Carl Börner (1828–1905). Der Bildhauer erschuf auch die am Brückenbauwerk häufig wiederkehrenden Sinnbilder: Alsterschwan, Elbdelfin, Anker, Merkurstab und das Hamburger Wappen. „Der in Ziegeln und Quadern ausgeführte Brückenneubau fand allgemeinen Beifall; seine gefälligen Linien mit den drei fast gleichen Korbbögen der Durchfahrten fügten sich, namentlich nachdem die seitlichen Grünanlagen entwickelt waren, in die Schönheit des Alsterbildes harmonisch ein“, lobte der Chronist Melhop. Der Schöpfer der imposanten Brücke, Hermann Maack, hatte sich schon zuvor mit einigen Bauten im Stadtbild verewigt. Die Adolphs- und Börsenbrücke, der Reesendammkai sowie zahlreiche Brücken über die Fleete entstanden nach seinen Entwürfen. Die eigens für die schwere Eisenbahn konstruierte Steinbrücke war jedoch sein Meisterwerk. Umso tragischer, dass er wenige Wochen vor der feierlichen Einweihung der Lombardsbrücke starb.

Seit dem 18. Juli 1868 verbindet die 65 Meter lange Brücke den Schienen- und Straßenverkehr zwischen den Bahnhöfen am Klostertor, Dammtor und der Sternschanze mit der damals selbstständigen preußischen Stadt Altona. Heute dient die Brücke primär dem Autoverkehr. Eine Verkehrszählung ergab vor einigen Jahren, dass sie täglich von 70.000 Autos und rund 1.000 Zügen befahren wird – Tendenz steigend! Das bleibt nicht ohne Folgen. „Nirgendwo in Hamburg stehen Autofahrer schöner im Stau als hier“, schrieb die „Hamburger Morgenpost“ vor einigen Jahren süffisant. Seit 1953 entlastet die von dem Architekten Bernhard Hermkes entworfene, im typischen Stil des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg kühn geschwungene Neue Lombardsbrücke den Verkehr in der Hamburger City. Sie wurde 1963 nach dem in Dallas ermordeten US-Präsidenten John F. Kennedy umbenannt.                

 

Text: Volker Stahl © SeMa/Fotos: © Archiv stahlpress

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