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Der Mann, der Nivea erfand

Oscar Troplowitz war ein sozialer Unternehmer und Kunst-Mäzen.

NIVEA-Lieferwagen 1929.
Foto © Beiersdorf AG

1951 hatte Max Frei-Sulzer, der Leiter des Wissenschaftlichen Dienstes der Stadtpolizei Zürich, die bahnbrechende Idee, die durchsichtigen und auf einer Seite mit Klebstoff versehenen Zellophanstreifen, die in jedem Büro zu finden waren, dafür zu benutzen, Mikrospuren an einem Tatort zu sichern. Einen „Kautschuk-Klebefilm“ gab es schon seit 1896, aber seinen Durchbruch hatte das „Lassoband“ erst Mitte der 1930er Jahre als „Tesafilm“. „Tesa“ hieß zunächst die patentierte Tube der Zahnpasta „Pebeco“. Elsa Tesmer, eine Kontoristin der Firma Beiersdorf, hatte die Marke bei einem betriebsinternen Wettbewerb 1906 aus den Anfangs- und Endbuchstaben ihres Namens gebildet. Heute ist die Tesa eine Tochter der Beiersdorf AG mit Sitz in Norderstedt.

Eigentlich müsste das Unternehmen den Namen des Mannes tragen, der es zum Erfolg geführt hatte. Denn die „Fabrik darmato-therapeutischer Präparate“, die 1882 vom Apotheker Paul Carl Beiersdorf (1836–1896) in der Nähe des Michels gegründet worden war, hatte nur elf Mitarbeiter, als Oscar Troplowitz sie 1890 kaufte. Er beschäftigte schließlich 500 Menschen. Heute sind es 20.000, die 2022 einen Gewinn von rund 1,2 Milliarden Euro erwirtschafteten. 1892 war die Firma nach Hamburg-Eimsbüttel umgezogen an die Straße, die 1971 nach Troplowitz benannt wurde und von der ein Teil seit Juli 2023 Beiersdorfstraße heißt.

Oscar Troplowitz (1863–1918). Foto © Beiersdorf AG

Geboren am 18. Januar 1863 als Sohn eines Maurermeisters im oberschlesischen Gleiwitz, kam Oscar Troplowitz als Siebenjähriger nach Breslau. Nachdem er bei einem Onkel eine Apothekerlehre absolviert hatte, arbeitete er als Gehilfe in Berlin und Posen. 1884 nahm er ein Studium der Pharmazie in Breslau auf, 1888 promovierte er zum Doktor der Philosophie in Heidelberg. Für 60.000 Mark erwarb der 27-Jährige Beiersdorfs Labor. Und machte daraus binnen Kurzem einen florierenden Betrieb für Kosmetik.

Der Markt für Hygiene- und Körperpflege-Artikel entwickelte sich erst. Troplowitz war in zweifacher Hinsicht ein Pionier: bei der Erfindung von Produkten wie bei deren industrieller Herstellung, die sie für breite Käuferschichten erschwinglich machten. 1901 entstand der medizinische Klebeverband „Leukoplast“, 1909 eine „Lippenpomade“ namens „Labello“ mit einem Stift im Drehhülsengehäuse. 1911 kaufte Troplowitz dem Hamburger Chemiker Isaac Lifschütz das Patent für den Emulgator „Eucerit“ ab. Im Dezember desselben Jahres brachte er die erste haltbare Fett- und Feuchtigkeitscreme der Welt heraus. Die Verbindung von Wasser, Glyzerin und Zitronensäure wurde zusammengehalten von „Eucerit“. Ihren Namen „Nivea“, die Schneeweiße, abgeleitet vom lateinischen „niveus“, trug bereits seit 1906 eine Seife.

Anzeige im „Hamburger Tageblatt“ vom 8. Juli 1933.
Repro © stahlpress Medienbüro

Troplowitz erkannte früh die Bedeutung der Reklame: Er schaltete Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften und nutzte die freien Flächen auf Bussen für Werbung. Von 1900 bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs verzwölffachte sich der Umsatz von Beiersdorf.

Ein Pionier war Troplowitz auch als Arbeitgeber. Die „Fürsorge“ für seine Arbeiter und Angestellten betrachtete er „nicht als Wohltat, sondern als ihr gutes Recht“. Es gab es ein kostenloses Mittagessen und seit 1897 einen Mutterschutz. Beiersdorf führte als erstes Unternehmen in Hamburg den bezahlten Urlaub ein. Ab 1892 wurde die Wochenarbeitszeit von 60 Wochenstunden schrittweise bei vollem Lohnausgleich reduziert – bis auf 48 im Jahr 1912. Beiersdorf zahlte Weihnachtsgeld und unterhielt eine eigene Pensionskasse.

Troplowitz unterstützte Krankenhäuser ebenso wie den Verein für Hamburgische Geschichte. Als Mitbegründer des Stadtparkvereins wirkte er an der Schaffung des Parks mit. Von 1904 bis 1910 war Troplowitz Abgeordneter in der Bürgerschaft. Außerdem war er Mitglied der Baudeputation. „Er sekundierte vor allem Oberbaudirektor Fritz Schumacher, an dessen lebendigem Wesen und Wirken er seine reine Freude hatte und dessen oft isolierte oder von der kühlen Atmosphäre der Gleichgültigkeit umgebene Stellung er wesentlich erleichterte“, schrieb ein Zeitgenosse.

Die Villa Troplowitz in der Agnesstraße an der Außenalster. Foto © stahlpress Medienbüro

Die Villa an der Ecke Agnesstraße und Fernsicht, die sich Troplowitz 1908/09 hatte erbauen lassen, war ein Treffpunkt der hanseatischen Kunstszene. Troplowitz förderte den „Hamburgischen Künstlerclub von 1897“ und besaß 200 Gemälde. Er war der erste deutsche Privatsammler, der 1914 einen Picasso erwarb, die „Eingeschlafene Trinkerin“ aus der sogenannten „Blauen Periode“. Es hing in seinem Arbeitszimmer.

Am 27. April 1918 erlitt Troplowitz mit 55 Jahren bei einem Spaziergang einen Gehirnschlag und starb. Der Picasso gehörte zu den 26 Werken, die aus seinem Nachlass an die Kunsthalle gingen. 1937 wurde das Bild als „entartete Kunst“ beschlagnahmt und verkauft. Heute befindet es sich im Kunstmuseum Bern.

Das Grabmal für Oscar Troplowitz auf dem Friedhof Ohlsdorf ist als Kulturdenkmal eingestuft. Es wurde von Fritz Schumacher und dem Bildhauer Arthur Bock gestaltet, der 1910 die Statue einer Diana mit Hund für den Garten der Troplowitz-Villa geschaffen hatte.

 

Text: Volker Stahl © SeMa/Fotos: © Archiv stahlpress und © Beiersdorf AG

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