Schrift ändern:AAA

Brehms Hamburger Tierleben

Der Zoo des „Tiervaters“ befand sich auf dem heutigen Areal von Planten un Blomen

Alfred Brehm.
Foto © wikipedia

„Brehms Tierleben“ kennt wohl jeder – der einst vom Zoologen Alfred Edmund Brehm geleitete Hamburger Tierpark dagegen ist nahezu vergessen. Er befand sich von 1863 bis 1930 auf dem heutigen Gelände von Planten un Blomen.

1860 gründeten betuchte Hamburger Bürger einen „Actienverein“ zur Finanzierung des 14 Hektar großen Zoologischen Gartens. Zu den Initiatoren gehörten vor allem Kaufleute und Industrielle. Mit dem Erwerb einer „Actie“ war „die Benutzung des Gartens, laut Reglement, verbunden“. Heute würde man von „freiem Eintritt“ sprechen. Größter Förderer war der Unternehmer und Politiker Ernst von Merck, nach dem später eine mittlerweile abgerissene Veranstaltungshalle benannt wurde, in der einst die Beatles aufspielten.

Die große Spendenbereitschaft des Hamburger Bürgertums ermöglichte die „Entwüstung“ des Geländes und den Bau der Menagerie und Käfige. Doch vor dem ersten Spatenstich mussten zunächst Bedenken zerstreut werden. Ein Hauseigentümer meinte, „daß die Annehmlichkeit und jetzige Sicherheit der dortigen Gegend durch die Nähe der wilden und zahmen Thiere dieser Menagerie nicht gerade gewinnen wird“ und fürchtete, „daß der Miethbegehr nach Anlage und Vollendung des Zoologischen Gartens sinken wird“. Ein anderer warnte davor, „daß die Hyänen, angelockt durch den zuweilen allerdings sehr bemerklichen Leichengeruch der Kirchhöfe ihre Käfige durchbrechen und auf den Friedhöfen, ihrer afrikanischen Natur getreu, allerhand Unfug stiften möchten“.

Grüße aus dem Zoologischen Garten, versendet im
Juli 1898.
Foto © Archiv stahlpress

Die Einwände verpufften, die Schaulust siegte. Am 17. Mai 1863 wurde der fünfte deutsche Zoo eröffnet: „Unser Thiergarten ist geworden, was er werden sollte, ein Lieblingsaufentalt der Bewohnerschaft Hamburgs ohne Unterschied“, frohlockte der erste Zoodirektor Alfred Brehm (1829–1884) in der populären Illustrierten „Die Gartenlaube“. „Für den Kundigen ist es ein Genuß, unsere fast überfüllten Gehege zu betrachten, und selbst der Laie, welcher sich mühen muß, ein Thier von dem andern zu unterscheiden, lernt staunen über die Mannigfaltigkeit, welche wir schon jetzt dem Beschauer bieten können.“

Anfangs bevölkerten 1200 Tiere das von Brehm so genannte „wissenschaftliche Institut“ – darunter Raubvögel, Bisamschweine, Waldhühner, Bisons, asiatische Büffel, Tapire, Fischotter, Marabus, Flamingos, Raubtiere und sogar ein Wombat. Auch Teiche, Gräben, „Häuser“ für die verschiedenen Tiergattungen, künstliche Wasserläufe, aufgetürmte Felsen sowie eine Grotte aus Tuffstein und die „Wolfsschlucht“ sorgten für Gesprächsstoff in der Hansestadt. Es gab ein Straußenhaus nach dem Vorbild „innerafrikanischer Hütten“, einen Spechtkäfig, Bärenzwinger und Aquarien, die auf dem höchsten Stand der Technik waren. 1876 wurden 18 Behälter der Aquarien mit Nordsee- und vier mit Elbwasser gefüllt, das von einem dampfmaschinengetriebenen Pumpenwerk gefiltert wurde. Mit viel Mühe und großem Kostenaufwand wurden zudem auf dem ganzen Gelände Bäume und Sträucher gepflanzt.
Der Hamburger Hafen sorgte für Nachschub an Tieren – sehr zur Freude Brehms: „Fast jedes Hamburger Schiff, welches von einer weiten Reise zur Heimath kehrt, hat für uns etwas an Bord. Wir dürfen ohne Uebertreibung behaupten, daß fast jeder Tag uns ein Geschenk bringt, durchschnittlich gewiß.“

Postkarte des Zoologischen Gartens, um 1900.
Foto © wikipedia

In den ersten fünf Monaten besuchte fast eine Viertelmillion Menschen den Garten – „Actionäre, Abonnenten und Frei- oder Armenschüler ungerechnet“. Der Besucherstrom wuchs schnell an. Im ersten Jahr wurden 924 Abonnenten gezählt, 1864 bereits 2800. Trotz des großen Publikumserfolgs quittierte der 1862 inthronisierte und später mit dem Attribut „Tiervater“ versehene Brehm im November 1866 seinen Dienst. Grund: Der Verwaltungsrat wollte seine Kompetenzen beschneiden.

Die Stadt hatte das Areal der geschäftsführenden Zoologischen Gesellschaft zunächst für 50 Jahre überlassen. Doch die Eröffnung des damals hochmodernen Tierparks in Stellingen durch Carl Hagenbeck leitete 1907 das langsame Ende des Zoologischen Gartens an den Wallanlagen ein, der mit dem innovationsfreudigen Privatzoo nicht konkurrieren konnte. Die Spendenbereitschaft verebbte, die Besucher blieben fern.

1920 erhielt die Stadt die Fläche zurück, 1930 wurde der Zoo endgültig geschlossen und teilweise in einen Rummelplatz mit Jahrmarktbetrieb und einen Vogelpark umgewandelt, der aber nur anderthalb Jahre existierte. Ab 1934 wurde das Gelände für die Niederdeutsche Gartenschau neu gestaltet, heute ist es Teil des 47 Hektar großen innerstädtischen Erholungsparks Planten un Blomen. Nur die angrenzende Tiergartenstraße erinnert noch an seine frühere Bestimmung.         

 

Volker Stahl © SeMa

Analyse Cookies

Diese Cookies ermöglichen eine anonyme Analyse über deine Webseiten-Nutzung bei uns auf der Seite

Details >Details ausblenden