Es grünt so grün an der Elbe Auen
Zwei Grüne Ringe und zwölf grüne Landschaftsachsen bieten Menschen Erholung sowie Tieren und Pflanzen einen Rückzugsort!
Schon gewusst? Über das Hamburger Stadtgebiet spannt sich ein zusammenhängendes „Grünes Netz“ aus Wäldern, Parks, Kulturlandschaften und Naturschutzgebieten. Dieses Netz besteht aus zwei „Grünen Ringen“ und zwölf Landschaftsachsen. Mit der Unterzeichnung des „Vertrags für Hamburgs Stadtgrün“ hatte sich die Stadt vor fünf Jahren dazu verpflichtet, die ökologisch wertvollen Flächen des Stadtstaats zu bewahren, weiterzuentwickeln und die Naturqualität zu steigern. Wer Hamburgs Grün zu Fuß oder per Rad erkunden möchte, kann das mithilfe zahlreicher, von der Stadt kostenlos zur Verfügung gestellter Karten und Broschüren tun.
„Grün ist des Lebens goldener Baum“, heißt es schon in Goethes „Faust“. Was liegt also näher, als das Grün in der unmittelbaren Wohngegend selbst zu erkunden? In Hamburgs Innenstadt kann die Wanderung beginnen, denn als dort vor 200 Jahren die Wallanlagen ihren militärischen Nutzen verloren hatten, wurde der frühere Festungsring nicht bebaut, sondern vorausschauend als Grünfläche für die immer dichter besiedelte Stadt genutzt. Heute bilden die früheren Trutzanlagen den ersten Grünen Ring, der sich um die historische City schlängelt – vom Stintfang über den Alten Elbpark, Planten un Blomen und die Binnenalster bis zum Lohsepark in der HafenCity. Der zweiten Grüne Ring verläuft vom Jenischpark im Westen über Altonaer Volkspark, Niendorfer Gehege, Friedhof Ohlsdorf, Trabrennbahn Farmsen, Öjendorfer Park und Boberger Niederung bis zum Wasserpark Dove-Elbe. Südlich der Elbe setzt er sich über Vier- und Marschlande, Neuländer See, Harburger Stadtpark, Meyers Park über die Süderelbemarsch fort und endet am Rüschpark.
Das Grüne Netz ist in erster Linie Teil der Landschaftsplanung der Stadt Hamburg, deren Behörden für die Gestaltung, Pflege und Entwicklung zuständig sind. Zentral ist dabei die Funktion als Erholungsraum für den Menschen. Aus Sicht des NABU ist das Grüne Netz mit seinen natürlichen und freiräumlichen Strukturen, aber auch unter Naturschutzaspekten von Bedeutung, weil es Lebensräume für Tiere und Pflanzen bietet und über geschützte Biotope, Natur- und Landschaftsschutzgebiete verfügt. Vom Naturschutz aus betrachtet, gäbe es noch „Luft nach oben“, erklärt NABU-Experte Dr. Christian Gerbich und nennt die „Änderung der intensiven Pflege von Wiesen hin zu einer extensiven Mahd“ und „das Belassen von Totholz“ als Beispiele.
Auch wenn Hamburg sich in den offiziellen Publikationen schon früher gerne als „grünste Millionenstadt Deutschlands“ darstellte, so musste dem Senat doch vom hiesigen Landesverband des Naturschutzbunds (NABU) mit der am ersten Dezember 2017 angemeldeten Volksinitiative „Hamburgs Grün erhalten“ auf die Sprünge geholfen werden. Ziele der Ini waren und sind der Flächenerhalt, die Aufwertung der Natur und die Messbarkeit des Grünschutzes. „Der Druck auf Freiflächen hatte immer weiter zugenommen“, erläutert Dr. Christian Gerbich den Hintergrund der Volksini: „Der NABU musste bei jedem Verfahren die immer gleichen Punkte einbringen, beispielsweise den Verlust von Grün und Lebensraum oder die Beanspruchung von Landschaftsschutzgebieten ohne Konsequenzen. Die Einzelfallbetrachtung solcher Planungen führte zu der Situation, dass an der Hamburger Natur quasi Stück für Stück geknabbert wurde.“ Da jedes Projekt für sich und als nicht einschneidend betrachtet wurde, habe eine Gesamtschau gefehlt, die zeigt, dass Hamburgs Natur und Grün immer weniger wurden.
Nach zähen Verhandlungen mit der Stadt zogen die Initiatoren ihr Begehren schließlich zurück. Der erzielte Kompromiss wurde am 8. Mai 2019 in der Hamburgischen Bürgerschaft mit den Stimmen von SPD, Grünen und LINKEN verabschiedet. Zwei Jahre später beschloss der Senat den „Vertrag für Hamburgs Stadtgrün“, in dem sich Hamburger Behörden, Bezirke und öffentliche Unternehmen zum Erhalt des Grünanteils verpflichten – trotz Baubooms, Infrastrukturmaßnahmen und Zuwanderungsdrucks.
Der Kerngedanke der Vereinbarung zwischen Stadt und Naturschützern ist, dass eine langfristige Siedlungsentwicklung ökologische Aspekte gebührend berücksichtigt. Die Vertragspartner einigten sich darauf, dass eine verbindlich festgelegte Gesamtfläche grün bleibt und alle Naturschutzgebiete für jegliche Eingriffe tabu sind. Bei Flächen mit dem Status „Landschaftsschutzgebiet“ oder „Biotopverbund“ kommt in Einzelfällen ein Tauschmechanismus zum Tragen: Wird eine dieser Flächen für den Wohnungsbau, die Verkehrsinfrastruktur oder sonstige Bauprojekte beansprucht, müssen diese verbindlich an anderer Stelle innerhalb des Hamburger Stadtgebiets kompensiert werden. Der „Vertrag für Hamburgs Stadtgrün“ verknüpft die bauliche Verdichtung der Stadt mit der Verbesserung der Naturqualität und dem Erhalt von Grünflächen.
Konkret heißt das: Die Hansestadt stellt mindestens zehn Prozent der Landesfläche unter Naturschutz, der schutzbedürftige Teil der Landschaftsschutzgebiete – 18,9 Prozent der Landesfläche – und der des Biotopverbunds (23,2 Prozent) bleiben erhalten. Als wichtige Grünverbindungen und öffentliche Grün- und Erholungsanlagen sollen die zwölf Landschaftsachsen und die beiden Grünen Ringe stärker in den Fokus gerückt werden. Dieses Grüne Netz geht auf das 1919 vom früheren Oberbaudirektor Fritz Schumacher (1869–1947) entwickelte Konzept der Hamburger Siedlungsentwicklung zurück.
Die im Vertrag formulierten Vorgaben betreffen 90 Prozent der vorhandenen Freiflächen, darunter Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiete, aber auch Parkanlagen und Grünzüge, einschließlich des Biotopverbunds. Die verbleibenden zehn Prozent mit freien Arealen bieten städtebaulichen Entwicklungsspielraum für die Stadt. Unterzeichnet wurde das Vertragswerk von der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, der Behörde für Wirtschaft und Innovation, der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende, der Finanzbehörde, allen Bezirksämtern, den Hamburger Friedhöfen, der Hamburg Port Authority, Hamburger Hochbahn, der Hamburger Stadtentwässerung, den Hamburger Wasserwerken, dem Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen, Sondervermögen Schulimmobilien, Schulbau Hamburg, Gebäudemanagement Hamburg GmbH und Stromnetz Hamburg. „Mit allen Partnern steht die Behörde für Umwelt, Energie, Klima und Agrarwirtschaft (BUKEA) regelmäßig im Austausch“, sagt BUKEA-Sprecherin Franziska Fleischhauer, „zudem mit dem NABU als Initiator der Volksinitiative.“
Fünf Jahre nach der Einigung mit den Initiatoren der Volksinitiative zogen alle am Verfahren beteiligten Akteure im Rathaus ein positives Zwischenfazit. „So manche Inanspruchnahme von Grünflächen wird durch die Vereinbarung bereits im Vorfeld verworfen“, sagte der Hamburger NABU-Vorsitzende Malte Siegert. Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) bezeichnete den Vertrag als „ein gutes Beispiel für eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Senat und Umweltverbänden“. Und Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) wies darauf hin, dass die Vereinbarung in den Köpfen der mit der Stadtentwicklung befassten Protagonisten bereits einiges bewirkt habe: „Ob Parks, Grünflächen, Wegeverbindungen, Fassaden- oder Dachbegrünung, Hamburgs Grün wird mittlerweile von Anfang an in den Planungs- und Antragsverfahren mitgedacht.“ In Behörden und öffentlichen Unternehmen werde dem Naturwert „endlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt“, freut sich Siegert.
Das ist in Anbetracht der seit 2021 neu entstandenen 20 000 Wohnungen eine bemerkenswerte Aussage eines Naturschützers und macht Hoffnung, dass behutsame Nachverdichtung und Umweltbelange durchaus unter einen Hut zu bringen sind. Auch Mietervereinschef Dr. Rolf Bosse, der qua Amt „bauen, bauen, bauen“ propagieren muss, damit die Wohnungsmisere in der Elbmetropole gemildert werden kann, konstatiert: „Nicht zuletzt wegen seiner Grünflächen und der für eine Metropole äußerst geringen Besiedelung ist Hamburg so schön und lebenswert.“ Diese Vorzüge gelte es unbedingt zu erhalten, so Bosse weiter, „zugleich wollen wir, dass genug Wohnraum zur Verfügung steht für all diejenigen, die Hamburg auch in Zukunft gestalten und nach vorne bringen wollen“. Immer wieder in jedem Einzelfall sämtliche Interessen der Stadtentwicklung in Balance zu bringen sei das Kunststück, das gelingen müsse.
Fakt ist: Für Flächen in den Grünen Ringen und den Landschaftsachsen sowie den anderen bestehenden Park- und Grünanlagen gilt nun, dass keine Bebauung mehr möglich ist – bestehendes Baurecht ausgenommen! Falls dennoch kleine Grünflächen beansprucht werden sollten, hat sich die Stadt verpflichtet, diese durch die Neuschaffung oder die Aufwertung öffentlicher Grünflächen zu kompensieren.
Laut einer repräsentativen Umfrage im Auftrag der Initiative „Grün in die Stadt“ sind 81 Prozent der Bevölkerung zufrieden mit den Hamburger Grünanlagen. Größter Beliebtheit erfreut sich der Stadtpark, gefolgt von Planten un Blomen, dem Jenisch- und Alsterpark und dem Niendorfer Gehege. Ökologisch Interessierten sei empfohlen, vor allem die mit einem Informationsangebot versehenen Naturschutzgebiete zu erkunden – das Naturschutzgebiet Boberg mit seinem Dünenhaus, der Duvenstedter Brook mit dem Brookhus, die Fischbeker Heide mit dem Schafstall oder auch die Wedeler Vogelstation. Vom Wald über die Kulturlandschaft der Marschgebiete bis hin zu Dünenlandschaften und Mooren hat Hamburg einiges zu bieten. Doch bei jeder Exkursion gelte, mahnt der NABU: Regeln beachten und Respekt vor der Natur wahren, damit ihr Wert auch in Zukunft erhalten bleibt!
Hamburgs Grün per Rad erkunden:
Das sagt der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club
Laut Dr. Dirk Lau, Sprecher des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), bereitet das Radfahren auf den Grünen Ringen und dem Grünen Netz kein großes Vergnügen, weil die Stadt das Konzept bisher nur halbherzig umgesetzt habe: „Grundsätzlich leiden das Grüne Netz und der Grüne Ring unter der Uneindeutigkeit ihrer Schöpfer, ob es nun ein Wander- oder ein Radweg werden sollte. So wird es nun als Radwanderweg vermarktet, obwohl es nicht überall um einen Radweg handelt und es an vielen Stellen auch viel zu eng zum sicheren und komfortablen Radfahren ist. Erschwerend kommt hinzu, dass die Wege nicht überall im Besitz der Stadt sind, was dann zu seltsamen Sachen führt, wenn zum Beispiel Hamburg Wasser einen Erdwall auf die Straße baut, ohne auf Radfahrende zu achten.
Für eine ruhige Fahrt am Sonntag mag das geeignet sein, aber an vielen Stellen gibt es auf den Grünen Ringen Konflikte zwischen Rad- und Fußverkehr an Wanderwegen und auch in Parks. Das ist auch ein Resultat einer Verkehrspolitik, die dem Radverkehr an den Hauptverkehrsstraßen wenig bis keinen Platz einräumen will und als Folge der Radverkehr auf eigentlich nicht wirklich dafür passende Flächen ausweicht oder ausweichen muss. Auch die Ausschilderung lässt sehr zu wünschen übrig. Auffindbar sind die Routen meist nur per Navi und auch nicht 24/7 benutzbar, da die soziale Sicherheit insbesondere im Bereich von Gewässern bei Dunkelheit nicht gegeben ist.
Die Karte auf der offiziellen Webseite der Stadt Hamburg stammt aus dem Jahr 2000! Allein das zeigt schon, wie stiefmütterlich die Stadt diese Routen beziehungsweise Netze behandelt. Teilweise führt der zweite Grüne Ring auch über den Ohlsdorfer Friedhof und ist somit schon von daher nicht 24/7 nutzbar, selbst wenn man die soziale Sicherheit außen vor ließe. Für den Alltagsgebrauch sind diese Routen und Wege also nicht geeignet. Wer zügig und sozial sicher vorankommen will, der muss die Hauptverkehrsstraßen nutzen. Auf diesen muss der Senat endlich seinen Ansprüchen gerecht werden und sichere und attraktive Radverkehrsanlagen bauen.“
Das Grüne Netz erwandern:
Das sagt der Alpenverein, Sektion Hamburg
Die positiven Aspekte der Grünen Ringe und des Grünen Netzes arbeitet hingegen der Alpenverein, Sektion Hamburg, auf seiner Website heraus: „Wer genau hinschaut, sieht, dass Hamburgs gebauter Stadtkern von gleich zwei Grünen Ringen umgeben ist. Was verbirgt sich hinter diesen Grüngürteln? Der erste und der zweite Grüne Ring bilden neben den Landschaftsachsen das Grundgerüst für das sogenannte „Grüne Netz“ Hamburgs: die Verknüpfung von Parkanlagen, Spiel- und Sportflächen, Kleingartenanlagen und Friedhöfen durch breite Grünzüge oder schmalere Grünverbindungen. Der zweite Grüne Ring umrundet in acht bis zehn Kilometern Entfernung vom Rathaus die innere Stadt. Durch seine Lage innerhalb der gewachsenen Stadt stellt er eine Besonderheit dar. In anderen Städten wie Hannover, Leipzig oder London liegen die Grünen Ringe überwiegend in der freien Landschaft um die Stadt herum. Auf 100 Kilometern Länge können Wanderer und Radfahrer die verschiedensten Landschaftstypen erleben – von Parkanlagen über Waldgebiete und Kulturlandschaften bis hin zu Naturschutzgebieten, Flüssen und Seen. Im Norden der Stadt sind es vorwiegend Parks, Kleingartenparks und Wald, im südöstlichen und südwestlichen Teil landwirtschaftlich geprägte Kulturlandschaften der Marsch mit Grünland, Blumen- und Gemüseanbau sowie Obstplantagen.“
Auf der Website des Alpenvereins (www.dav-hamburg.de) geben die „Freizeithelden“ Tipps, was beim Wandern zu beachten ist, und nennen Beispiele für attraktive Streckenabschnitte.
Die Stadt Hamburg bietet kostenlos zwei Wanderkarten zum Grünen Netz und den zweiten Grünen Ring so- wie acht Tourenpläne „Den grünen Ring erleben“ an (Bezug über: publikationen@bukea.hamburg.de). Die Broschüre „Hamburgs Grünes Netz – Parks und Naturschutzgebiete erleben“ steht auf der Hamburg-Website zum Download bereit: hamburg.de/wandern-im-gruenen.
Text: Volker Stahl/Fotos und Repros: stahlpress Medienbüro
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