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Ein kleines Stück große weite Welt

Hamburger Senioren beeindruckt vom Ambiente des Internationalen Seegerichtshofes in Nienstedten!

Höhepunkt der Senioren-Führung waren die
Besichtigung und der Aufenthalt im runden
Saal des Internationalen Seegerichtshofes.

Nein, normal war der Besuch nicht. Wo sonst eigentlich nur Diplomaten, Richter oder ab und zu Studenten aus allen Kontinenten zu Gast sind, dominierte dieses Mal der hanseatische Senior. Gut 40 Best Ager aus dem Großraum Hamburg hatten jetzt die einmalige Chance, den Internationalen Seegerichtshof in Hamburg-Nienstedten zu besichtigen. Keine Frage blieb unbeantwortet, Höhepunkt war allerdings der Aufenthalt im großen, runden Sitzungs-Saal, wo sonst die 21 internationalen Richter des Gremiums ihre anspruchsvolle Arbeit verrichten.

Sie ist gerade einmal halb so groß wie die in einer Reihe stehenden Flaggen im Vorraum des Sitzungssaales. „Darf ich dort wirklich rein?“, fragt die Hamburger Rentnerin – etwa Mitte 70 – mit Neugier sowie Respekt in den aufgeregten Augen. Sie durfte,  und mit ihr die anderen Herrschaften, die sich auf diesen Tag so gefreut hatten. Nicht Chinesen, nicht Akademiker und auch nicht Spezialisten des Seerechts waren diesmal im Saal, sondern interessierte Senioren aus Harburg, Eimsbüttel, Poppenbüttel oder Barmbek. Julia Richter, Pressesprecherin und sonst nah dran an den 21 rechtsprechenden Juristen aus aller Welt, wurde nicht müde über Aufbau, Aufgaben, Entwicklungen und auch Randbereiche der Arbeit am Internationalen Seegerichtshof zu referieren, beziehungsweise alle Fragen zu beantworten. Und das waren viele.

Internationales "Tribunal for the Law of the Sea" Zeichen

„Das hätte ich so nicht gedacht“, sagte zum Beispiel Monika Hartwig (77 Jahre/Hamburg-Lokstedt) nachdem Expertin Julia Ritter die genauen Aufgaben der internationalen Richter umrissen hatte. Nicht nur gesunkene Schiffe, nicht Verhandlungen zum traurigen Thema Flüchtlinge oder gesunkene Schiffebeschäftigen die Juristen aus aller Welt. Anno 2024 gehen die Themen wesentlich weiter, sind globaler und auf eine gesunde Existenz der Menschheit gerichtet (siehe auch nebenstehenden Text). So gibt es zum Beispiel spezielle Kammern für die Bereiche Tiefseebergbau, Fischerei, Marine-Umweltstreitigkeiten sowie für die Festlegung von Meeresgrenzen. In einer Spezialkammer sind Richter vertreten, die über besondere Kenntnisse in dem jeweiligen juristischen Feld verfügen.

Es sind aber nicht nur die Themen, die das weltweit tätige Gremium in Hamburg so interessant macht: Das moderne Gebäude (siehe auch im nebenstehenden Text), die großen Räumlichkeiten sowie zum Beispiel die Vorrichtung für die vielen Dolmetscher – kombiniert  mit technischen Möglichkeiten für die Darstellungen im Saal selbst – sind es, die die Hamburger Seniorengruppe staunend in den Stühlen des Verhandlungssaales zurücklässt. Noch beim Ausgang durch die Sicherungsschleuse ist die Faszination in den Gesichtern zu sehen. So ein bisschen große weite Welt im Rentnerleben – direkt an der Hamburger Elbe.

Julia Ritter, zuständig für Pressearbeit und
Betreuung der Richter, beantwortete geduldig
alle Fragen der Hamburger Senioren.

Bau der Superlative im Namen des Rechts

Das Team um den Münchner Architekten Alexander von Branca entwarf in den 80er Jahren rund um die klassizistische „Villa Schröder“ an der Elbchaussee ein imposantes Gebäude. Der rund 5300 Quadratmeter große Neubau in Nienstedten wurde innerhalb von vier Jahren für 123 Millionen Euro fertiggestellt.

1994 dauerte es noch zwei Jahre, bis der Internationale Seegerichtshof am 1. Oktober 1996 seine Tätigkeit in der Hansestadt aufnahm. Vor dem Umzug an die Elbe im Jahr 2000 wurde zunächst in einem Bürogebäude in der Innenstadt gearbeitet, es war aber nur ein Provisorium. Seit Herbst 2000 steht den Richtern und ihrer „Mannschaft“ das Gericht im geräumigen und mit modernster Technologie ausgestatteten Neubau an der Elbe zur Verfügung. Diesen haben zu 80 Prozent der Bund und zu 20 Prozent die Stadt finanziert.

Eine Besonderheit: Wer das Gericht betritt, befindet sich rechtlich gesehen nicht mehr in Hamburg, sondern auf internationalem Gebiet.

Vor dem Betreten des Gebäudes müssen alle Besucher durch eine Sicherheitsschleuse. Rechtlich befindet man sich
auf dem Grundstück im Ausland und nicht mehr in Hamburg.

UN-Generalsekretär Kofi Annan bei der Einweihung

• Bereits auf der UN-Seerechtskonferenz am 21. August 1981 in Genf wird sich auf Hamburg als Standort eines Seegerichts geeinigt.

• Am 18. Oktober 1996 werden die 21 Richter des Seegerichts im Hamburger Rathaus vereidigt. Mit dabei: der damalige Außenminister Klaus Kinkel, UN-Generalsekretär Butros Butros-Ghali, ISGH-Präsident Thomas A. Mensah und Hamburgs Erster Bürgermeister Henning Vorscherau. Ab sofort urteilt das Seegericht in Hamburg über Streitigkeiten im Seevölkerrecht. Zunächst in einem provisorischen Büro in der Wexstraße, ab 2000 im Neubau an der Elbe in Nienstedten.

• Zur feierlichen Einweihung des neuen Gerichtssitzes am 3. Juli 2000 reist UN-Generalsekretär Kofi Annan an, der den Schlüssel symbolisch an den damaligen Seegerichts-Präsidenten Chandrasekhara Rao übergibt.

• Der Internationale Seegerichtshof ist eines von drei Gerichten, die von den Vereinten Nationen geschaffen wurden. Neben dem ISGH sind das der Internationale Gerichtshof und der Internationale Strafgerichtshof, beide in Den Haag beheimatet.

• Infos zum Internationalen Seegerichtshof im Internet  unter www.kulturkarte.de/hamburg/30011seegericht

Die internationale Flaggenparade vor dem Eingang zum Sitzungssaal
ist imposant.

Aus aller Welt und doch gemeinsam

Wenn viele Menschen aus der ganzen Welt und ein Betreuungsteam vor Ort gemeinsam arbeiten, ist das bestimmt kein Betrieb im herkömmlichen Sinne.  Durch diese Besonderheit ist die Tätigkeit im Internationalen Seegerichtshof in Nienstedten gekennzeichnet.

Die 21 Richter des Tribunals werden von den insgesamt 169 Vertragsstaaten  des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen für eine Amtszeit von neun Jahren gewählt. In der Regel sind es erfahrene Juristen, die auch vorher schon in Führungspositionen waren und die die internationale Tätigkeit am Seegerichtshof oft als Höhepunkt ihres Berufslebens sehen. Sie seien  in der Regel in Blöcken von zwei bis drei Monaten an der Elbe, wohnen  dann meist in Hotels oder Pensionen, einige hätten aber auch Wohnungen gemietet, schildert Julia Ritter deren Teilzeit-Leben an Elbe und Alster. Sie alle hätten einen  Bezug zum Meer, schätzen daher das maritime Flair in Hamburg sehr. Lediglich Rüdiger Wolfrum habe während seiner dreijähringen Präsidentschaft (2005 bis 2008) gänzlich in Hamburg gelebt.

Das Richter-Team am Seegerichtshof wird von einem internationalen Stab von 38 Beamten unterstützt. Das sind zum Beispiel Rechtsreferenten, Übersetzer und Dolmetscher. Sie sind wie Julia Ritters Kollegen in den Abteilungen Personal, Finanzen und Bibliothek in der Regel in Hamburg selbst beheimatet.

Das Richter-Team am Seegerichtshof

In der Freizeit sind es genau die Orte, an denen sich die Herren und Damen aus aller Welt wohlfühlen, die Hamburg auch touristisch bekannt machen. So seien die Elbphilharmonie oder auch die Hamburger Oper die Plätze, an denen sie anzutreffen seien. Überhaupt habe die Hansestadt im Hinblick auf das  kulturelle und internationale Flair einen äußerst guten Ruf, urteilt Julia Ritter.

Es stimme also ziemlich viel für die Akademiker aus der Ferne. Nur, da sind die Juristen beileibe nicht allein, sei es ihnen in Hamburg oftmals zu kalt. Kein Wunder, wenn man bedenkt, aus welchen Ländern sie stammen.

Beispiele von Ländern, aus denen Richter am Internationalen Seegerichtshof in den vergangenen Jahren kamen (nicht abschließend): Tansania, China, Belize, Tunesien, Ghana, Japan, Kamerun, Russland, Argentinien, Brasilien, Grenada, Libanon, Trinidad, Indien, Trinidad und Tobago, Kap Verde, Island, Ukraine, Thailand, Paraguay, Jamaika.            

 

Text: Klaus Karkmann
Text + Fotos: Klaus Karkmann

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