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Wasser für Hamburg

Geschöpft aus 470 Brunnen! Wenn man es recht bedenkt, dann ist Wasser das einzige Lebensmittel, das fast jeder Deutsche seit gut einem Jahrhundert kostengünstig und in hoher Reinheit frei Haus geliefert bekommt. Dass dieser Luxus nicht selbstverständlich ist, zeigt ein Blick nach Indien, dem bald bevölkerungsreichsten Land der Erde. Zwar ist man dort in der Lage, Atombomben zu bauen, doch sauberes Trinkwasser und das noch frei Haus ist vielen Indern unbekannt. Europäischer Hochmut aufgrund dieser Situation ist aber nicht angebracht. Denn es ist erst rund 130 Jahre her, dass Tausende Bewohner Hamburgs an der Cholera starben. Der Tod lauerte im Trinkwasser – verunreinigt durch Fäkalien sowie Industrie und Gewerbeabfälle. Von den vier Elementen – Wasser, Erde, Feuer, Luft – war in den urbanen Zentren vom Mittelalter bis zur Neuzeit kein Element so durch menschliches Tun belastet wie das Wasser. Da machte die stolze Hansestadt an der Elbe keine Ausnahme.

Der Pont du Gard – Teil einer römischen Wasserleitung in der Provence. Foto: Krause

Von den Römern nichts gelernt

Als die Germanen in Zuge der Völkerwanderung das große Römische Reich überrannten und vernichteten, haben sie einiges von den Besiegten übernommen. Leider zählten Hygiene und Wasserkunst nicht dazu. Geradezu andächtig stehen heute die Besucher vor dem „Pont du Gard“ in der Provence, der ein Teil einer etwa 50 Kilometer langen Wasserleitung war. Er versorgte aus den Quellen nahe Uzès das heutige Nîmes mit Frischwasser. Die Stadt hatte zur Bauzeit im ersten Jahrhundert n. Chr. rund 20 000 Einwohner. Rein rechnerisch konnte sich jeder Bewohner damals täglich über 1 000 Liter Quellwasser freuen. Die Freude währte mehrere Jahrhunderte, bis das technische Wunderwerk mangels Pflege an Bedeutung verlor und letztlich versiegte. Fast zeitgleich mit dem Versiegen des Wassers begann der Siegeszug des Christentums in Europa. Einer seiner wichtigsten Kirchenlehrer war damals Augustinus von Hippo, zu dessen Theologie eine gewisse Leibfeindlichkeit zählt. Hygiene, also Reinlichkeit und Beschäftigung mit dem eigenen Körper, war den Christen suspekt und galt als Teil einer überwundenen heidnischen Vergangenheit. Mit anderen Worten – großer Aufwand für sauberes Wasser wurde im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nationen nicht getrieben. Schon gar nicht für die arbeitende Bevölkerung. Das galt in Hamburg und anderswo bis weit in das 19. Jahrhundert.

Wasserkunst auf der Elbinsel Kaltehofe. Dem „historischen“ Wasser in Hamburg ist man auf der Elbinsel Kaltehofe ganz nahe. Foto: Krause

Kurzer Wasserkreislauf

Es ist schon ein schauriger Gedanke, sich vorzustellen, nach der Verrichtung des kleinen oder großen „Geschäftes“ nach dem Spülen aus dem weißen Porzellan das Trinkwasser für die Familie zu schöpfen, ohne es irgendwie zu reinigen. Das war aber über viele Jahrhunderte Realität in Europa. Schlimmer noch – eigentlich wurde nicht weggespült, sondern lediglich verdünnt. Und wenn die Flüsse, die auch schon damals im Sommer nicht selten wenig Wasser führten, stank das regelrecht zum Himmel. Die Situation war nüchtern kaum zu ertragen. Bier, das durchs Erhitzen während des Brauprozesses weitgehend keimfrei war, schützte jene, die sich das leisten konnten, vor den Gefahren des verseuchten Wassers. Damit es außerdem noch schmeckte, kümmerte sich die Obrigkeit an festgelegten Brautagen um die Wasserqualität. In Bremen ist in der Nähe des Rasthausmarktes dieser deutliche Hinweis zu lesen: „Heute wird bekannt gemaket, daß keiner in die Weser kacket. Morgen wird gebraut!“ Für den Transport der anrüchigen Verrichtung vom Ort des Geschehens zur Weser gab es extra den hölzernen „Bremer Eimer“. Auch in Hamburg sorgte der Senat mit entsprechenden Vorgaben dafür, dass Hamburger Bier dem heute noch gerühmten „Reinheitsgebot“ entsprach. In Rom gab es schon vor 2 000 Jahren öffentliche Toiletten mit Wasserspülung und Schwemmkanalisation. Als dekadent verworfen, gab es sie später nicht mehr. Die Dixi-Klos des Mittelalters waren die Abtrittanbieter. Sie gingen, oft maskiert, mit großen Holzeimern durch die Straßen. Die mit Deckeln versehenen Eimer hingen an Ketten, die über ein Joch verbunden waren. Zur Ausrüstung des „Anbieters“ gehörte außerdem ein weiter Umhang. Er schütze den Bürger bei der Verrichtung der Notdurft vor neugierigen Blicken. Geld wert war der Urin. Ehe er in der Elbe landete, wurde er an Gerbereien verkauft oder zur Salpetergewinnung genutzt. Erst danach traf er wieder auf den festeren Teil des „Geschäftes“ im Flusswasser, das dann wieder als Trinkwasser diente.

Heute Planetarium – frü-
her ein wichtiger Teil der
Was-serversorgung in
Hamburg. Foto: Krause

Reinlichkeit zum Wohle des Staates 

Während sich 17 Jahrhunderte zuvor alle Bewohner des heutigen Nîmes über Mangel an frischem Quellwasser nicht beklagen konnten, war sauberes Wasser in Hamburg ein Privileg der vermögenden Schichten. Mit mehreren „Wasserkünsten“ an der Alster wurde Wasser gestaut, entnommen und in zahlungskräftige Haushalte geleitet. Wer nicht angeschlossen war, konnte das kostbare Nass bei Wasserwagen und Wasserträgerinnen – denn auch hier war das klassische Frauenarbeit – erwerben. Der heute berühmte Wasserträger Johann Wilhelm Bentz, „Hans Hummel“, war in dieser „Branche“ eher eine Ausnahme. Ansonsten galt es, das Wasser selbst aus dem Fluss oder Fleeten zu entnehmen. Ungefiltert – oder wie es bei Apfelsaft oder Bier heißt – naturtrüb. Auch als der Engländer William Lindley im Auftrag des Senats 1845 begann, für eine zentrale Wasserversorgung das Wasserwerk Rothenburgsort zu bauen, änderte das die Situation nicht gänzlich. Lindley hatte eine Kiesfiltration geplant. Die war dem Senat aber zu teuer. So wurde das mittels Pumpen entnommene Elbwasser lediglich in Ablagerungsbecken befördert. Dort sanken die Schwebeteilchen auf den Boden. Über ein Druckrohr gelangte das Wasser dann in den heute noch als Baudenkmal existierenden 65 Meter hohen Wasserturm. Der wiederum speiste das neue Trinkwassernetz, das aus Zubringer-, Haupt- und Versorgungsleitungen sowie Hochbehältern bestand. Eine weitere Funktion des Wasserturms war die eines Schornsteins. Die erhöhte Lage des Turms, der Speicherbecken und der Druckleitungen sorgte für einen konstanten Druck im Wassernetz. Lindleys Ziel war „mit Rücksicht auf die unvermögenden Classen der Bevölkerung, jedem Hamburger dieses unentbehrliche Nahrungs- und Reinlichkeitsmittel unentgeltlich ins Haus zu liefern. Niemand sollte an den „Folgen der Unreinlichkeit erkranken und dem Staate zur Last fallen.“ 1850 hatten gut ein Drittel der Haushalte einen eigenen Wasseranschluss.

Wasser ist Lebensmittel, Bedrohung, wie im Ahrtal, oder einfach pure Lebensfreude für Mensch und Tier. Foto: Cummings

Aale im Nothpfosten

Diejenigen, die Schillers „Glocke“ noch in der Schule gelesen haben, werden sich an diese Verse erinnern: „... Durch der Hände lange Kette Um die Wette Fliegt der Eimer, hoch im Bogen Spritzen Quellen, Wasserwogen ...“ So sah die Brandbekämpfung auch in Hamburg aus – nicht wirklich sehr effizient. Deshalb entstand mit dem Trinkwasserversorgungsnetz ein Löschwassernetz mit im Stadtgebiet verteilten Hydranten. Diese „Nothpfosten“ sollten im Brandfall großflächig und dauerhaft Löschwasser liefern. Allerdings hatte die fehlende Filtrierung des Wassers für die Brandbekämpfung ihre Tücken. 1876 waren 18 Tierarten im Hamburger Trinkwasser zu finden und 1888 waren es bereits über 40. Die Feuerwehr musste Siebe an den „Nothpfosten“ anbringen, damit nicht Aale, die zuvor mit dem Elbwasser ins Netz gesaugt worden waren, in ihre Dampfspritzen gelangten und deren Funktion störten.

Vom Rohwasser zum Trinkwasser – hier ein Bild aus dem Wasserwerk Walddörfer. Foto: Hamburg Wasser

Wasserversorgung heute

Obwohl sich inzwischen viele Menschen über die Rückkehr der Wölfe freuen – so viel zurück zur Natur wie 40 Tierarten im Trinkwasser wünschen sich vermutlich selbst diese Tierschutz-Nostalgiker nicht. „Nahezu vollständig hat sich Hamburg ab 1964 aus Grundwasser versorgt“, so Ole Braukmann von Hamburg Wasser im Gespräch mit dem SeMa: „Ein ganz geringer Teil Seewasser aus dem Großensee wurde noch bis 1989 in die Förderung einbezogen. Seitdem wird Hamburg zu 100 Prozent mit Grundwasser versorgt. 17 Wasserwerke mit rund 470 Brunnen – der tiefste davon reicht 429 Meter in die Erde – versorgen heute die Hansestadt mit durchschnittlich 300 000 – in Spitzentagen mehr als 400 000 Kubikmeter Trinkwasser am Tag. Abhängig von der Bodenbeschaffenheit, enthält das Grundwasser verschiedene Mineralien wie Kalzium oder Natrium. Ebenso sind Stoffe wie Eisen, Mangan, Kohlensäure und Schwefelwasserstoff zu finden, die entfernt werden müssen. Eisen und Mangan können sich im Rohrnetz festsetzen und es langfristig verstopfen, Kohlensäure wirkt aggressiv und führt zu Korrosion. Das „Rohwasser“ wird mit natürlichen Prozessen gereinigt: Zunächst wird es mit Sauerstoff belüftet. Dabei entweichen Kohlensäure und Schwefelwasserstoff, Eisen- und Manganverbindungen reagieren und flocken aus. Die Flocken bleiben im Sandfilter hängen, der regelmäßig gespült wird. Ein geringer Zusatz von Chlor oder Chlordioxid im Trinkwasser der Werke Curslack und Haseldorfer Masch dient der Sicherheit gegen mikrobielle Verunreinigungen. Ständig bewegt wird es in riesigen „Reinwasserbecken“ zwischengelagert, bevor Leitungen mit einer Länge von mehr als 5500 Kilometern hochwertiges Trinkwasser liefern.

Dosierungsempfehlung. Foto: Krause

Wasserfrauen, Wassermänner

Am 1. Januar 2006 entstand der Gleichordnungskonzern „Hamburg Wasser“, der die beiden Unternehmen Hamburger Wasserwerke und Hamburger Stadtentwässerung umfasst. Heute hat Hamburg Wasser rund 2200 Beschäftigte, die vom Kunden weitgehend unbemerkt Hamburg „bewässern“ und „entwässern“. Obwohl auf dem aktuellen Stand der Technik, sind auch bei der Wasserversorgung Menschen notwendig, um die Qualität und Liefersicherheit zu gewährleisten. So können Systeme zwar Druckabfälle im Netz sofort registrieren und damit auf einen möglichen Wasserrohrbruch hinweisen. Systeme können aber – noch – nicht wissen, dass vor dem Elfmeterschießen bei einem wichtigen Fußballspiel 100 000 Fußballfands gleichzeitig in den Porzellanabteilungen ihrer Wohnungen Erleichterung suchen.
Wasserhärten

Ganz hart ist Wasser, wenn es zu Eis gefroren ist – ganz weich, wenn es im Pulverschnee vom Himmel fällt oder in feinste Nebeltröpfchen verteilt ist. Aber selbst beim Trinkwasser unter scheidet man Wässerhärten ...

Härtebereich: weich – Millimol: weniger als 1,5 – Calciumcarbonat je Liter °dH: weniger als 8,4 °dH

Härtebereich: mittel – Millimol: 1,5 bis 2,5 – Calciumcarbonat je Liter °dH: 8,4 bis 14 °dH

Härtebereich: hart – Millimol: mehr als 2,5 – Calciumcarbonat je Liter °dH: mehr als 14 °dH

Jedes Jahr setzen sich einige der 470 Brunnen zu und müssen ersetzt werden. Im eiszeitlichen Geschiebemergel – auch Till genannt – sind auch größere Steine enthalten. Die müssen zuvor mit einem ‚Hammer‘ im Untergrund zertrümmert werden. Das dauert
und verzögert so die Arbeiten. Michael Hug von Hamburg Wasser sieht daher die Brocken nicht gern. Foto: Krause

Hamburg als Weltstadt hat alles zu bieten – denn es kommt darauf an, aus welchem Wasserwerk das kühle Nass kommt. Das zu wissen ist nicht einerlei, denn auf den Härtebereich kommt es an, ob mit dem Wasser kalkempfindliche Pflanzen gegossen werden dürfen. Hartes Wasser ist geschmacklich besonders gehaltvoll und mit seinen Mineralien und Spurenelementen lebensnotwendig für den menschlichen Körper. So ist beispielsweise Kalzium wichtig für Knochen und Zähne, während Eisen die Blutbildung und den Energiestoffwechsel fördert. Und auch Kalium, Chlorid, Magnesium und Natrium leisten ihren Beitrag zu unserer Gesundheit. Weiches Wasser spart Waschmittel. Die Waschmittelhersteller sind verpflichtet, entsprechende Dosiervorgaben für die Härtebereiche zu machen. Sich daran zu halten schont die Umwelt und spart Geld. Und da wir spätestens seit Loriot wissen, dass es mit dem Gefühl so eine Sache ist, sollte jede Frau und natürlich auch jeder Mann wissen, welche Härte das Wasser hat. Die Internetseite von Hamburg Wasser – https://www.hamburgwasser.de/wasser/mein-trinkwasser – gibt über Postleitzahl und gegebenenfalls Straße genaue Auskunft und lässt den Ge-fühlen Raum, sich anderweitig zu entfalten.

Lebensmittel für alle

Rund zwei Milliarden Menschen haben keinen ausreichenden Zugang zu Wasser – bereits 1977 hat sich eine UN-Konferenz mit langfristigen Wasser-Strategien beschäftigt. In diesem Jahr war man erneut in New York zusammen. In Deutschland passierte 2023 eine „Nationale Wasserstrategie“ das Kabinett. Da sich Wasser nicht beliebig vermehren lässt und der Klimawandel zunehmend auch auf die Wasserwirtschaft Einfluss hat, sind Verteilungskämpfe besonders in wasserarmen Regionen nicht mehr ungewöhnlich. Wenn Obst und Gemüse wie zum Beispiel in Spanien in Monokulturen Unmengen von Wasser verbrauchen, wenn ein neu angesiedelter Industriebetrieb wie etwa Tesla in der ohnehin trockenen Region Ostbrandenburg zusätzlich gigantische Mengen Wasser verbraucht, dann greift das direkt in den Wasserhaushalt ein. Und das hat Folgen, an denen nicht vorbeigesehen werden darf. Wasser ist nicht eine Ressource, die beliebig eingesetzt und verbraucht werden darf. Wasser ist das wichtigste Lebensmittel, auf das jeder Anspruch hat. Heute und auch morgen. Deshalb gilt es, sparsam mit Wasser umzugehen. Denn Wasser ist nicht nur selbst Lebensmittel – es ist auch für alle anderen Lebensmittel unverzichtbar. Feuer verzehrt, Wasser ernährt.

Weitere Informationen sowie Führungen zum Thema Wasser in Hamburg ONLINE

 

F. J. Krause

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