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Vom Rentnerspaß zum Volksvergnügen

E-Bike-Serie Teil 1: Rückenwind aus der Steckdose.

Massen von Fahrrädern bevölkern auch unsere Straßen und Parkplätze. Es werden in Zukunft immer mehr E-Bikes dabei sein.

Viele Gewinner gab es in den vergangenen Krisen-Monaten nicht, aber die Fahrradindustrie gehörte mit Sicherheit dazu. Vor allen Dingen der E-Bike-Boom sorgte für volle Auftragsbücher, leer geräumte Lager und Ersatzteilknappheit. In einer Serie beleuchtet das SeMa diesen Trend, gibt dazu jede Menge Tipps für diejenigen Senioren, die auch mit einem Radkauf oder  einer Tour  liebäugeln. Im ersten Teil geht es um die Wandlung des E-Bikes vom bequemen Rad für Rentner zum Trend-Fortbewegungsmittel für alle diejenigen, die den Rückenwind aus der Steckdose nutzen wollen.

Es muss nicht immer Klimaschutz sein. Ohne Frage tauchen elektronisch betriebene bzw. unterstützte Fahrräder (E-Bikes) dazu, die Anzahl der Pkws gerade in den Städten und damit auch die Luftverschmutzung zu verringern. Doch es sind nicht nur die jungen Kämpfer von „Fridays for Future“, Fahrradverbände oder Klimaaktivisten, die diesen Trend vorantreiben. Manchmal genügt auch etwas Furchtbares, nennen wir es Pandemie oder – man mag es kaum noch schreiben – Coronakrise.

Natürlich ist es nicht das Virus als solches, das das Volk auf die Sättel setzt. Letztlich aber sind es Umstände dieser Pandemie, die die Entwicklung pro E-Bike förderten. „Die Räder sind für viele Menschen zur Alternative zu Auto und öffentlichem Nahverkehr geworden“, sagt Claus Fleischer, Chef der E-Bike-Division von Bosch. Coronalockdown, abgesagte Urlaube und dadurch mehr Geld für alternative Anschaffungen bei den Kunden haben die Nachfrage zusätzlich angefacht. Das Geld sei einfach da, die Nachfrage ohnehin.

Die Mischung stimmt. Laut einer aktuellen repräsentativen Studie sind im Jahr 2020 in Deutschland 1,95 Millionen E-Bikes verkauft worden. Damit lagen die Verkaufszahlen um rund 43 Prozent über dem Vorjahr. Das liege vor allen  daran, dass es nicht nur das klassische E-City-Rad gibt, sondern dass der Kunde eine Vielfalt unterschiedlicher E-Bike-Modelle angeboten bekommt, meint ein Sprecher aus dem Hause B.O.C. gegenüber dem SeMa. So könnte  zum Beispiel die Mutter eines kleinen Kindes mit einem E-Lastenrad fahren, während sportliche Fahrer mit E-MTBs in den Bergen unterwegs seien, begründet der Spezialist aus dem großen Fahrrad-Haus die Entwicklung weiter.

Was so abstrakt klingt, bringt konkret bei Radtouren im Freundeskreis richtig Freude. Konditionsmäßige Unterschiede werden überbrückt, Touren können anders geplant werden. Kurz: Während Oma sich von der gemütlichen E-Stufe „ECO“ treiben lässt, fordert sich Opa, der es  pur ohne Unterstützung aus dem Akku versucht, noch einmal so richtig – immer in der Gewissheit „er könnte ja anschalten“. Harmonie und gemeinsame Freude sind die Folge. Auch Sylvia Lenz, seit Kurzem Besitzeren eines E-Bikes, hat die Erfahrung gemacht. „Es ist wunderschön im Alter so durch die Gegend zu cruisen, ohne sich zu überanstrengen. Ich liebe es und bin dabei es meinem Mann zu verdeutlichen und schmackhaft zu machen“, hofft die 70-jährige Hamburgerin auf ein sportliches Comeback ihres Partners. Es geht eben viel, was man gar nicht mehr dachte.

Dazu kommt dann die gesteigerte Mobilität, gerade in der Großstadt. Ein E-Bike sei komfortabel, zudem exestiere das Problem, einen Parkplatz zu finden oder in Staus zu geraten, beim Fahrradfahren nicht, heißt es in der Analyse aus dem Haus B.O.C. Alle Experten sind sich daher auch einig: Der E-Bike-Boom hat noch gar nicht richtig angefangen, es wird weitergehen. Wer das nicht glaubt, sollte auf die Fahrradstädte schlechthin, Amsterdam und Kopenhagen, schauen. Dort haben die Biker die Autofahrer locker im Griff, der Trend ist nicht mehr aufzuhalten.

Nichts ist es also mehr mit dem Rad nur für Rentner. Der Spaß, der Sinn, die Zweckmäßigkeit und das Umweltbewusstsein führen am E-Bike und seinen Nachfolgern für alle Schichten nicht vorbei. Und irgenwie – so schwer es auch fällt – kann man sich dann an Corona vielleicht auch positiv erinnern. Zumindest das Klima wird es uns danken.     

Der Boom begann im Jahr 2015

Zum Jahresanfang 2020 besaßen 4,3 Millionen Haushalte in Deutschland mindestens ein Elektrofahrrad, heute sind es noch wesentlich mehr (siehe nebenstehender Text). Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, hatte damit schon Anfang 2020 etwa jeder neunte Haushalt (11,4 Prozent) mindestens ein E-Bike. Anfang 2015 standen noch in 1,5 Millionen Haushalten Elektrofahrräder. Damit hat sich die Zahl der Privathaushalte mit E-Bikes allein in den Jahren 2015 bis 2020 nahezu verdreifacht.

Langsam das Mofa besiegt

Die ersten Fahrräder, die als E-Bikes bezeichnet werden können, gab es bereits vor 1900. Ein Patent für ein Elektrofahrrad wurde im Jahr 1817 angemeldet. Das Philipps-Elektrorad aus den 1930er Jahren war eines der frühesten, funktionsfähigen Elektrofahrräder, welches in Serie produziert wurde. Die Beliebtheit des Autos und die Konkurrenz durch Benzin-Mopeds sorgte jedoch für eine lange Stagnation bei Elektro-Antriebsmodellen.

Erst in den 1980er Jahren gab es wieder erste Tendenzen, das E-Bike erneut auf den Markt zu bringen. Die ersten Elektrofahrräder standen jedoch eher weiter in Konkurrenz zu (Benzin-) Mofas statt zu Fahrrädern. Durch die wenig ausgefeilte Technik war die Unterstützung eher ruckartig, die Fahrräder waren sehr schwer, und mit den damaligen Akkus konnten nur wenige Kilometer gefahren werden. Erst mit Entwicklung moderner Zusatzelemente, wie einem kleinen Bildschirm und leistungsfähigen Akkus ist das Elektrofahrrad zu dem geworden, was es heute ist: ein Fahrrad mit sensibel gesteuerter elektronischen Unterstützung – je nach Bedarf.

Klaus Karkmann © SeMa

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