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SYSTEMRELEVANT

Maximiliane Schaffrath nimmt uns mit hinter die Kulissen der Pflege

Maximiliane Schaffrath.
„Systemrelevant.
Hinter den Kulissen
der Pflege“,
Hirzel Verlag,
18 Euro, ISBN 978-3-7776-2942-1

Die Politik hat die Pflegenden gelobt, die Menschen haben sie beklatscht, und die Gesellschaft nennt sie nun systemrelevant. Eine von ihnen hatte schon vor Corona genug von warmen Worten und schreibt in ihrem Buch „Systemrelevant“ über den harten Weg ihrer Ausbildung.

Sehr persönlich und zum Teil schockierend berichtet Maximiliane Schaffrath aus dem Klinikalltag. Dass die meisten Menschen gesund das Krankenhaus verlassen, ist u. a. dem großen Engagement der Pflegekräfte zu verdanken, die oft über ihre Grenzen gehen und aufgerieben werden zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Und trotz all der Schwierigkeiten lernen wir in dem Buch Menschen kennen, die in den Pflegeberufen aufgehen, die ihre Arbeit jeden Tag aufs Neue gern verrichten und trotz aller Widrigkeiten Sinn in ihrem Tun erleben. Das Nachwort in Form eines Interviews von Professor Thomas Klie, Sozialexperte und Pflegerechtler, mit Andreas Krahl, pflege- und seniorenpolitischer Sprecher der Grünen im Bayerischen Landtag, sorgt noch einmal für einen übergeordneten Blick auf die Situation in der Pflege und formuliert politische Veränderungswünsche für die Pflegeberufe.

Maximiliane Schaffrath absolvierte eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin in Baden-Württemberg. Daran schlossen sich einige Semester Psychologie an. Während ihres Studiums übernahm sie Schichten als Sitzwache. Als Pflegekraft betreute sie vor allem erkrankte Kinder und Jugendliche. Darüber hinaus war sie ehrenamtlich in einem Seniorenzentrum sowie in einem Mehrgenerationenhaus tätig. Seit 2018 arbeitet sie im Gesundheitswesen in der Nähe von Garmisch-Partenkirchen. Ab April wird sie sich beruflich neu orientieren, da die Rahmenbedingungen im Pflegeberuf perspektivisch zu belastend sind.

Maximiliane Schaffrath.
Foto © Akinci

SeMa: Sie beschreiben in Ihrem Buch Ihre Erlebnisse während der Ausbildung, die schon einige Jahre zurückliegt. Haben Sie ein so gutes Gedächtnis, haben Sie Tagebuch geführt oder lag das Manuskript so lange in der Schublade, um nun während der Pandemie veröffentlicht zu werden?

Schaffrath: Die Ausbildung war von 2014–2017. Etwa ein halbes Jahr später habe ich mit dem Schreiben begonnen. Die Erinnerungen waren noch sehr präsent, da es größtenteils Erlebnisse waren, die man so schnell nicht vergisst, und da ich mir währenddessen immer sehr viele Gedanken um alles gemacht habe. Während der Ausbildung selbst habe ich kein Tagebuch geführt, das hätte ich zwar gerne, aber dafür blieb mir weder die Zeit noch die Energie. Meine Motivation, das Buch zu veröffentlichen, hat erst mal nichts mit der Pandemie zu tun, denn die Probleme gibt es schon seit Jahren. Die Pandemie trägt aber natürlich ihren Teil dazu bei, dass das Thema Pflege nun mehr denn je in den Vordergrund gerückt ist.

SeMa: Was war Ihre Motivation, in die Pflege zu gehen, und was ist der Grund, nun in einem anderen Bereich des Gesundheitswesens tätig zu sein?

Schaffrath: Meine Motivation, diesen Beruf zu ergreifen, bestand aus mehreren Aspekten: Zum einen wollte ich eine Arbeit ausüben, die mich mit Sinn erfüllt, wo ich nicht nur das Gefühl habe, irgendwelchen Profitstrukturen zu dienen, und das ist bis heute so geblieben. Zum anderen war und bin ich sehr interessiert an medizinischen Inhalten, und ich wollte eben nach der Schule direkt „an den Menschen“ und nicht wieder jahrelang fern von den Menschen lernen.

Der Grund, weshalb ich nun nach langem Überlegen die Entscheidung getroffen habe, mich beruflich neu zu orientieren, ist, dass diese Arbeit einfach körperlich und emotional belastet und dass ich mich mit dem ständigen Dauerstress und der fehlenden Aussicht auf einen politischen Willen zur Änderung nicht mehr gut fühle.

SeMa: Was müsste Ihrer Meinung nach am dringendsten im Ausbildungssystem geändert werden, damit junge Menschen gut in den Pflegeberuf begleitet werden?

Schaffrath: Wir haben ja seit 2020 eine reformierte Pflegeausbildung, aber meiner Meinung nach sind wir damit nur bedingt auf dem richtigen Weg, denn eine Generalistik löst nicht die Grundprobleme.

Am dringendsten, finde ich, muss sich ändern, dass Auszubildende wirklich als das behandelt werden, was sie sind, nämlich als LERNENDE, und nicht, wie leider meistens üblich, als Ausgleich für Personalengpässe und volle Arbeitskräfte, was ich mit etlichen Beispielen in meinem Buch belegen kann. Dabei bleibt keine Zeit zum Lernen, und die Motivation schwindet, weil man sich überfordert fühlt.

Dann muss gesetzlich geregelt werden, dass die Praxisanleiter, also diejenigen, die auf den Stationen für die praktische Ausbildung zuständig sind, für ihre Arbeit freigestellt werden – bisher eine Utopie, denn sie bekommen im Gegenteil mehr Patienten, wenn sie eine/n Auszubildende/n an der Seite haben. Dann müssen mehr Praxisanleiter ausgebildet werden, da ist bisher das Problem, dass das zu unattraktiv ist, denn man bekommt nicht spürbar mehr Geld, man hat nur mehr Arbeit. Ich kenne viele Praxisanleiter, die ihre Zusatzqualifikation nicht mehr ausüben.

SeMa: Danke für das Gespräch.    

 

Stephanie Rosbiegal © SeMa

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