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Spicy’s Gewürzmuseum

Seit 30 Jahren in der Speicherstadt – die Schätze des Orients im Spicy’s Gewürzmuseum

Grundausbildung 1965 in Stade.

Wer um das Jahr 1965 herum als Wehrpflichtiger zum Beispiel im Fliegerhorst Stade seinen Grundwehrdienst ableistete, der wurde sehr schnell mit mehreren Wahrheiten konfrontiert: Die Bezeichnung „Fliegerhorst“ kann täuschen. Flieger gab es dort nicht – in Stade sollten neben Sanitätern auch Pioniere verteidigungsfähig gemacht werden. Unverzichtbar dafür waren damals Putzkompetenz, ordentlich grüßen können, der Umgang mit dem Gewehr sowie im Gleichschritt zu marschieren und dabei zu singen. Denn gemeinsamer Gesang erleichtert nicht nur ungemein im Gleichschritt zu bleiben, sondern deutsches Soldatenliedgut schreckt auch die Feinde ab. Zum Beispiel das Lied mit den Schätzen des Orients.

Schwer mit den Schätzen des Orients beladen
Ziehet ein Schifflein am Horizont dahin.
Sitzen zwei Mädel am Ufer des Meeres,
Flüstert die eine der andern leis ins Ohr:
„Frag doch das Meer,
Ob es Liebe kann scheiden,
Frag doch das Meer,
Ob es Treue brechen kann.“

Die Antwort des Meeres ...

Auf die Frage des Mädchens konnten viele der jungen Soldaten bald erfahren. Ja, das Meer als Sinnbild für weite Entfernung zum heimischen Umfeld konnte tatsächlich Liebe scheiden. Denn für die Rekruten war es eine Zeit praktisch ohne Wochenendurlaub und mit hohen Kosten für Telefonate aus der Zelle – das Patent für das erste Handy wurde erst 1975 in den USA erteilt. Kleiner Trost – auch am Stationierungsort gab es natürlich Mädchen. Der Wermutstropfen: die sahen Soldaten wegen deren kurzer Verweildauer häufig kritisch und verliebten sich lieber in einheimische Burschen. Blieb also nur noch, über die Schätze des Orients – oder auch das Morgenland, wie Martin Luther den Orient in seiner Bibelübersetzung nannte – nachzudenken. Was waren die „Schätze des Orients“ eigentlich?

Wo ist denn der Orient?

Aus geopolitischer Sicht sind dem Orient die heutigen Staaten Irak, Syrien, Türkei, Libanon, Jordanien, Iran, Saudi-Arabien, Kuwait, Bahrain, Jemen, Oman, Vereinigte Arabische Emirate und Katar zuzurechnen. Demnach könnte vermutet werden, das „Schifflein“ sei ein Tanker, schwer mit Rohöl beladen. Doch weit gefehlt. Das Lied entstand im 18. oder 19. Jahrhundert. Damals war von Mineralöl noch keine Rede. Aber von Gewürzen. Von Gewürzen, die zwar eher selten im Orient wuchsen, aber dennoch aus dem Orient kamen. Umschlagplatz am Mittelmeer war ab dem 1. Jahrhundert v. Chr. Alexandrien. Und so waren die Lieferketten: Von Indonesien transportierten chinesische und malaiische Boote Gewürznelken und Muskatnüsse nach Ceylon. Persische und ägyptische Kaufleute übernahmen die Ware. Hinzu kamen die aus Indien stammenden Gewürze – Pfeffer von der Malabarküste und Ingwer – und brachten sie durch das Rote Meer nach Alexandrien. Hier übernahmen venezianischen Kaufleute die „Schätze des Orients“ und brachten sie in ihre Heimat. Auf dem Landweg wurde das mittlere und nördliche Europa beliefert. Aber auch übers Meer erfolgte Gewürzhandel. Mit Schiffen ging es über Palermo auf Sizilien in die spanischen Häfen, dann weiter über Gibraltar nach Portugal, die Westküste Frankreichs, Flanderns und England. Der Handel erlebte seine Blüte zwischen 1200 und 1400 und begründete Venedigs Reichtum. Eine der damaligen europäischen Gewürzstraßen ging von Venedig über den Brenner nach Innsbruck, dann nach Basel, rheinabwärts bis zur Nordsee und nach England. Eine andere Straße führte nach Innsbruck, weiter über Augsburg, Nürnberg, Leipzig und Lübeck. Von dort ging es mit Schiffen in den ganzen Ostseeraum. Es liegt auf der Hand – Gewürze waren über viele Jahrhunderte Schätze, die nicht für jedermann erschwinglich waren.

Safran, das „Gold“ unter den Gewürzen. Die Waage zeigt es an – hier liegt der Gegenwert von mehr als 25 Euro auf dem Teller.

Schätze, die geschätzt werden sollten

„Immer noch gilt die Würzregel ‚schwarz/weiß‘ in vielen deuten Küchen“, wundert sich Viola Vierk, die Gründerin des Gewürzmuseums in der Speicherstadt, „dabei gibt es viel mehr Gewürze als nur schwarzen Pfeffer oder Salz. Rund 50 verschiedene ‚Schätze‘ und unzählige Gewürzmischungen können eine kreative Küche bereichern. Wer da bei ‚schwarz/weiß‘ bleibt, weiß gar nicht, was ihm entgeht.“ Gewürze begleiten seit Jahrzehnten Vierks Leben. Als Mitarbeiterin eines Gewürzhandels war sie nicht nur dort, „wo der Pfeffer wächst“, sondern auch noch in vielen anderen Gewürz-Ländern. „Bei diesen Reisen konnte ich ein umfangreiches Wissen über den Anbau, die Verarbeitung und den Einsatz von Gewürzen sammeln. Hinzu kamen Exponate aus diesen Ländern, die in Hamburg gern im Zusammenhang mit Gewürzpräsentationen gezeigt wurden. So reifte die Idee, in der Speicherstadt ein Gewürzmuseum zu eröffnen. Damals – 1993 – war es weltweit das einzige Museum dieser Art.“ Die Besucher erwartet nicht nur eine umfangreiche Präsentation von rund 50 Gewürzen, sondern historischer Gerät-schaften, die der Reinigung und Veredlung des kostbaren Guts dienten. Oft wird zum Anfassen und zum Schnuppern eingeladen. Das Wissen um die Herkunftsländer gibt es ebenso gratis wie einen Audioguide, der ganz einfach über das eigene Smartphone oder Tablet genutzt werden kann. Wichtig ist, die eigenen Kopfhörer dabei zu haben, da vor Ort keine ausgegeben werden. Der „DigiWalk“ steht in Deutsch, Englisch und Französisch zur Verfügung. Da ein Besuch im Spicy’s Gewürzmuseum nicht nur schlau, sondern auch neugierig macht, bietet es gut 80 Gewürze und Gewürzmischungen an. Denn wer hier nicht angeregt wird, gewürztechnisch Neuland zu betreten, dem ist nicht zu helfen.

Gewürze können helfen

Was heute in den Hintergrund getreten ist, war vor Zeiten die Hauptbestimmung von Gewürzen – der Gesundheit zu dienen. Gewürze wurden als Medikamente verwandt. Der Gesundheit dienen sie auch heute noch. Logischerweise sollten sie auch, so wie für Medikamente empfohlen, gelagert werden. Eine gläserne, durchsichtige Verpackung mag zwar schön aussehen, ist aber für die Haltbarkeit und Würzkraft kontraproduktiv. Gleiches gilt für die Positionierung direkt über dem Herd. Das ist praktisch, aber falsch. Richtig gelagert, behalten nicht gemahlene Gewürze weit über das „offizielle“ Mindesthaltbarkeitsdatum ihr Aroma. Die eiserne Regel „kühl – trocken – dunkel“ gilt für Medikamente und auch für Gewürze. Denn sie verfeinern nicht nur Speisen und Getränke, sondern sie sind auch heute noch gesundheitsfördernd. Ungesund hingegen ist der übermäßige Konsum von Salz. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt nicht mehr als 6 Gramm pro Tag – deutsche Frauen nehmen im Schnitt täglich 8,4, deutsche Männer 10 Gramm Salz zu sich. „Viele lassen unberücksichtigt, dass in etlichen Produkten wie Brot, Wurst und fast allen Lebensmittel-Zubereitungen Salz enthalten ist“, so Viola Vierk. „In meiner Küche gibt es kein Salz. Und zum Frühstücksei fehlt es mir auch nicht. Ich nehme geräuchertes Paprikapulver aus La Vera in der westspanischen Provinz Extremadura. Köstlich zum Ei ist auch Piment d’Espelette aus der Umgebung des Dorfes Espelette im französischen Baskenland.“

Museumschefin Viola Vierk in ihrem Reich – sie lädt ein, es zu entdecken.

Safran macht den Kuchen gel

Waren früher Gewürze teuer und nur begrenzt verfügbar, kann man heute fast alle Gewürze zu überschaubaren Preisen und jederzeit kaufen. Eine Ausnahme gibt es allerdings. Im Kinderreim sozusagen in „aller Munde“, gelangt der Safran in Deutschland nur sehr selten zum Einsatz. Der Iran produziert über 90 Prozent des weltweiten Safran-Bedarfs – lediglich ca. 180 Tonnen. Safran ist eine mutierte Art des Krokus und besitzt dadurch einen dreifachen Chromosomensatz. Die Blüten sind nicht fruchtbar. Safran wird daher nur durch Teilung der Knollen vegetativ vermehrt. Jede Safranknolle muss etwas alle vier Jahre umgesetzt werden. Aus ca. 150.000 – 250.000 Blüten gewinnt man etwa 1 kg Safranfäden! Die Blüten werden in reiner Handarbeit geerntet. Noch am selben Tag müssen die Fäden vorsichtig mit der Hand entnommen und getrocknet werden. Ein Pflücker gewinnt auf diese Art täglich maximal 80 g Safran. Schon die Alten Ägypter verwandten Safran als Heilmittel – in der Küche kommt er vor allem bei Reisgerichten, Eintöpfen und Currys zum Einsatz. Und natürlich auch theoretisch im Kuchen. Neuerdings bietet Dr. Oetker auch ein Backpulver „mit Safran“ an, schweigt sich aber über dessen Safrangehalt aus. Vermutlich begründet – kostet doch ein Gramm Safran mehr als fünf Euro. Viola Vierk hat übrigens eine ganz persönliche Meinung über die Bedeutung des Wortes „gel“ im Kinderlied. Während viele es schlicht mit „gelb“ – was auch zutrifft – übersetzen, deutet sie es mit „geil“, da es früher in der gehobenen Bäckerei als Treibmittel eingesetzt wurde. Das Backpulver lässt grüßen!    

Spicy’s Gewürzmuseum, Am Sandtorkai 34 20457 Hamburg

Öffnungszeiten: ganzjährig täglich von 10 Uhr bis 17 Uhr, auch an Sonn- und Feiertagen. Ausnahmen: Vom 23.12. bis 25.12. ist es geschlossen, an Neujahr erst ab 11 Uhr geöffnet. Das Museum ist nicht barrierefrei, sondern liegt im 2. Boden (Stock) eines historischen Lagerhauses. Im Internet: www.spicys.de

Gewürz, Kultur und Pfeffersäcke

Zusätzlich zum Museumsbetrieb bietet das Gewürzmuseum ein abwechslungsreiches Programm an, das sich rund um die Schätze des Orients dreht. Das Internet gibt genaue Auskunft über die Termine und Kosten.

 

Text/Fotos: F. J. Krause © SeMa

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