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„Scharf aufs Singen“

Eine Singkreis-Leiterin mit Verve! Ein bisschen aufgeregt sei sie schon, sagt Brigitte Meinert vor dem Gespräch mit dem „Senioren Magazin Hamburg“ verschmitzt. Sie ist die Leiterin des Singkreises, der bereits seit mehr als zwölf Jahren einmal die Woche im Gemeinschaftsraum der Seniorenwohnanlage der Martha-Stiftung (Sülldorfer Kirchenweg) gemeinsam Volkslieder singt. „Wir sind kein Chor“, betont die 97-Jährige, „wir singen keine Choräle. Das überlassen wir den Kirchen ...“, merkt sie augenzwinkernd an.

Brigitte Meinert und ihre Gruppe singen ausschließlich Volkslieder. Durch ihre ausgeprägte Freude an der Musik im Allgemeinen und an diesem Genre im Besonderen ist sie zu ihrem „Job“ hier in Blankenese gekommen. Ihr Vorgänger sei musikalisch ambitioniert gewesen und wollte mit den TeilnehmerInnen vor allem seine eigenen Kompositionen einstudieren, erzählt Meinert und verdreht die Augen: „Das wollten aber die Sängerinnen und Sänger damals nicht. Sie wollten lieber Volkslieder singen. Ich hatte ein Keyboard in meinem Zimmer, also fragte mich die Leitung damals, ob ich nicht die Gruppe übernehmen und anleiten wollte. So ging es los.“

Mindestens 30 Jahre lang hatte Meinert bis dahin keine Musik mehr gemacht und auch nicht mehr gesungen. 2011/12, mit Mitte 80, sollte sie also wieder loslegen. „Zuerst hatte ich ganz schön viel Angst und habe mich auch geweigert. Es hat ein bisschen Training gebraucht, dann ging es aber“, erinnert sie sich. Die Notenblätter und der Text liegen während der Gesangsstunde auf der Ablage des Flügels, auf dem sie die SängerInnen begleitet. Sie spiele aber ausschließlich aus dem Kopf: „Die Noten kann ich nicht mehr gut erkennen, deshalb spiele ich alles auswendig“, berichtet die Frau, die nach eigener Aussage „scharf aufs Singen“ war und ist.  

Bei der Frage, welches Lied ihr Lieblingslied ist, muss sie nicht lange nachdenken: „Ich bin Optimistin“, sagt Meinert, „deshalb ist es ‚Ein schöner Tag ward’ mir geschenkt‘ – ein Volkslied aus der DDR.“ (Das deutsche Lied wird zur Melodie des berühmten „Amazing Grace“ gesungen – Anm. der Red.)

Mit Leidenschaft dabei: Brigitte Meinert leitet seit mehr als zwölf Jahren den Singkreis der Seniorenwohnanlage der Martha-Stiftung im Sülldorfer Kirchenweg.

Foto: cc

Geboren 1925 in Leipzig, verbrachte sie ihre Schulzeit bis zum Realschulabschluss, der Mittleren Reife, dort. Schon als Schülerin sang sie gern im Schulchor, ihren Vater hatte sie im Alter von neun Jahren verloren, die Mutter musste für die Klavierstunden der Tochter sparen. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg wurde sie ein „Anlernling“ – so nennt sie das – bei der Dresdener Bank in Leipzig. Auch später verdiente sie bei dem Geldinstitut als Bankangestellte ihr Geld. 1951 flüchtete Meinert im Alter von 26 Jahren über den Harz aus der DDR zu einem Teil ihrer Familie nach Neumünster. Da ihr diese gleich ein Ticket zurück nach Leipzig angeboten hatte, schlug sie sich kurzerhand auf eigene Faust nach Hamburg durch. Und sie ist hiergeblieben.
In Hamburg traf sie dann auch ihren zweiten Ehemann, der damals neben seiner Arbeit bei einem Rechtsanwalt Nachwuchsmusiker förderte. Er schenkte ihr ein Keyboard, und so begann sie sich auch selbst zu begleiten. Das Hobby war wieder da! Die Ehe hielt – bis zu seinem Tod – 40 Jahre.

Gern möchte ich ihr zum Abschluss unseres Gesprächs am Flügel etwas wünschen … was könnte das sein? Worüber freut sich die bald 98-jährige Brigitte Meinert? Freundlich winkt sie ab: „Wünschen Sie mir bloß keinen ‚Guten Rutsch!‘“, sagt sie lachend, „Ich bin in meinem Leben schon so oft auf den Hintern gefallen.“

Brigitte Meinert feiert am 8. Februar ihren 98. Geburtstag. Wir gratulieren herzlich!         

 

Corinna Chateaubourg © SeMa

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