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Rüdiger Nehberg

... starb am 1. April 2020 – was wird aus seinem Lebenswerk?

Das Buchcover seines letzten und sehr
interessanten Buches.

Rüdiger Nehberg, einer der interessantesten Individualisten, den Deutschland hervorbrachte, war Menschenrechtler, Aktivist und Abenteurer. Während sich der charismatische Konditormeister, der am 4. Mai 1935 in Bielefeld geboren wurde, für die Rechte der Menschheit einsetzte, müssen ihm Scharen von Schutzengeln zur Seite gestanden haben, denn er überlebte bei seinen Einsätzen zum Wohle der Menschheit 26 bewaffnete Überfälle.  

1975 verkaufte Rüdiger Nehberg seine Konditoreien in Hamburg-Wandsbek, um sich mit Enthusiasmus, mit seinem Ideenreichtum und aller Kraft – vor allem aber mit Herz und Seele – für Schutzbedürftige einzusetzen. Er kämpfte beispielsweise für die Rechte und die Erhaltung des Lebensraumes der Yanomami in Brasilien. Um auf die Probleme des Urvolkes aufmerksam zu machen, überquerte er dreimal den Atlantik: im Tretboot, auf einem Floß und auf einem 18 Meter langen Baumstamm mit Auslegern. Dies alles Nehberg-mäßig Marke Eigenbau.  

Für seine Ziele marschierte er auch monatelang durch unerforschte Territorien, ernährte sich von dem, was die Natur ihm bot, und blickte so manchem Wildtier in die Augen. Das Thema Survival und die Urinstinkte, die in jedem frei lebenden Tier und auch in jedem Menschen vorhanden sind, faszinierten den Überlebenskünstler.

Anette Nehberg mit Sohn Roman und Ehemann Rüdiger nach einem Vortrag auf Gut Basthorst 2018.
Foto © Marion Schröder

Am 5. September 2000 gründete Rüdiger Nehberg mit seiner späteren Frau Annette seinen Verein für Menschenrechte: TARGET e. V. (Englisch), was übersetzt Ziel heißt. Große Ziele verfolgten die Eheleute immer: Eins ihrer allergrößten war die Beendigung  der Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen, die hauptsächlich in Afrika praktiziert wird. Ohne Annette wäre das nicht möglich gewesen, denn als Frau konnte sie Wege beschreiten, die Männern verschlossen blieben. Und 2006 organisierte das Ehepaar aus Rausdorf in Kairo eine Konferenz, bei der es den höchsten islamischen Gelehrten die Ergebnisse seiner Recherchen und die abschreckenden Bilder präsentierte, die Annette Nehberg-Weber bei Genitalverstümmelungen in Zelten fotografiert hatte. Es gelang beiden Norddeutschen, die Gelehrten zu überzeugen, am Ende der Konferenz die weibliche Genitalverstümmelungen als „Verbrechen wider höchster Werte des Islams“ zu verbieten. Nehbergs schrieben damit Islam-Geschichte. Es werden aber noch Jahre vergehen, bis auch die Bewohner in den abgelegensten Dörfern Afrikas diese Botschaft erhalten haben. „Unser Team arbeitet – in enger Partnerschaft mit dem Islam – weiter daran, setzt sich aber auch unermüdlich für alle anderen Projekte ein“, berichtet Annette Nehberg-Weber.

Viele Freunde von Rüdi Rastlos, wie sich Rüdiger Nehberg selbst scherzhaft nannte, dachten, er sei unsterblich, aber das Herz des Kämpfers hörte kurz vor seinem 85. Geburtstag, am 1. April 2020, auf zu schlagen. Nach seinem Tod geht es bei TARGET nahtlos weiter: Tochter Sophie (32) und Sohn Roman (37) sind quasi mit und in den Projekten aufgewachsen. Zusammen mit ihrer Mutter führen sie TARGET weiter und leben nach dem Motto: Niemand ist zu gering, die Welt zu verändern. 

Rüdiger Nehberg 2008 im Schloss Ahrensburg bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes mit seiner Ehefrau Annette, Harry Peter Carstensen, damals Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Sophie und Roman Weber. Foto © Marion Schröder

Wie Annette und Rüdiger sich kennengelernt haben, hat eine lange Geschichte. Von den Winnetou-Büchern inspiriert, hatte Annette sich im Alter von elf Jahren vorgenommen, Ärztin zu werden, um zu den indigenen Völkern nach Lateinamerika zu gehen. „Ein anderer Berufswunsch kam mir gar nicht in den Sinn. Später schenkte mir mein Bruder das Buch über die Arbeit von Rüdiger bei den Yanomami, das mich sehr beeindruckte“, erinnert sich die Witwe von Rüdiger Nehberg. Und als ihr Sohn Roman im Jahr 1997 seine damals 38-jährige Mutter, die seinerzeit als Arzthelferin arbeitete, überredete, ihn zu einem Diavortrag seines Idols zu begleiten, nahm das Leben seinen Lauf. ,,Dass das Schicksal uns zusammenführte ,war für uns Fügung. Das schönste Erinnerungsgeschenk an uns ist die Widmung in seinem letzten Buch, das fünf Tage nach seinem Versterben erschien.“ Er schreibt: Sie sind mir Fels in der Brandung, Partner in jeder Lebens- und Ideenphase, Heimatufer und zukünftige Erben der Hinterlassenschaft meines Wirkens zum Wohle von Mensch und Natur.

„Wir haben garantiert noch viele interessante Aufgaben zu meistern, aber zunächst bremste die Corona-Pandemie uns aus. Da es keine Flüge gab, erreichten wir unsere Kliniken in Afrika und Brasilien nicht, konnten uns aber wenigstens via Internet mit unseren Projektleitern vor Ort verständigen.“ Die größten Sorgen bereiten dem TARGET e. V. zurzeit die Umstände in Äthiopien. Hier hatte das Team 2015 eine Gynäkologie- und Geburtshilfeklinik eröffnet, die Roman mit Freunden und einem Bauteam aus der Wüste gestampft hat. ,,Sie war Anlaufstelle und einzige Hilfe der von Genitalverstümmelung bedrohten und betroffenen Mädchen und Frauen in Afar. Jetzt ist sie aufgrund des bewaffneten Konfliktes in Äthiopien weitgehend zerstört. Wir haben keine OP-Tische mehr, keine Beatmungs- und Sauerstoffgeräte. Sämtliche Kabel wurden durchtrennt, Autos gestohlen, auf OP-Lampen und die Solaranlage wurde geschossen. Ein kleines Team unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter versucht, eine Notstation aufzubauen, um den Mädchen und Frauen weiterhin helfen zu können.   

Die Arbeit des TARGET e. V. wird ausschließlich durch Spenden finanziert. „Wenn die Förderer des Vereins uns die Treue halten und uns weiterhin ihr Vertrauen schenken, macht uns das sehr glücklich. Und natürlich freuen wir uns über neue Förderer. Jeder Euro hilft helfen“, erklärt Annette Nehberg-Weber. Die Verwendung der Spenden wird alljährlich im Jahresbrief veröffentlicht. Konto: TARGET e. V., Rüdiger Nehberg, IBAN: DE16 2135 2240 0000 0505 00.  

Rüdiger Nehberg schrieb mehr als 30 Bücher über seine abenteuerlichen Unternehmungen. Das letzte Buch: „Dem Mut ist keine Gefahr gewachsen“ ist fünf Tage nach seinem Tod erschienen.

Die Biografie, die es auf die „SPIEGEL“-Bestsellerliste schaffte, beschreibt sein abenteuerliches und von Engagement erfülltes Leben. Taschenbuch, 12 Euro, ISBN 978-3-492-31503-6, weitere Infos: www.target-nehberg.de.

Text + Fotos: TARGET + Marion Schröder © SeMa

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