Platt snacken
Wenn täglich zwei Minuten nicht reichen – einfach mal Platt snacken im Stadtpark Norderstedt
Am 3. November 1954 wurde die Sendung „Hör mal ’n beten to“ erstmalig ausgestrahlt. Seit dem 3. April 1956 läuft sie kontinuierlich an jedem Werktag auf NDR 90,3; NDR 1 Niedersachsen und NDR 1 Welle Nord. Zu den Autoren der ersten Stunde gehörten u. a. Rudolf Kinau, der auch zu den Initiatoren der Sendung zählte, sowie Fritz Specht, Günter Harte, die Ohnsorg-Schauspielerin und Autorin Irmgard Harder ferner Gerd Lüpke, Wolfgang Sieg und Hermann Bärthel. Sie gestalteten die Reihe teilweise über mehrere Jahrzehnte mit. Sie brachten es fertig, dass die zwei Minuten im Radio für viele Zuhörer ein tägliches Ritual wurden. Vielen Norddeutschen reicht aber das Zuhören auf Dauer nicht – selbst schnacken, das wäre doch etwas!
Wieso „wäre“?
Ane Königsbaum ist in Norderstedt groß geworden, lebt heute in dem Haus, in dem schon ihre Großeltern gewohnt haben. Plattdeutsch, das ist für sie die Sprache ihrer Jugend. Platt, das hat etwas, was Hochdeutsch nicht hat. Selbst Unfreundlichkeiten, die hochdeutsch beleidigend klingen, haben auf Platt einen versöhnlichen Klang. Wie zum Beispiel „Idiot“ im Vergleich zu „oller Dussel“. Und da die vielseitige Norderstedterin keineswegs ein „Dussel“ oder eine „Dusselin“ ist, reifte in ihr ein Plan, der nun schon sein einigen Monaten Wirklichkeit ist. Seither heißt es monatlich: „Hier büst du richtig, wenn Du de plattdüütsche Spraak geern hest. Man du wullst bloots snacken? Denn kunn düt wat för di wesen. Kost nix! Hartlich willkommen bi ‚snack.platt.kloor‘! Minschen, de Lust hefft un Plattdüütsch snacken mücht, junge un öllere tosamen in ’n Stadtpark Norderstedt an Sünnavend Klock 11.30–12.45, eenmal in Monat.“
Bidde anmelden ane@koenigsbaum.de.
Wetterfest bei 6 Grad
Leiden andere Angebote an den Einschränkungen, die Corona mit sich bringt, ist frische Luft ein Garant dafür, dass ungetrübt weiter gesnackt werden kann. Denn Ane Königsbaum setzt auf Bewegung, auch beim Reden. Freiraum dafür bietet der Stadtpark in Norderstedt in Hülle und Fülle. Bewegung im Freien, selbst dann, wenn es draußen frischer ist. So wie am 13. November: Denn da hatten sich rund 25 Damen und Herren eingefunden, um gemeinsam mit der Initiatorin die Sprache zu sprechen, die eben nicht nur im Ohnsorg Theater gepflegt wird. Dabei waren natürlich „geborene“ Plattsnacker und auch Zugereiste, die Freude an dieser urwüchsigen Sprache haben. Die haben in Yared Terfa Dibaba, geboren in Südwesten Äthiopiens, der einer der Sprecher von „Hör mal ’n beten to“ ist, ein gutes Vorbild. Beim Spaziergang durch den Norderstedter Stadtpark wird nicht nur gesnackt, sondern zudem jeweils ein Thema aufgegriffen. Regelmäßig nutzt auch ein Teilnehmer oder eine Teilnehmerin die Gelegenheit, eine plattdeutsche Geschichte oder ein Gedicht vorzutragen. Bernd Goerke rezitierte bei leichtem Sprühregen ein Gedicht des Mecklenburger Mundartdichters Rudolf Heinrich Wilhelm Tarnow (1867–1933) vor. Von Tarnow stammt auch ein Gedicht, das eine enorme Popularität erreichte. Auf Schmuckblättern in mehr als 100.000 Exemplaren verbreitet, wurden die Verse ein beliebter Wandschmuck in mecklenburgischen Haushalten. Und nicht nur damals – als Geleit ins Neue Jahr ist es auch heute noch selbst für „Hochdeutsche“ bestens geeignet: Der Schweriner Pastor Schooff sagte bei Tarnows Bestattung am 23. Mai 1933 „Väl Minschen hett hei dat Hart fröhlich makt“. Und eines ist sicher, „fröhlich makt“ auch Plattdeutsch im Stadtpark Norderstedt. Einfach mal mitmachen, wenn es am Samstag, 29. Januar, 26. Februar oder 26. März, jeweils von 11.30 bis 12.45 Uhr wieder heißt „snack.platt.kloor“. Treffpunkt: Parkplatz Am Kulturwerk – Eingang Stadtpark. Bitte wegen der jeweils geltenden Hygienemaßnahmen bei ane@koenigsbaum.de oder 040/5291992 anmelden.
Mötst di nich argern, hett keinen Wiert,
Mötst di blot wunnern, wat all passiert,
Mötst ümmer denken, de Welt is nich klauk,
Jeder hett Grappen, du hest se ok!
Mötst di nich argern, hett keinen Sinn,
Ward di blot schaden un bringt nix in,
Ward an di fräten as Qualm un Rook,
Is‘t nahst vergäten, büst grad so klauk.
Mötst di nich argern, is Unrecht di dahn,
Haug mal up‘n Disch un gliek is‘t vergahn,
Kort is dien Läben un lang büst du dod,
Minsch, blot nich argern, ne, lachen deiht gaud!
F. J. Krause © SeMa
Jetzt den Artikel auf den sozialen Kanälen teilen: