Operation Gomorrha
Vor 80 Jahren fielen Schwefel und Feuer auf Hamburg
Das Alte Testament der Bibel bietet in Teilen Horrorszenarien. Zum Beispiel die Geschichte zweier Städte, die in der Genesis berichtet wird. „Über die Leute von Sodom und Gomorrha sind schwere Klagen zu mir gedrungen“, so Gott im Gespräch mit dem Patriarchen Abraham. „Ihre Schuld schreit zum Himmel.“ Um Gott von der Vernichtung der Städte abzuhalten, verhandelt Abraham mit Gott und gibt zu bedenken, es könnten ja auch Gerechte in den sündigen Orten wohnen. Letztlich stimmt Gott zu. Sollten sich zehn Gerechte dort finden, bleiben die Orte verschont. Doch Gottes Engel suchen vergeblich nach ihnen. Also vernichtet Gott Sodom und Gomorrha, indem er Schwefel und Feuer auf sie herabregnen lässt. Nur der gerechte Lot und seine Töchter überlebten die Katastrophe. Lots Frau, die sich entgegen der Befehle der Engel umdreht, erstarrt beim Anblick des Infernos zur Salzsäule.
Nicht Gott und Abraham
Stalin drängte 1942 die Westalliierten, eine zweite Front im Westen aufzubauen. Das erschien denen aber noch zu riskant. Als Kompromiss boten sie dafür Flächenbombardements ziviler Ziele in Innenstädten und Wohngebieten an.
Mit der „Area Bombing Directive“ vom 14. Februar 1942 wurde dem britischen Luftmarschall Arthur Harris der Auftrag erteilt, entsprechende Pläne zu erarbeiten. Entscheidend für das Gelingen war die Ausschaltung der deutschen „Würzburg“-Radargeräte. 26,8 Zentimeter lange (halbe Wellenlänge) Streifen aus Stanniol störten die Radargeräte massiv. Die Führung der Nachtjäger sowie die Feuerleitung der schweren Flugabwehrgeschütze und die Steuerung der Flakscheinwerfer wurden weitgehend ausgeschaltet. So vor Gegenwehr geschützt, kam es vom 24. Juli bis zum 3. August 1943 zu großflächigen Bombenangriffen britischer und amerikanischer Luftstreitkräfte auf Hamburg unter dem Codewort „Operation Gomorrha“. Die Angriffe waren die bis dahin schwersten in der Geschichte des Luftkrieges. Begünstigt durch eine wochenlange Hitzewelle und Trockenheit, entfachten die Flächenbombardements vor allem in der Nacht vom 27. auf den 28. Juli 1943 in den östlichen Stadtteilen einen verheerenden Feuersturm, dem schätzungsweise 34 000 Menschen zum Opfer fielen.
Ein Kirchturm als Zieleinrichtung
So makaber es klingt – ausgerechnet ein Kirchturm war es, der den anfliegenden Piloten den Weg wies. Der vom Londoner Architekten George Gilbert Scott geplante 147,3 Meter hohe Turm wurde deshalb auch von den Bomben verschont. Vielmehr waren es die „armen“ Arbeiterviertel Hamburgs, in denen die Kampfkraft der Menschen gebrochen werden sollte. Bomben, die in reichen Wohngegenden fielen, waren dagegen eher unbeabsichtigt und wurden nur deshalb abgeworfen, um für den Rückflug nach England möglichst wenig Gewicht zu haben. Einer, der als Kind den Feuersturm miterlebt hat, ist Harald Hinsch. „Wir wohnten in Barmbek im Knickweg Nummer 12 – oben im dritten Stock“, so berichtet Hinsch im Gespräch mit dem SeMa, „immer bei Fliegeralarm hetzten meine Mutter, mein Bruder und ich in die Gertigstraße. Genau dort war ein großer Bunker.“ Harald Hinsch hat überlebt – nicht allen gelang das. Für ihn ist das eine Verpflichtung, die Erinnerung an sein Erleben wachzuhalten. Er ist heute einer der wenigen noch lebenden Zeitzeugen und hat besonders in Schulen über jene Tage berichtet. Seine Botschaft lautet: „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus“. Seine Erinnerungen hat er auch in einem Buch zusammengefasst es heißt „Roter Junge: Ein Kriegskind in Hamburg“.
Gedenken am Mahnmal
Es ist kein Widerspruch, dass die frühere Zieleinrichtung, der neugotische Turm von St. Nikolai, heute das zentrale Mahnmal Hamburgs gegen Krieg und Gewalt ist. Am Sonntag, den 23. Juli, wird es dort von 15.30 bis 18.00 Uhr eine Gedenkveranstaltung geben. Neben einer szenischen Lesung von Michael Batz sind Redebeiträge von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen geplant. Auch Harald Hinsch wird sich einbringen. Grußworte aus der Politik und von der Britischen Botschaft werden erwartet. Des Weiteren besteht die Möglichkeit zur Besichtigung des Mahnmals St. Nikolai sowie einer Sonderausstellung von Studierenden der Universität Hamburg zum Thema „Bunker“. Zum Ausklang wird es Kaffee und Kuchen geben. Schon am Vormittag des Sonntags lädt die Hauptkirche St. Nikolai am Klosterstern um 10.00 Uhr zu einem Gedenkgottesdienst mit Hauptpastor und Propst Dr. Martin Vetter ein. „Operation“ – grundsätzlich ist das Wort positiv besetzt, steht es doch für ärztliche Hilfe und Gesundung. Die Erinnerung an die „Operation Gomorrha“ und ganz aktuell Vladimir Putins „Spezial-Operation“ zeigen, dass das Wort auch Tod und Vernichtung bedeuten kann.
Fotos: privat und F. J. Krause © SeMa/Text: F. J. Krause © SeMa
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