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Neapel sehen und dann – sterben?

Nein, sondern Makkaroni essen!

Ida Marie Louise Sophie Friederike Gustave Gräfin von Hahn (1805–1880) war eine Schriftstellerin, deren Bücher besonders von ihren Zeitgenossinnen verschlungen wurden. Dass die uradelige Dame je selbst gekocht hätte, ist eher unwahrscheinlich – aber ihre Weiterdeutung des geflügelten Wortes „Neapel sehen und dann sterben“ weist in die richtige Richtung. Denn Schönheit und Besonderheit eines Landes spiegeln sich auch und ganz besonders in seinen Speisen wieder. Fotos tun das ebenfalls – aber mit den menschlichen Geschmackssinnen können die Augen allein nicht mithalten.

Zunge schlägt Auge

Wir können fünf Geschmacksrichtungen wahrnehmen: süß, sauer, salzig, bitter – und umami, den sogenannten Fleischgeschmack, von dem man erst seit einiger Zeit weiß, dass er proteinhaltige Lebensmittel kennzeichnet. Jede Geschmacksrichtung reizt auf besondere Weise die Sinneszellen in den Geschmacksknospen der Zunge. Der Geschmackssinn hilft, den Urlaub zu reproduzieren. Nicht nur beim Besuch „seines“ Griechen, Italieners oder Franzosen, sondern in der eigenen Küche. Und Kochbücher können äußerst nützliche Reiseführer durch die Küchen ferner Länder sein. Hier ein Beleg dafür:

Griechenland

„OREXI“ (Appetit), so der Titel eines Kochbuchs, dass der in England lebende griechisch-zypriotische Meisterkoch Theo A. Michaels im Koehler Verlag herausgebracht hat. Seine sehr persönlichen Anmerkungen zu den Rezepten machen deutlich, dass die Speisen der Heimat in vieler Hinsicht Heimat sind.

AFELIA FÜR 6 PERSONEN

• 1 kg Schweineschulter ohne Schwarte, in große Stücke geschnitten
• 500 ml guter Rotwein
• 2 Lorbeerblätter, getrocknet
• 1 Esslöffel ganze Koriandersamen
• 1 Esslöffel griechischer Honig
• Salz und frisch gem. schwarzer Pfeffer
• Olivenöl, zum Braten
• frische Petersilie zum Garnieren
• 1 Esslöffel gerösteter und grob gemahlener Koriandersamen, Meersalzflocken, zum Garnieren, gekochter Reis oder knuspriges Brot, zum Servieren

Den Ofen auf 180 Grad vorheizen, Gas Stufe 4. Die Schweineschulter in golfballgroße Stücke schneiden. In eine Schüssel geben und mit 500 ml Rotwein übergießen, den Lorbeer und die ganzen Koriandersamen dazugeben. Alles in den Kühlschrank stellen und mindestens 30 Minuten, gerne auch über Nacht, marinieren lassen.

Das Fleisch nach dem Marinieren trocken tupfen, aber die Marinade nicht weggießen. Es dürfen gerne Koriandersamen am Fleisch haften bleiben, das ist gut für den Geschmack. Das Fleisch gut würzen. Ein wenig Öl in einem ofenfesten Bräter mit Deckel erhitzen und die Fleischstücke nach und nach bei kräftiger Hitze braun anbraten.

Das gesamte Fleisch in den Bräter geben, die Marina und den Honig dazugeben. Abgedeckt zum Kochen bringen. Den Bräter nun mit Deckel in den vorgeheizten Ofen schieben und das Fleisch ca. 1 1/2 Stunden schmoren lassen.

Wenn Sie nun den Bräter aus dem Ofen nehmen, sieht die Sauce vermutlich nicht sehr attraktiv aus. Wenn man den Bräter nun noch für ein paar Minuten bei kräftiger Hitze auf die Herdplatte stellt und die Sauce ein wenig einkochen lässt, wird sie dicker und beginnt zu glänzen.

Fleisch und Sauce mit der gehackten Petersilie und den gerösteten und grob geschroteten Koriandersamen und ein paar Salzflocken servieren. Ich esse dazu gerne einfachen gekochten Reis oder aber knuspriges Brot – beide Beilagen unterstreichen dieses reichhaltige Essen.   

aus: „Orexi“ bei Koehler im Maximilian Verlag

Zutaten wie aus dem Bilderbuch – Ratatouille steht für die Küche der Provence wie Grünkohl für Norddeutschland.

Frankreich

Ein Zeitgenosse der Gräfin – und ganz sicher kein Fan der adligen Vielschreiberin – war Heinrich Heine (1797–1856). Im Jahr 1826 schrieb er in seinen Reisebildern aus Frankreich „Dort amüsiert man sich ganz süperbe, man hat alle möglichen Vergnügungen, man lebt in lauter Lust und Pläsier, so recht wie Gott in Frankreich. Man speist vom Morgen bis Abend, und die Küche ist so gut ...“ Heine sollte es wissen – lebte er doch rund die Hälfte seines Lebens in Paris. In der Tat verwenden Franzosen zumindest im Urlaub und an Wochenenden viel Zeit für Zubereitung und Verzehr der Mahlzeiten. Und dass in einem Land, in dem der Rebensaft ein Kulturgut ist, Wein fast wie selbstverständlich das Essen begleitet, muss eigentlich nicht extra erwähnt werden.

Piche deau – Wasser im Krug

Aber bei den Getränken beginnen auch schon die Unterschiede. Im Restaurant ist Leitungswasser immer kostenlos. Über einen Satz in der Getränkekarte „Leitungswasser ist kostenlos. Sie zahlen lediglich dafür, dass es Ihnen in einem sauberen Glas gebracht und dieses wieder gespült wird für 0,2 l Wasser 1,00 Euro“ wie zum Beispiel im Restaurant „Weingarten“ auf der Ratzinger Höhe in Bayern, würden Franzosen nur den Kopf schütteln. Und dass häufig jeder Gang einer Mahlzeit von einem korrespondieren Wein begleitet wird, ist nicht ungewöhnlich. Normal ist allerdings auch, dass bei sechs Erwachsenen am Tisch die Flaschen am Ende der Mahlzeit keinesfalls leer sind. Denn wenn Schluss ist, dann ist auch Schluss. Franzosen trinken beim Essen – danach gibt es einen Café. Der Digestif, der Verdauungsschnaps, ist in Frankreich weitgehend aus der Mode gekommen. Ist nichts mehr auf dem Teller, dann bleiben auch die Weingläser leer. Eine „Schoppen-Kultur“, wie wir sie in Deutschland kennen, ist wenig verbreitet. Zum Käse, dem gewöhnlich letztem Gang einer Mahlzeit, trinken Franzosen gern einen weißen Süßwein – einen Sauternes zum Beispiel. Der ist übrigens ein „Muss“ zur Foie gras, der Entenstopfleber. Sie bildet den sehr teuren Auftakt eines festlichen Essens. Die Produktion der Fettleber ist in vielen Ländern der EU verboten. Frankreich umging das Verbot, indem es 2005 Foie gras zum nationalen und gastronomischen Kulturerbe erklärte und sie von den französischen Tierschutzgesetzen ausnahm.

Wenn Farben und Strukturen noch klar zu erkennen sind ist das Werk gelungen.

Ratatouille – Frankreich vegan

Oft bereitet das Nachkochen fremder Gerichte deshalb Probleme, weil bestimmte Zutaten nicht oder nur schwer zu beschaffen sind. Ganz anders verhält es sich mit Ratatouille, dem Klassiker aus der Provence. Bei den folgenden Mengenangaben muss nicht die Goldwaage eingesetzt werden – auf die Frische der Zutaten, nicht auf die genaue Menge kommt es an:

Zutaten:
• 0,5 kg Zucchini und 0,5 kg Paprika in nicht zu kleine Stücke schneiden
• 0,5 kg Auberginen in entsprechende Stücke schneiden, salzen und nach einer Stunde mit Küchenpapier trocken tupfen
• 0,300 kg Zwiebeln klein würfeln
• 0,750 kg Tomaten einritzen, überbrühen, abziehen, entkernen und klein würfeln
• mindestens 5 Knoblauchzehen, in feine Scheiben geschnitten
• die Blätter von einigen Thymianzweigen und ein Bund glatte Petersilie, fein gehackt
• Olivenöl, Pfeffer aus der Mühle, Salz und Zucker nach Geschmack

In einem ausreichend großem Topf jedes Gemüse in Olivenöl separat garen und auf Küchenpapier abtropfen lassen. Dann die Zwiebeln glasig dünsten und gemeinsam mit den Tomaten, Knoblauch und den Kräutern, Salz, Zucker und Pfeffer 20 Minuten ganz sanft köcheln. Dann das abgetropfte Gemüse hinzufügen und gemeinsam weitere 5 Minuten garen und nochmals abschmecken. Ratatouille mundet warm mit einem Stück Baguette, als Beilage zu Fleisch oder kalt aus dem Kühlschrank in den nächsten Tagen.

Nicht nur für Dichter und Denker – Involtini sind für jedermann ein Genuss.

Italien

„Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn, im dunkeln Laub die Goldorangen glühn ...“ zumindest diese Anfangszeilen des Gedichtes aus Goethes „Wilhelm Meister“ kennen auch jene, die ansonsten kein gar so enges Verhältnis zum Dichterfürsten pflegen. Goethe schrieb es 1782, noch bevor er seine erste lange Italienreise antrat. Seine Erlebnisse und Eindrücke der Reise, die „Italienische Reise“ vom September 1786 bis zum Mai 1788 sind auch heute noch lesenswert. Im Film „Go Trabi go“ von 1991 ist Goethes Tagebuch der Rei-seführer, an dem sich der von Wolfgang Stumph gespielte Deutschlehrer Udo Struutz orientiert. Goethe war nicht nur ein Feingeist, sondern auch ein Gourmet, der von sich sagte: „Ich liebe zu tafeln am lustigen Ort, ich kost’ und schmecke beim Essen“. Als sicher kann deshalb angenommen werden, dass Goethe nicht nur begeistert von der südländischen Kultur, der Landschaft und den Frauen Italiens war, sondern auch mit Hingabe italienische Lebensart aus Gläsern und von Tellern genossen hat. Zum Beispiel eine Speise wie diese:

Involtini – die leichte Roulade

Kalbschnitzel aus der Oberschale – sie sollten nicht dicker als 3 mm sein, damit das Flachklopfen entfallen kann. Für vier Personen können ca. 400 g gerechnet werden. Das ergibt im Regelfall 8 kleine, dünne Schnitzel. Die werden satt bestrichen mit dem Brät aus 2 feinen Kalbs- oder Schweinsbratwürsten, das zuvor mit 3 EL geriebenem Parmesan, 2 Eigelb, ei-nem Bund Petersilie (fein gehackt) sowie 3 möglichst frischen, durchgepressten Knoblauchzehen gemischt wurde. Leicht aus der Mühle pfeffern und vor dem Aufrollen jeweils ein frisches Salbeiblatt einlegen. Mit jeweils einer dünnen Scheibe geräuchertem, durchwachsenen Speck – mögliche Knorpel vorher entfernen – oder Bacon umwickeln und mit einem Rouladenspieß feststecken. Die Involtini mit Mehl bestäuben und in Butterschmalz von allen Seiten gold-braun braten. Danach mit jeweils 200 ml trockenem Weißwein und Rinderbrühe (instant) auffüllen und 15 Minuten köcheln lassen. Dann die Involtini warmstellen und die Sauce unter ständigem Rühren nach Belieben einreduzieren lassen. Dabei können einige Salbeiblätter eingestreut werden. Nun die Involtini wieder in die Sauce betten, mit Salbei dekorieren und mit Gemüse nach Jahreszeit servieren. Dazu passen Ciabatta und natürlich der Wein, der schon der Sauce Geschmack gab. Es gibt Gerichte, die einfach nicht in Miniportionen zubereitet werden können. Das gilt für die hier vorgestellten Spezialitäten. Aber – sie eignen sich alle hervorragend, um in kleinen Portionen eingefroren zu werden!     

 

Fotos/Text: F. J. Krause © SeMa

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