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Mit Volldampf in die Vergangenheit

Die „St. Georg“ bietet auch 2023 jede Menge Nostalgie auf ihren Fahrten

Alter kann stolz machen. Die „St. Georg“ und ihre Mannschaft jedenfalls genießen es, in die Jahre gekommen zu sein – und auch  die Passagiere an Bord der ältesten im Linienbetrieb stehenden Dampfbarkasse Deutschlands passen sich bei ihrem Törn auf der Alster dieser Einstellung an. Wie gebannt sitzen die Nostalgie-Fans auf den schmucken Holzbänken, vereinzelt sogar auf der Balustrade über dem Maschinenraum. Der Dampf-Oldie gehört mit seiner  weit sichtbaren Rauchsäule seit Jahren in das Hamburger Stadtbild wie Michel und neuerdings auch Elphi. Aber: Auch der Verein Alsterdampfschiffahrt e. V. muss sein Schmuckstück für die Zukunft rüsten.

Was ist denn das? Es dampft unübersehbar mitten in der Hansestadt, passt mit seinem Outfit nicht unbedingt in unsere Zeit, und ist trotzdem – oder besser gerade deswegen – aus Hamburg nicht wegzudenken. Gerade eben hat das älteste deutsche Personen-Dampfschiff (Linienverkehr) die Lombardsbrücke passiert, nähert sich auf der Binnenalster dem Jungfernstieg, wo knapp 60 Personen ebenfalls fortgeschrittenen Alters auf die „St. Georg“ warten. Ein Alstertörn historischer Art in altem Interieur, mit einem glitzernden Heizkessel, einer großen Glocke und natürlich dem obligatorischen Dampf aus dem Schornstein – eine Fahrt mit dem Nostalgie-Schiff „St. Georg“ wird niemals Alltag werden. Das beweisen allein die glänzenden Augen der Mitfahrer, in denen sich die ganze Freude der Entschleunigung für rund zwei Stunden spiegelt.

Maschinist Frank schaut öfter mal hoch und plaudert locker mit den Gästen.

Da ist die Seniorengruppe, die an diesem Vorfrühlingstag den Oldie gestürmt hat, mit ihren Empfindungen nicht allein. Maschinist Frank Gotthard (54) schaut pfiffig aus dem kleinen, blank geputztem Maschinenraum auf die Rentner, die heute die „St. Georg“ belagern. „Ich kümmere mich schon seit 15 Jahren um die Maschine, es macht immer wieder Spaß, den verschiedenen Besuchern das Herzstück des Schiffes näher- zubringen“, sagt er aus seiner Boden-Luke heraus. Die Gäste dürfen sich auch – wenn sie es denn können – eine kleine Treppe in den Raum runterschleppen. Im Sommer allerdings geschehe das seltener, sagt der Herr der Dampfmaschine. Dann sei sein Reich bei mehr als 60 Grad Celsius auch fast eine Sauna. Nun gut, Frank bleibt dann in seiner Hitzekammer allein. Die Besucher des Oldtimers haben freilich auch oben an Bord genug Spaß und Grund zum Staunen. „Es ist gar nicht zu beschreiben, wie schön und entspannend eine Fahrt in diesem Ambiente ist“, sagt zum Beispiel Monika Hartwig (76), die an diesem Tag mit ihren Hamburger Freundinnen an Bord ist. Es tue gut, langsam und bedächtig dahinzudampfen, die Regeln unserer schnelllebigen Zeit seien für zwei Stunden außer Kraft gesetzt. Die Schwärmerei der Damen wird von einem lauten Klingelton unterbrochen. Alles klar: Schiffsführer Matthias Kruse ,gleichzeitig erster Vorsitzender des Vereins  Alsterdampfschifffahrt e. V., gibt das unüberhörbare Kommando – Maschinist Frank, eine Etage tiefer am Kessel, weiß jetzt Bescheid. Volle Fahrt voraus – in der Sauna erhöht sich die Temperatur.

Schiffsführer Matthais Kruse hat am alten Ruder alles im Griff.

Apropos Kessel: Das Kernstück des Oldtimers ist zwar auch in diesem Jahr gut gewartet worden, seine Zeiten sind trotzdem früher oder später gezählt. Die nächste umfangreiche Renovierung betreffe die Kompletterneuerung des Dampfkessels wohl im Jahr 2029, sagt Kruse – immer die Alster vor ihm im Blick. Das Prunkstück soll dann – in diesem Fall der Neuzeit und ihren Gesetzen entsprechend – auch mit klimaneutralen Brennstoffen befeuert werden können, schildert Kruse. Der Oldtimer soll in der Zukunft ankommen.

Im Hier und Jetzt strahlt er für seine Gäste, die selbst oft ein höheres Alter aufweisen, das aus, was sie suchen. Gemütlichkeit, historisches Ambiente und ein paar Stunden, in denen es nicht um Zeitdruck oder Tempo geht. In diesen Momenten hat die Großstadtseele der Mitfahrer ihre Ruhe – nur die „St. Georg“ steht ab und zu mächtig unter Dampf.     

Die Fahrten der „St. Georg“

Folgende Fahrten mit der Oldie-Dampfbarkasse „St. Georg“ sind im Angebot:

• Alsterfahrt mit Rondelteich bis 1. November montags bis sonnabends täglich 12.45 Uhr, sonnabends auch 16.45 Uhr (Jungfernsteg, Anleger Nummer 4), Dauer: eine Stunde, 20 Euro.

• Alster-Kanal-Fahrt bis 1. November montags bis sonnabends täglich 10.45 Uhr und 14.45 Uhr (Jungfernstieg, Anleger 4), Dauer 90 Minuten, 24 Euro.

• Museumslinie nach Barmbek zum Museum der Arbeit. Bis 29. Oktober ab Jungfernstieg 10.45, 12.45 und 14.45 Uhr, ab Museum der Arbeit 11.45, 13.45 und 15.45 Uhr. Einfache Fahrt 10 Euro, hin und zurück 18 Euro.

• Infos/Kontakt: Verein Alsterdampfschiffahrt e. V., Telefon 040/792 25 99, E-Mail: kontakt@alterdampfer.de, Infos auch auf der Homepage www.alsterdampfer.de

„St. Georg“

Der lange Weg der „St. Georg“

Auf der Hamburger Reiherstiegwerft im Jahre 1876 für die Alsterreederei von H. E. Justus als „Falke“ gebaut, ist der Dampfer „St. Georg“ heute das älteste betriebsfähig erhaltene Fahrzeug des Hamburger Nahverkehrs und zugleich das älteste Dampfschiff Deutschlands. Es ist regelmäßig von März bis Dezember auf der Alster zu sehen. Unverkennbar ist der Dampf, der halt nur von der „St. Georg“ ausgestoßen wird. Ganze 63 Jahre lang war der Dampfer im Liniendienst vom Jungfernstieg nach Barmbek zur Von-Essen-Straße, zum Mühlenkamp und zum Winterhuder Fährhaus im Einsatz. 1911 erfolgte der Umbau zum Glattdecker sowie die Umtaufe zur „Galatea“. 1919 übernahm die Hochbahn AG den Dampfer und änderte den Namen 1936 in „St. Georg“.

Nach dem Krieg fand das Schiff über Umwege in Berlin seine neue Heimat auf Havel und Wannsee, zunächst als Motorschiff „Deutschland“, später als „Planet“. Aber Hamburg erhielt seine Chance. Die drohende Verschrottung führte 1988 zur Rettungsidee und Gründung des Vereins Alsterdampfschiffahrt e.V. „Ich bin praktisch der Geburtshelfer“, sagt Matthias Kruse, Vorsitzender des Vereins, stolz. Er war sowohl an der Planung als auch an der Renovierung beteiligt. Die „Wiederbelebung“ gelang auf der Werft in Dresden-Laubegast. Sie gab dem Dampfer das Aussehen der 1930er Jahre zurück sowie ein neues Herz: Eine alte Zwei-Zylinder-Dampfmaschine. Seit 1994 fährt das Schiff wieder als „St. Georg“ auf der Hamburger Alster unter Dampf.

 

Klaus Karkmann © SeMa

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