Kultur im Koffer

Wenn er mit seinem Pilotenkoffer um die Ecke kommt, ist gute Stimmung garantiert. Gerhard Klußmeier ist Experte in Sachen Jazz- und Swing-Musik und er redet gern über seine Leidenschaft. Auch mit anderen. Und auch in Senioreneinrichtungen, Kirchengemeinden oder Nachbarschaftstreffs. Der 83-Jährige ist einer von 17 sogenannten ehrenamtlichen Kulturbotschafter*innen für das Angebot „Kultur im Koffer“, das es seit zehn Jahren in Hamburg gibt. Es wurde in Kooperation von der Fachstelle „Leben im Alter“ des Kirchenkreises Hamburg-Ost, dem Seniorenwerk Hamburg und der Fachstelle „Älter werden“ des Kirchenkreises Hamburg-West entwickelt. Es richtet sich an Menschen, die sich für Kultur interessieren, aber aufgrund fehlender Mobilität nicht mehr in Theater, Konzerte oder Museen gehen können.

Mit Glenn Miller zum Jazz

In seinem Koffer hat Gerhard Klußmeier verschiedene technische Geräte und Materialien, um seinen Vortrag via Beamer, Leinwand oder Fernseher mit Bildern, kurzen Filmen und natürlich ganz viel Musik zu illustrieren. Etwa einmal im Monat geht er mit seinem Koffer in verschiedene Einrichtungen in Hamburg oder auch nach Buchholz (i. d. Nordheide), wo seine Frau seit einiger Zeit lebt. „Im Alter von 13/14 Jahren habe ich angefangen, mich für Jazz-Musik zu interessieren“, sagt er. „Es begann wohl mit dem Film ‚Die Glenn Miller Story‘, die ich 1954 im Kino sah. Damit war ein besonderes Feuer in mir entfacht worden. Meine erste Schallplatte hieß Jazztone Society. Die habe ich bei einem Versandhandel bestellt – im Laden gab es die damals gar nicht“, erinnert sich Klußmeier.

Jazz & Swing forever

Sein Faible für Jazz- und Swing-Musik habe er bis heute. Nach Lehre und Job als Zimmermann arbeitete er bei verschiedenen Hamburger Tageszeitungen und Journalen. Sein Fachwissen über die Musikrichtung teilte er auch in einigen Büchern und Fachartikeln. Seine Seniorengruppen brauchen aber kein besonderes „Vorwissen“: „Dazu braucht man keine Kenntnisse, die Freude schließt eigentlich alles ein – vom Volkslied über Rock’n’Roll (Elvis & Co.) bis Jazz und Nonsens – alles das, was man in seinem wirklichen Leben von der Schule bis ins Eheleben gehört und gemacht hat“, so der Kulturbotschafter.

Mit Krückstock Luftgitarre spielen

Sein Engagement macht den 83-Jährigen und seine Kultursuchenden sehr glücklich: „Einmal war ich in einer Einrichtung und spielte einer Gruppe von demenziell Erkrankten das Stück ‚Rock Around The Clock‘ von Bill Haley vor. Neben mir saß ein Mann mit Krückstock. Zunächst wippte er nur rum. Doch dann stand er auf einmal auf und spielte Luftgitarre! Ich dachte, was passiert denn hier?“, amüsiert sich Gerhard Klußmeier noch heute.

Vor dem Hintergrund dieser und anderer prägender Erlebnisse, denkt er auch laut darüber nach, dass „es schön und lohnenswert wäre, wenn ein entsprechendes Betreuungsprojekt von Sozialbehörden oder anderen staatlichen oder kommunalen Einrichtungen aufgenommen werden würde.“ Doch daran bestehe kein Interesse. Er stieß und stoße nur auf taube Ohren, so Klußmeier.

28 Koffer – 28 kulturelle Themen

Andere Kulturbotschafter*innen sind Spezialist*innen in Sachen Oper, historische Gewänder oder englische Lebensart. Und wieder andere kennen sich gut mit dem Leben von Autor*innen – wie zum Beispiel Erich Kästner oder Astrid Lindgren – aus. „Für Astrid Lindgren ist man nie zu alt!“, sagt Monika Beier, Fachfrau für das Thema. Ihr Vortrag:  „Älter werden – mit dem Blick von Astrid Lindgren“. Das gesamte Angebot ist inzwischen breit gefächert, etwa 28 verschiedene „Koffer“ gibt es.

Selbst Kulturbotschafter*in werden?  

Sie wollen sich selbst als Kulturbotschafter*in mit einem tollen Thema bewerben? Weitere Details zum Angebot „Kultur im Koffer“, aber auch Infos zu Einführungskursen für neue Ehren-amtliche gibt es unter www.kultur-im-koffer-hamburg.de

Corinna Chateaubourg © SeMa