Schrift ändern:AAA

Krankenhausseelsorger

– Liberas und Liberos im biblischen Auftrag

„Ist jemand unter euch krank, der rufe zu sich die Ältesten der Gemeinde, dass sie über ihm beten und ihn salben mit Öl in dem Namen des Herrn. Und das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der Herr wird ihn aufrichten ...“, heißt es im Jakobusbrief. Und weiter findet sich in der Bibel: „Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft.“ Als Zweites kommt hinzu: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden.“

Die „Caritas“, die wertschätzende, uneigennützige Nächstenliebe, war von Beginn an das Markenzeichen der Christen. Biblischer Auftrag war über Jahrhunderte Triebfeder für Menschen in der Alten- und Krankenpflege, heißt es doch auch bei Matthäus 25,40: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“

Seit vielen Jahren bildet der Karikaturist Thomas Plassmann das Geschehen mit spitzer Feder kritisch ab. So auch in seinem Buch „Unterm Strich – Karikaturen des Jahres 2023“.

Getrennte Wege

Lange Zeit gingen Hinwendung zu Kranken und Alten und religiöser Auftrag Hand in Hand. Das Hospital zum Heiligen Geist ist die älteste Stiftung Hamburgs. Am heutigen Standort Poppenbüttel sind vier Stiftungen vereint, die seit fast 800 Jahren im Dienst alter, bedürftiger und kranker Menschen stehen und ein wichtiger Teil der hamburgischen Geschichte sind. Kommunale Einrichtungen folgten später. Mit städtischen Steuern und Spenden wurden in Altona 1760 fünf Krankenzimmer im Zuchthaus eingerichtet. 1764 entstand die Hebammenanstalt mit Entbindungsstation. Am 27. Dezember 1784 wurde das erste kommunale Krankenhaus mit 60 Betten in der Altonaer Königstraße eröffnet. Die Trägerschaft der Krankenhäuser in Deutschland sah 2022 wie folgt aus: öffentliche Krankenhäuser 539/226.622 Betten, freigemeinnützig 598/155.653 Betten und privat 756/98.107 Betten. Sie vereint dank Kostendruck und Fallpauschalen der Zwang zu höchster Professionalität und Effizienz. Wertschätzende, uneigennützige Nächstenliebe hat es schwer vor diesem Hintergrund. Dennoch gibt es sie.

Allein in der Krankheit?

Was heute die hochprofessionelle Gerätemedizin vermag, hätten sich die Menschen vor zwei Jahrhunderten nicht vorstellen können. Im Gegenteil – die Vorstellung, dass Herzen von Toten in anderen Körpern lebenspendend weiterschlagen, künstliche Gelenke oder operativ gereinigte Atrien hätten damals vermutlich den Menschen einen Schauer über den Rücken laufen lassen – ebenso der Gedanke, in Krankheit oder Alter weitgehend allein zu sein. Neben den Familien waren es Pastoren und Pfarrer oder Ordensleute, die den Menschen zur Seite standen, wenn Krankheit den Alltag bestimmte. Diese Sicherungsbänder begannen mit der Industrialisierung an Bedeutung zu verlieren. Die zeitgleich einsetzende und immer noch andauernde Verabschiedung der Menschen von den Kirchen und die große Zahl der Migranten ohne christlichen Hintergrund machten es schnell unmöglich, die Zuwendung zu Krankenhauspatienten deren Herkunftsgemeinden zu überlassen. Schon gar nicht in einer Großstadt wie Hamburg, in der die Gesundheitsfürsorge ganz anderen Kriterien als der Regionalität folgt. Doch wie vor Jahrhunderten gilt auch heute, dass kranke Menschen, besonders wenn sie im Krankenhaus liegen, über medizinische Versorgung hinaus menschlichen Zuspruch brauchen. Der eine mehr – der andere weniger. Bekenntnisunabhängig.  

1864 in einem Privathaus in
der Langen Reihe gegründet,
ist das Marienkrankenhaus
heute mit 586 Betten, rund 2.000 Mitarbeitern und ca. 93.000 Patienten im Jahr eine Stütze des Gesundheitswesens in Hamburg.

Mehr als die Hand am Ständer

Der Karikaturist Thomas Plassmann hat mit dem hier gezeigten Cartoon rechts einen Lösungsvorschlag gemacht, den wirklich keiner will. Selbst die Generation, die ansonsten gern der fast alles könnenden Alexa vertraut. Noch unbekannt? Alexa ist der Cloud-basierte Sprachservice von Amazon. Verfügbar ist er auf Millionen von Amazon-Geräten und Alexa-fähigen Geräten von Drittanbietern. Der Kunde wünscht, und Alexa handelt. Im Fall des Cartoons wäre der richtige Auftrag vermutlich: „Alexa, halte meine Hand.“ Ist das wirklich hilfreich? Wer auf die Frage mit „Ja“ antwortet, dem ist wirklich nur noch mit Alexa zu helfen. Aber es gibt in vielen Krankenhäusern heute Menschen aus Fleisch und Blut, die genau das tun – im realen und übertragenen Sinn Kranken, die das möchten, die Hand halten. Ganz unaufdringlich und ohne die Gretchenfrage aus Goethes Faust I „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?“

Beistehen – nicht bekehren

Die Rede ist von Frauen und Männern, die als Krankenhausseelsorger inzwischen seit Jahrzehnten für Menschen im Krankenhaus da sind. Für Kranke und Gesunde. Denn auch das Personal im Krankenhaus ist in seinem besonderen Umfeld nicht selten Grenzerfahrungen ausgesetzt und benötigt Beistand. Krankenhausseelsorger stellen nicht die Gretchenfrage, sondern nur die Frage: „Was ist meine Aufgabe – wie kann ich helfen?“ Krankenhausseelsorger sind Missionare, sind Gesandte mit einer Mission, einem Auftrag. Aber anders als die landläufige Vorstellung von Missionaren missionieren sie nicht. Ihr Auftrag steht in keiner Arbeitsplatzbeschreibung eines Krankenhausmitarbeiters – egal, ob Chefarzt oder Reinigungskraft. Und gerade deshalb sind sie so wichtig. Denn sie sind in ihrer Zuwendung zu den Menschen frei, müssen sich an keinen Therapieplan oder keine Medikamentenverordnung halten. Auch wenn sie im Fußball weitgehend verschwunden sind – im Krankenhaus sind die Liberas und Liberos von der Krankenhausseelsorge ein Gewinn. Für die Patienten und für das Personal. Allein in Hamburg gibt es mehr als 40 Krankenhausseelsorger – theologisch gebildete Frauen und Männer, die nach entsprechender Weiterbildung gemeindeunabhängig für die Menschen da sind. Die von ihren Kirchen bezahlt werden, keine Dokumentation anlegen und der Schweigepflicht unterliegen. Sie sind so wichtig, dass die Krankenhausträger sich in unter-schiedlicher Weise an der Refinanzierung beteiligen.

Sie haben Zeit für die Patienten – Zeit zum
Zuhören, für Gespräch und Beratung, für Gebet und Segen und die Feier der Sakramente. Gemeinsam mit ihnen möchten sie sich auf die Suche nach Kraftquellen machen, aus denen Menschen in Tagen der Krankheit Mut, Geduld und Stärke zufließen kann.

Zum Beispiel das Marienkrankenhaus

Obwohl – noch – das katholische Erzbistum Hamburg der Träger der renommierten Klinik ist, bilden neben der katholischen Theologin Ursula Burger der Jesuitenpater Fabian Loudwin und der evangelische Theologe Jörg Zimmermann das Seelsorgeteam. Schon der ganz ausgeprägte Teamgeist schließt aus, dass hier Zuwendung nach Konfessionszugehörigkeit erfolgt. Die drei haben sich die Abteilungen aufgeteilt. „Wo liegst Du?“ – nicht „Was glaubst Du?“, ist die Frage. Es liegt auf der Hand, dass es nicht möglich ist, die Krankenzimmer „abzuklappern“, um Beistand anzubieten. Die Bitte nach einem Besuch geht oft von den Patienten aus, ebenso von Krankenhausmitarbeitern oder Angehörigen, die um Kontaktaufnahme mit einem Patienten bitten. Besonders Langzeitpatienten haben Zuspruch und einen vertrauten Menschen, der zuhört, genauso nötig wie die optimale medizinische Versorgung. Deshalb begleitet der Erstkontakt auf Wunsch einen Patienten auch auf der Wanderung durch die Fachabteilungen. In der Kapelle des Krankenhauses werden Gottesdienste gefeiert – so wie in den „Räumen der Stille“ in anderen Krankenhäusern auch. Nicht für jeden Patienten ist das Krankenhaus ein Jungbrunnen. Für machen gilt es, von hier aus den letzten Weg anzutreten. Dann treten plötzlich ganz andere Fragen in den Vordergrund, bestimmen das Denken der Patienten die ganz persönliche Konfrontation mit der Endlichkeit menschlicher Existenz. Krankenhausseelsorger stehen zur Seite. Bieten dem Sterbenden die Hand. Sie sind auch für die Hinterbliebenen verständnisvolle Ansprechpartner. Im Marienkrankenhaus ist es die Kapelle, wo der Verstorbenen gedacht wird. Gedenken an Menschen aller Religionsüberzeugungen von Menschen, die im Auftrag der Kirchen eine Mission haben – Menschlichkeit und Wärme dahin zu bringen, wo ansonsten Sterilität und Funktionalität als Qualitätsmerkmal gelten.

 

Fotos u. Text F. J. Krause © SeMa

Analyse Cookies

Diese Cookies ermöglichen eine anonyme Analyse über deine Webseiten-Nutzung bei uns auf der Seite

Details >Details ausblenden