Kämpfer ohne Waffen
Die Heilsarmee auf der Seite der Schwachen St. Paulis und der Stadt!
„Küsse niemals St. Pauli“ – diesen Rat erhielt Mareike Walz von einem Obdachlosen, der immer wieder den Vorsatz fasste, sein Leben zu ändern und den Kiez zu verlassen. Doch er schaffte es nicht. Immer wenn er glaubte, dass es nun gelingen würde, fehlte ihm die Kraft. Der Stadtteil lässt ihn nicht los. Der Kuss ist sein Verhängnis.
Armee der Pazifisten
Bernard Shaw, der irische Dramatiker, Politiker, Satiriker, Musikkritiker und Pazifist, der 1925 den Nobelpreis für Literatur und 1939 einen Oscar erhielt, setzte im Jahr 1905 einer Organisation ein literarisches Denkmal, die 1865 – knapp zehn Jahre nach seiner Geburt – gegründet wurde. Sein Theaterstück „Major Barbara“ prägt seither bei Bildungsbürgern das Bild einer Armee, die trotz ihrer paramilitärischen Organisation bis auf den heutigen Tag völlig unmilitärisch ist. Dennoch kämpft sie: für Menschen am Rande der Gesellschaft – gegen Diskriminierung und wirtschaftliche sowie seelische Not. Auch wenn die Heilsarmee mit den früher obligatorischen grauen Uniformen heute nicht mehr so häufig auffällig in Erscheinung tritt, ist sie präsent. Weltweit gibt es mehr als 1,2 Millionen Heilssoldaten und rund 27.000 Offiziere und Offizierinnen. Eine von ihnen ist die 44-jährige Kapitänin Mareike Walz. Schon ihre Eltern dienten bei der Heilsarmee. In Hannover geboren, ist sie mit ihren Eltern viel herumgekommen. Als Offizierin muss auch sie jederzeit mit einem „Marschbefehl“ rechnen. Hamburg ist ihre fünfte Station. Auf St. Pauli leitet sie gemeinsam mit Leutnantin Anne Beinker ein denkmalgeschütztes Haus, das nun genau seit 100 Jahren den pazifistischen „Gotteskriegern“ gehört.
Herberge zur Heimath
Gebaut wurde das Haus in der Talstraße 13 in den Jahren 1889–90. Bauherr war der „Verein der Herbergen zur Heimath“, dessen Vorsitzender Adolph Godeffroy, Mitbegründer der Reederei HAPAG, war. Der Entwurf stammte von den Architekten Gustav Zinnow und Hugo Stammann, die als Mitglieder des Rathausbaumeistervereins zu den renommiertesten Architekturbüros der Stadt zählten. Geistiger Vater der „Herbergen zur Heimath“ war Johann Hinrich Wichern, der Begründer des „Rauhen Hauses“. Unter christlicher Hausordnung boten „Herbergen“ als einfache Hotels Obdach für Wandergesellen und Handwerker an. Sie schützten ihre Bewohner, so der Gedanke, vor den Gefahren des Alkoholkonsums und Glücksspiels. Auf Initiative Wicherns entstanden im Deutschen Reich etliche spendenfinanzierte „Herbergen“. Geschlafen wurde in der Talstraße im Saal des Erdgeschosses unter der Aufsicht eines Bruders des „Rauhen Hauses“, der als „Hausvater“ fungierte.
Der wohl bekannteste Gast in der Talstraße 13 war Hans Gustav Bötticher – besser bekannt als Joachim Ringelnatz (1883–1934). In seinen Lebenserinnerungen schrieb Ringelnatz über seine Zeit als Schiffsjunge auf Stellungssuche 1901 in Hamburg: „Um Geld zu sparen, wohnte ich anfangs für 40 Pfennig pro Tag in der Herberge zur Heimat. Es ging dort recht unordentlich zu, sodass ich meine Briefe lieber postlagernd bestellte.“ „So will man oft und kann doch nicht ...“ Wegwollen und doch nicht können – so beschrieb Ringelnatz vor 110 Jahren die Folgen des „Kusses“, vor dem der Obdachlose warnte. Ringelnatz’ Ameisen an der Ecke Liebermannstraße/Elbchaussee sogar ein Denkmal erhalten.
Ein Haus für andere
Bis zur Übernahme durch die Heilsarmee 1922 diente das Haus frommen und weniger frommen Zwecken. Die Heilsarmee brachte und bringt bis auf den heutigen Tag Verlässlichkeit und Ordnung in das Haus – heute können die Gäste der Talstraße sie bedenkenlos als Postadresse angeben und tun das auch. Ringelnatz wäre zufrieden. In den vergangenen Jahren wurde das alte Haus grundlegend saniert; die letzten Arbeiten dürften noch in 2022 abgeschlossen sein. In zumeist sozial geförderten Wohnungen finden dann ansonsten am Wohnungsmarkt chancenlose Menschen Unterkunft, Duschen und Sanitäranlagen stehen den Tagesgästen des Hauses zur Verfügung. Ebenso eine Kleiderkammer, eine Ausgabestelle der Hamburger Tafel und ein Frisiersalon. Kommunikationszentrum wird ein Stadtteil-Café sein. Selbst ein kleiner Garten – im eng bebauten St. Pauli eine Kostbarkeit – steht Gästen und Anwohnern offen. Gottesdienste und Bibelstunden finden auch statt; ebenso Sozialberatung und Frauenarbeit. Hamburgs Denkmalschutzamt schützt das historische Haus in der Talstraße – die Heilsarmee schützt und unterstützt die Gäste des Hauses. Und das, mit Unterbrechung in der NS-Zeit, seit 100 Jahren.
Glaube bewegt
Als weltweite christliche Bewegung ist die Heilsarmee eine evangelische Freikirche und Hilfsorganisation. Alles, was sie tut, wurzelt im Glauben ihrer Mitglieder. Das Vertrauen in einen liebenden und fürsorglichen Gott findet seinen Ausdruck im Dienst an den Menschen.
Wer diesen Dienst ideell im Gebet oder materiell durch eine Spende unterstützen möchte, ist dazu herzlich eingeladen. Spendenkonto: IBAN: DE82 3702 0500 0004 0777 00, Verwendungszweck: HAHMBRG.
Die Ameisen
In Hamburg lebten zwei Ameisen, Die wollten nach Australien reisen. Bei Altona auf der Chaussee, Da taten ihnen die Beine weh, Und da verzichteten sie weise, Dann auf den letzten Teil der Reise. So will man oft und kann doch nicht Und leistet dann recht gern Verzicht.
F. J. Krause © SeMa
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