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Johannes Brahms

In Hamburg verschmäht – in Wien gefeiert – vor 125 Jahren starb der Komponist Johannes Brahms!

Johannes Brahms.

Schnörkellos Norddeutsch

„Was wird wohl einst auf einer Tafel stehen, die man Ihnen zu Ehren hier oben anbringen wird?“, fragte ein Freund Johannes Brahms, als er mit ihm vor dem großen Mietshaus, Karlsgasse 4, in Wien stand, in dem der Komponist von 1872 bis zu seinem Tode am 3. April 1897 wohnte. „Untermieter gesucht!“, war die lapidare Antwort. Denn obwohl sehr vermögend, wohnte der Komponist als Untermieter bei der Schriftstellerwitwe und Frauenrechtsaktivistin Celestine Truxa.

Brahms im Zeitraffer

Er ist, wer wollte das bestreiten, ein großer Sohn Hamburgs. Auch große Söhne fangen einmal klein an. Am 27. Mai 1833 wurde Johannes Brahms im ersten Stock des Hauses Specksgang 24 (heute Speckstraße) in der Neustadt geboren. Sein Vater Johann Jakob verdiente sein Geld in Kneipen der Stadt als „musikalischer Handwerker“. Mit sieben Jahren bekam Johannes bereits Klavierunterricht und konnte schon mit zehn durch Auftritte in Gasthäusern und Theatern der Stadt zum Unterhalt der Familie beitragen. Eine angebotene ‚Wunderkindreise’ durch die USA wurde nie angetreten, eine später angestrebte Stelle als Dirigent der Philharmonischen Konzerte in Hamburg wurde ihm versagt. Nicht an der Elbe, an der Donau wurde der ‚Hamburger Jung‘ begeistert gefeiert. Erst spät besann sich Hamburg auf den Mann aus dem Gängeviertel. Im September 1889 konnte Brahms in Hamburg persönlich die Ehrenbürgerurkunde entgegennehmen. Er bedankte sich artig mit seinem Opus 109, den vertonten „Fest- und Gedenksprüchen“. Er war starker Zigarrenraucher, Freund guter Weine und in Wien täglicher Kaffeehausbesucher.

Zum 150. Geburtstag, 1983, spendierte die Post Johannes Brahms eine Sonderbriefmarke. Erst 1997 legte Hamburg nach. Der nach dem Dirigenten Karl Muck benannte Platz vor der Laeiszhalle wurde umbenannt. Damit hatten die praktischen Hanseaten zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Brahms wurde geehrt, und der Hitlerverehrer Muck verschwand aus dem Stadtplan.

Brahms und Hamburg

Obwohl Brahms seine großen Erfolge in Wien feierte und er in Hamburg beruflich keinen Erfolg hatte, hing er sein Leben lang an seiner Heimatstadt. „Ich bekomme Sehnsucht, wenn ich recht an Hamburg denke, und fühle mich immer in gewisser Weise besonders glücklich, wenn ich dort bin, und laufe auf den altbekannten Wällen und in den Straßen umher ...“ Als die Cholera in Hamburg wütete, spendete der inzwischen vermögende Komponist großzügig für seine Vaterstadt. Vier Jahre vor seinem Tod besuchte er seine Geburtsstadt letztmalig. Sein Verhältnis zu Hamburg wird häufig mit einer tiefen, unerfüllten Liebe verglichen. Belegt ist die lebenslange enge Verbundenheit zu seiner dort lebenden Familie, die ganz besonders seine nur neun Jahre ältere Stiefmutter Karoline mit einschloss.

Brahms und die Frauen

„Ich liebe Dich, ich muss Dich wiedersehen! Aber Fesseln tragen kann ich nicht.“ So beendete Brahms 1868 seine Kurzzeitverlobung mit Agathe von Siebold. Wer so etwas schreibt, scheidet als Heiratskandidat aus und lebt zukünftig „frei, aber einsam“. Als „die“ Frau im Leben des Komponisten gilt Clara Schumann. 14 Jahre älter und Mutter von sieben Kindern.  Seine Briefe an sie spiegeln das wider:  Über „verehrte Frau, theuerste Freundin, innigst geliebte Freundin“ steigert sich die Zuneigung in „meine geliebte Clara, ich möchte, ich könnte Dir so zärtlich schreiben, wie ich Dich liebe, in einem fort möchte ich Dich Liebling und alles Mögliche nennen. […] Deine Briefe sind mir wie Küsse.“ Ob Brahms oder die Witwe des Komponisten Robert Schumann eine durchaus mögliche Ehe anstrebten, ist nicht belegt. Später, 1868, verliebt sich Brahms in Julie, die dritte Tochter Clara Schumanns, die seine Liebe nicht erwiderte. Obwohl etliche Frauen den Lebensweg des Komponisten kreuzten, kam es zu keiner Verbindung. In seinem Nachlass fand sich eine Sammlung von Fotografien dieser Frauen. Eine trägt auf der Rückseite diese Einladung: „Ist das Original / nicht vergessen u. wollen Sie / eine alte Bekanntschaft / erneuern, so finden Sie es: / Wieden. In der 13, / 1. Etage. / Thüre 4. / Wien, 16. Juni 1870. / Besten Gruß an / Maëstro Brahms.“ Ob Brahms an „Thüre 4“ geklopft hat?

„... Ab seinem 50. Lebensjahr nahm seine Leibesfülle zu ...“ Er reagierte mit salopper Kleidung. Das Doppelporträt ist 1894 auf der Veranda der Ischler Villa (des Walzerkönigs Johann Strauss Sohn) entstanden. Beide Künstler könnten kaum unterschiedlicher sein: Verglichen mit dem weltmännischen Strauss, der sich jugendlich-dynamisch gibt und mit modischem Rock, Weste und schneidiger Bügelfaltenhose die schlanke Figur betont, erscheint der 61-jährige Brahms bereits vor der Zeit ergraut und wie in Sackleinen gehüllt, um die Körperfülle mehr schlecht als recht zu verbergen. Umso erstaunlicher, dass Strauss acht Jahre älter als Brahms ist. © Brahms-Institut

Brahms und die Männer

Obwohl sich der Künstler selbst gelegentlich als „Abseiter“ bezeichnete, war er kein Einzelgänger, sondern pflegte gesellschaftliche und freundschaftliche Kontakte. Eine enge Freundschaft verband ihn mit dem auf Rügen geborenen Chirurgen Theodor Billroth der auch ein begabter Pianist und Violinist war. Ein gutes Verhältnis pflegte er auch zum Walzerkönig Johann Strauss (Sohn). Ihn bewunderte er für dessen Einfallsreichtum. Besonders diplomatisch im Umgang soll Brahms nicht gewesen sein. Überliefert – wenn vielleicht auch frei erfunden – ist Brahms’ Abschiedsgruß aus einer geselligen Herrenrunde „Ich gehe jetzt – bei denen, die ich heute vergessen habe zu beleidigen, möchte ich mich ausdrücklich entschuldigen!“ Nichts hielt Brahms von Richard Wagner – noch weniger von Anton Bruckner. „Alles hat seine Grenzen, Bruckner liegt jenseits. Über seine Sachen kann man gar nicht reden. Über den Menschen auch nicht. Er ist ein armer verrückter Mensch, den die Pfaffen von St. Florian auf dem Gewissen haben.“ Bruckner urteilte höflicher: „Er ist der Brahms – allen Respekt! Ich bin der Bruckner – aber meine Sachen sind mir lieber!“ Zeitweise gab es zwei musikalische Lager in Wien. Die Anhänger Bruckners spöttelten: „Wenn Brahms einmal so recht fröhlich ist, komponiert er bestimmt ein Werk mit dem Titel: Das Grab ist meine Freude.“

Doppelte Freude

Als Brahms am 6. April 1897 auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt wurde, lief eine Abordnung des Hamburger Senats im dreistündigen Trauerzug mit. Für Hamburg und alle Schiffe im Hafen galt Trauerbeflaggung. Seine Orden, die Brahms in einem Schuhkarton aufbewahrt hatte, wurden nun auf einem Samtkissen mitgeführt. Der Pastor der evangelischen Gemeinde Wiens pries den Verstorbenen als „Hohenpriester im Heiligtum des wahrhaft Schönen“ – weitere Superlative, über die Brahms vermutlich gelästert hätte – wurden bemüht. Doch das Grab, in das der Sarg bei Fackelschein und Gesang gesenkt wurde, war nur ein Provisorium. Brahms wurde noch einmal umgebettet. Die ewige Ruhe fand er erst einige Wochen später in einem Ehrengrab – ganz nahe bei Beethoven und Schubert. Auch Brahms Eltern zogen nach ihrem Tod um. Nachdem der Kirchhof der St. Michaelisgemeinde aufgehoben wurde, fanden sie auf dem Friedhof Ohlsdorf ihre letzte Ruhe.

Lieben Sie Brahms?

... nannte die Französin Françoise Sagan 1959 ihren seinerzeit gefeierten Roman, dessen Verfilmung mit Ingried Bergmann musikalisch Anleihen bei gleich zwei Brahms-Symphonien machte. Die Handlung schildert die Beziehung zwischen einer älteren Frau und einem jüngeren Mann. Es liegt nahe, dass Sagan damit indirekt auf die „unvollendete“ Verbindung des jungen Brahms mit Clara Schumann einging. Auch im familiären Umfeld des Komponisten gab es eine verehrte ältere Frau. Nach dem Tod der leiblichen Mutter des Tonkünstlers heiratete sein Vater erneut. Seine Wahl fiel auf  die 17 Jahre jüngere Witwe Caroline Luise, verwitwete Schnack (1824–1902). Diese nur neun Jahre ältere Frau wurde für Johannes Brahms zum Kristallisationspunkt seiner Familie. Nach dem Tod des Vaters schrieb er an sie: „Nun sei denn recht von Herzen gegrüßt, meine liebe Mutter ... so glaube nun, dass ich Dir immer und allzeit in treuer und dankbarer Liebe angehören werde.“ Brahms machte nicht nur Worte. Mit hohen Überweisungen ließ er seine Familie an seinen Erfolgen teilhaben.

In unmittelbarer Nachbarschaft des Brahmsgrabes gab es am 9. Mai 2015 einen Zuzug: Udo Jürgens. Auf seinem Grab steht ein zugedeckter Flügel.

Täglich Brahms

Selbst wer es ansonsten nicht so mit klassischer Musik hat, kommt als Freund des „Hamburg Journals“ nicht an Brahms vorbei. Dessen Erkennungsmelodie ist der Sinfonie Nr. 1 in c-Moll von Johannes Brahms entnommen. Wer die Frage: „Lieben Sie Brahms?“ für sich mit „Ja“ beantwortet, sollte einen Besuch der von Johannes Brahms innig geliebten Familie auf Ohlsdorf einplanen. Das Grab der vom Komponisten so verehrten Stiefmutter ist leicht zu finden. Gleich am Haupteingang links neben der hoch aufragendem Christusfigur steht ein Hinweisschild. Brahmss Eltern und Geschwister liegen hinter der Kapelle 10, wo nach wenigen Schritten zwischen einem Findling und einer Linde ein Weg abgeht. Wer ihm folgt wird nach circa 200 Metern rechts einen stattlichen Ahornbaum aus einer gestutzten Rhododendronreihe ragen sehen. Gleich hinter dem Baum liegt rechts das Familiengrab, in dessen Mitte ein Kreuz steht.

So wie auf seinem Grabstein in Wien ist Johannes Brahms vielen Musikfreunden vor Augen. Die fast unvermeidliche Zigarre fehlt hier natürlich.

Und noch mehr Brahms:

Brahms Museum: Villa Eschenburg, Jerusalemsberg 4, 23568 Lübeck

Samstag, 23. April, 15 Uhr Musik im Museum mit Joachim Reinhuber, Klavier
Parallel zum Konzert ist die aktuelle Ausstellung „Beziehungszauber“ für das Publikum geöffnet. Bereits ab 14 Uhr lädt der Wintergarten der Villa Brahms mit Kaffee und hausgemachten Kuchen zum Verweilen ein.

Tickets gibt es ab sofort bei allen Vorverkaufsstellen von Lübeck-Ticket und online: www.luebeck-ticket.de

Digitale Angebote: www.brahms-institut.de Johannes Brahms „Beziehungs-Zauber“.

Und ab 3. April: Brahms in 125 Sekunden. Zum 125. Todestag von Johannes Brahms: neue Video-Reihe des Brahms-Instituts Johannes-Brahms-Gesellschaft Hamburg

Am 3. April 2022 wird das runderneuerte Brahms-Museum in der Peterstraße 39 feierlich wiedereröffnet.

Bereits am 2. April gibt es um 18 Uhr ein Brahms-Konzert in der Martin-Luther-Kirche in HH-Alsterdorf u. a. mit der 16-jährigen Lisa-Marie Ramm aus Hamburg-Bramfeld (Gesang, Gewinnerin von The Voice Kids 2020), ihrer Freundin Floraline Spallek (Mezzosopran) sowie dem Hamburger Pianisten Matthias Kirschnereit (Präsident des Johannes-Brahms-Gesellschaft). Eintritt frei – Spenden erbeten.

Familienbesuch auf Ohlsdorf, am 23. April
Petra Schmolinske vom Förderkreis Ohlsdorfer Friedhof lädt um 14 Uhr zu einem ca. zweistündigem Rundgang zu den Gräbern der Familie Brahms und Persönlichkeiten aus seinem Umfeld ein. Treffpunk: Rückseite des Verwaltungsgebäudes Fuhlsbüttler Straße 756. Anmeldung: Brigitte Wolf, Tel.: 0176/74 17 94 15 oder fuehrungen@fof-ohlsdorf.com, Kosten: € 7,–.

 

F. J. Krause © SeMa

 

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