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Im Zug der Gelassenheit

Im Moorexpress von Bremen nach Stade geht es gemütlich zu – Nostalgie statt Tempo ist angesagt!

Natürlich darf dem Lokführer, der
mit im Abteil sitzt, bei der Fahrt auch über die Schulter geschaut werden.

Nun mal immer mit der Ruhe. Was wie die Ermahnung an einen Hektiker anno 2022 klingt, ist im historischen Moorexpress eher Prinzip. Der nostalgische rote Triebwagen, der nicht nur Senio-ren mit sehnsüchtigem Blick in die Vergangenheit  oder Naturfreunde in der Saison regelmäßig zwischen Bremen und Stade auf der Trasse durch das Teufelsmoor transportiert, passt sich gemütlich der Landschaft und den Menschen an. Das Senioren-Magazin (SeMa) hat sich mit entschleunigen lassen, durfte auf einer Fahrt die Atmosphäre jenseits von Stress, Zeitdruck und Maximierung spüren.

Bremen Hauptbahnhof, mittags gegen zwölf Uhr. Geschäftsleute hetzen zu ihrem ICE, die Rolltreppen sind leicht überfüllt, und eine Horde Touristen fragt nach der Richtung zum Roland. Aber was ist das, auf Gleis zehn scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Dort nämlich nähert sich gemächlich ein Fahrzeug, das so gar nicht ins Bild passt. Im Tempo eines mittelschnellen E-Bikes steuert der rote Moorexpress auf die Gruppe Senioren zu, die auf das Vehikel, das  aus alten – nämlich ihren – Zeiten stammt, wartet. Schon beim  Sturm auf den roten Oldtimer wird klar: Keine Klimaanlage, keine Komfortsitze, und der Zugführer sitzt auch mit bei den Gästen. In der Ecke ein paar Kisten Moorbier, eine Toilette, in der breit gebaute Herren den Bauch einziehen müssen, um sie betreten zu können, und ein schick gekleideter Schaffner zeugen davon, dass es heute einmal anders laufen wird. Bei der Fahrt mit dem Moorexpress nach Stade ist sicher: Niemand wird vom Tempo aus dem Zug gezogen werden. Eng ist es schon – aber das war es damals auch.

Was heißt damals? Der rote „Renner“ ist schon seit mehr als einem Jahrhundert im Teufelsmoor unterwegs. Anlässlich der Weltausstellung Expo 2000 war es dann soweit: Der Moorexpress wurde reaktiviert, zunächst wurden Bremervörde und Osterholz-Scharmbeck verbunden. Das aber war erst der Anfang: Ein Jahr später stand die Verbindung nach Stade, fünf Jahre danach war Bremen dran. Seitdem vergnügen sich Junggesellenabschieds-gruppen, Kegelclubs, Radfahrer (siehe Nebentext), Nostalgiker, Naturfreunde und alle anderen, die nicht unbedingt Geschwindigkeit zum Leben brauchen, auf den alten Stoffbänken mit dem Muster von anno dazumal.

Und so nimmt der Moorexpress-Gast dann auch in Kauf, wie es ist. Ab Juni kann es schon mal sehr heiß im Zug werden, die Toilettenkammer könnte man dann durchaus als Sauna bezeichnen, und ein Ort der Stille wird der ratternde Zug auch niemals werden. Die Rehe und Wildvögel an der Strecke stört es nicht: Sie haben sich an den Moorexpress und seine Gäste gewöhnt. Und sie können auch sicher sein: Ein ICE im Höllentempo wird hier niemals mehr vorbeikommen.
Klar, die Fahrt nach Bremen und Stade dauert dann auch ohne mögliche Stopps in Bremervörde, Worpswede oder Gnarrenburg fast 2,5 Stunden. Das Moorbier kann also langsam getrunken werden, denn Zeit ist ohnehin nicht das Problem, das Gäste der Moorbahn  haben. Die Hektik anno 2022 kommt schon ganz von selbst wieder, aber ein Shoppingbummel in Stade hat doch auch was. Und irgendwann darf man dann wieder in den Urlaub vom Stress – vielleicht im alten Moorexpress.   

Ein bisschen eng ist
es schon im Oldtimer.
Dafür umso gemütlicher  – und der Blick in die Natur entschädigt.

Infos und Kontakt

Vorverkaufsstellen sind alle Touristen-Informationen von Bremen bis Stade. Fahrkarten gibt es allerdings auch ohne Aufpreis im Zug. Eine Reservierung in Stoßzeiten ist ratsam, auch wenn Fahrräder mitgenommen werden sollen, ist eine Vorreservierung besser.
Alle anderen Informationen zu Buchungen etc. gibt Moorexpress-Managerin Anne Oberwemmer: Tel.: 0162-2378501 bzw. E-Mail: anne.oberwemmer@evb-elbe-weser.de
Infos im Internet unter www.moorexpress.de

23 Haltestellen und jede Menge Natur

Der Moorexpress kann an insgsamt 23 Haltestellen zwischen Bremen und Stade halten – was sich auch anbietet, um sich die Füße zu vertreten. An Bord werden auf Wunsch Getränke (Moorbier!!!) und Snacks verkauft, eine Toilette ist an Bord. Es gibt je nach Fahrtlänge fünf Preisstufen von vier Euro bis 15 Euro. Auch für Kinder, Familien und Gruppen gibt es Sondertarife.

Sind Radwaggons in den Zug integriert, können natürlich auch Fahhräder mitgenommen werden, in Stade besteht sogar ein Anschluss an den Elbe-Radwanderbus. Auch eine Torfkahn-Fahrt in Verbindung mit dem Moorexpress ist ab dem Haltepunkt  Osterholz-Scharmbeck möglich. Der Sommerfahrplan ist vom 1. Mai bis 3. Oktober gültig. Es gibt ihn in allen Tourismus-Informationen der Gegend und beim Moorexpress-Management (siehe Info-Kasten).

„Einfach toll, die Natur so zu genießen“
Senioren-Stimmen nach einer Moorexpress-Fahrt:

Elsbeth Fischer (71, Hamburg): „Natürlich war die Fahrt etwas laut. Aber dass dieser alte Zug überhaupt noch so läuft, ist schon eine tolle Sache.“
Monika Hartwig (78, Hamburg): „Die ganze Fahrt war wirklich beeindruckend. Wo sieht man noch in solch einer nostalgischen Art so viel Natur?“
Renate Brahmst (80, Hamburg):  „Es war einfach toll, die Natur auf so langsame und gemächliche Art genießen zu können. Für mich war das ein ganz besonderes Erlebnis.“
Klaus Karkmann © SeMa

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