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Hart für Quittjes

Hein Köllisch un sien Pingsttour in dat Rodenbeker Quellndol

Während die
Wildschweine des Quellentals nachtaktiv sind, wagen sich die Mäuschen tagsüber ungeniert hervor, um Spaziergänger zu betrachten und eventuell etwas vom Picknick zu erhaschen.

Zugezogene müssen nun ganz stark sein. Denn die Lektüre der Pingsttour von Hein Köllisch, der vor 120 Jahren in Rom starb, ist eine echte Herausforderung – sogar für Hamburger! Da der Mensch aber mit seinen Aufgaben wächst, bietet das SeMa in dieser Ausgabe den Ausflug ins Rodenbeker Quellental in Originalsprache und ganzer Länge. Und nur Mut: Der Vater Hein Köllischs war ein aus Augsburg Zugereister – sein Sohn brachte es mit Plattdeutsch in Hamburg ganz nach oben.
Gesungen im Internet abrufbar.

Möchten Sie das Couplet lieber vorgesungen bekommen? Hier der Internetlink: www.youtube.com/watch?v=Eumus5N7Kq8

Ob der Vortragende Hein Köllisch selbst ist, darf bezweifelt werden, denn der Spezialist für Hamburgs Kulturgeschichte um 1900, Professor Paul Möhring (1890–1976), war davon überzeugt, dass Köllisch seinen Text der Melodie des Liliencrons-Gedichtes „Die Musik kommt“ von Oscar Straus unterlegt hat. Und die hört sich anders an.

Etwas zurückgezogen, so wie auf einer Bühne, steht der Grabstein von Hein Köllisch, der vor 120 Jahren in Rom starb.

Hamburger Karrieren

Heinrich Köllisch wurde am 19. September 1857 in Hamburg geboren, dort, wo sein Vater mit großem Erfolg selbst hergestellte Schuhwichse in Flaschen verkaufte. Das war am Paul-Platz auf St. Pauli. Heute trägt der Platz Hein Köllischs Namen. Um die Schuhwichse machte er einen Bogen, wurde Schlosser und verbrachte die Wandergesellenzeit in Süddeutschland und der Schweiz. Nach dem Tod des Vaters holte ihn die Schuhwichse ein. Gesungen wurde im Freundeskreis in der Eckkneipe. Damals wurden die Gäste nicht mit Konserven beschallt, sondern sangen, wenn ihnen danach war, selbst. Sangen in der Kneipe wie auch bei der Arbeit.

Ob Köllisch beim Zusammenrühren seiner Schuhwichse gesungen hat, ist nicht überliefert. Aber gleich zwei Hamburger Kutscher, Theodor Wachtel (1823–1893) und Heinrich Friedrich Bötel (1854–1938), schafften es mit Freizeitgesang vom Hauptberuf Kutscher auf die Opernbühnen. Wenn Bötel in seiner Paraderolle als „Postillon von Lonjumeau“ mit der Peitsche knallte, tobte das Hamburger Publikum vor Begeisterung.

Mit Platt nach oben

Die plattdeutschen Lieder und schrägen Couplets des Schuhpflegespezialisten fielen dem Inhaber einer St.-Pauli-Vergnü-gungsstätte auf. „Im siebten Himmel“ hieß das Etablissement. In dem konnte sich auch Hein Köllisch fühlen, denn er bekam gleich ein monatliches Honorar in Höhe von 300 Reichsmark. Zum Vergleich: Ein Hafenarbeiter erhielt 1892 drei Reichsmark pro Tag; bei 15 Stunden Arbeit! Von da an ging’s voran. Bereits 1894 eröffnete Hein sein eigenes Thea-ter am Spielbudenplatz – ganz selbstbewusst nannte er es „Hein Köllischs Universum“, später „Köllischs Lachbühne“ Hier stand er Abend für Abend auf der Bühne und brachte eigene Texte zu populären Melodien aus Wien zu Gehör. Selbstverständlich auf Platt und immer im Frack und Zylinder. Das Publikum liebte ihn, und er liebte sein Publikum. Doch der Erfolg hatte auch seinen Preis. Die täglichen, oder besser gesagt nächtlichen Auftritte unterminierten seine Gesundheit. 1901 trat er mit seiner Frau Marie eine Erholungsreise nach Italien an.

So sah der Spielbudenplatz um 1900 aus – hier stand auch „Hein Köllischs
Universum“, die spätere „Köllischs Lachbühne“, die von den Bomben des
2. Weltkriegs zerstört wurde.

Foto © Wikipedia

Tod in Rom

In Rom zog er sich eine Lungenentzündung zu und starb mit nur 43 Jahren – vor 120 Jahren, am 18. April 1901. Er blieb nicht, wie so viele andere Romreisende früherer Jahre, in Rom. Nicht wie August von Goethe oder der Hamburger Gottfried Semper. Heinrich Köllisch wurde nach Hamburg überführt. Für den Leichenzug nach Ohlsdorf mussten Straßenbahnen umgeleitet werden. Auf Ohlsdorf ruht er noch heute. Gleich am Eingang weist der segnende Christus den Weg nach links. Bei der ersten Abzweigung rechts stößt der Besucher auf das Grab des „Kult-Models“ Maxi Ebelseder, die 2005 starb. „Weint nicht, weil es vorbei ist, lacht, weil es „so schön war“ steht auf dem Stein. Der Satz – natürlich auf Platt – hätte auch zu Hein Köllisch gepasst.  Wenige Schritte von Maxi entfernt öffnet sich die grüne Bühne für Hein Köllisch. Natürlich auch hier, bei seinem letzten Auftritt, in Frack und Zylinder. Wer neugierig geworden ist auf das Hamburg der „Pingsttour“ und das Publikum in Hamburg um 1900, der sollte zu Willi Bredels Buch „Die Väter“ greifen. Im Moskauer Exil beschreibt der Autor liebevoll die Welt der kleinen Leute in Hamburg, eines Publikum, das Köllisch ganz besonders am Herzen lag. 

Nicht nur Pfingsten

Ausflüge mit der ganzen Familie sind auch heute noch beliebt. Ob sie wie bei Köllisch bereits um sechs Uhr in der Frühe beginnen, kann bezweifelt werden. Unstrittig dagegen ist, dass ein besonders reizvolles Ziel früher wie heute das Rodenbeker Quellental ist. Ein Vorteil heute – Proviant, Köm und Bier müssen nicht unbedingt mitgebracht werden. Denn seit 1920 heißt das wunderschöne Gasthaus Quellenhof seine Gäste im Naturschutzgebiet Rodenbeker Quellental willkommen. Selbst in Corona-Zeiten: Freitags von 12 bis 18 Uhr und am Wochenende von 10 bis 18 Uhr sichert ein Außer-Haus-Marktstand das Überleben der Ausflügler ohne mitgebrachten Proviant.   

Bevor die Bäume im Rodenbeker Quellental Laub tragen, sind es die Buschwindröschen, die sich am Boden breit machen.

De Pingsttour

To Pingsten, ach wie scheun – wenn de Natur so greun, un all’ns na buten geiht, dat is een wohre Freid! besünners vör de Göörn – de heurt man räsoneern: Weur Pingstn doch erst bloß – denn goht wie los! Kümmt nu Pingstobend ran – denn geiht’n Leben an, de Mudder seept de Görn – vun achtern un vun vörn, sünds wuschen nu un kämmt – denn kreegt se’n reinet Hemd, un denn geiht mit Gejuch – rin in de Puch! De Vadder nu ton anner’n Morg’n – deit sick mit Proviant versorg’n: Eier, Käs, Wust un Schinken – ook Verschiedenerlee to Drinken. Dormit keen Minsch de Tied verslopt – treckt he noch den Wecker op, un anner’n Morgen gegen soß – dor schippert los de Troß.

De Vadder geiht voran – een witte Maibüx an, sien Jung kummt in de Mitt – natürlich ook in Witt, dorbi hebbts op den Kopp – een fien’n Strohhoot op, all’ns sauber un mit Schick – grood wie gelickt. Un nu kummt achterher – mit’t allerlüttste Göör, in groot’n Kinnerwog’n – de Mudder angeschob’n. De Dochter mookt den Sluß – stolt, voller Hochgenuß, in Arm mit ehren Freier – een Piependreiher. Een jeder, wehrnd se nu marscheert, op eeg’ne Fuust sick amüseert: De Vadder vör, de kippt sick een – de Jung dor achter grapst Sireen, de Mudder mutt so in’ Gedräng’n – den Lüttsten öfter dreug mol legg’n, dat Liebespoor kummt achterher, de snackt von em un ehr.

So geiht’t bitt Quellndol – dor leggt man sick nu dohl in’t scheune weeke Moos – nu geiht dat Futtern los. Een jeder matt un meud – langt no de Bodderbreud, se fallt doröber her – grood as so’n Bär. Dormit dat beter rutscht – ward ut de Buddels lutscht, de Vadder un de Söhn – de hollt sick an den Kööm, un ook de Piependreiher – is op den Buddel Freier, de Dochter un de Froo – mookt’t ebenso. Bi lütt’n ward de Krom fidel – man heurt jem sing’n ut vuller Kehl: vun Edelweiß, de Wacht am Rhein, de Fischerin un Komm’ Se rein! De anner Siet de blarrt jedoch: Lebt denn meine Male noch? Im Grunewald ist Holzauktion! Un denn noch Revolutschon.

Op eenmol, wie gemeen – ehr eener sick versehn, dor kummt vun boben dohl – een Regen kollosol! De ganze Minschenschwarm – de kummt nu in Marm, de Froonslüd kriescht un jucht – de Mannslüd flucht. De Vadder springt nu op – glitscht ut unfallt dorop grood op den Kinnerwogen – de kippt un fallt in Groben. He mit sien witte Büx – recht in so’n deebe Pfütz, mitsamt dat lüttje Göör – wat een Malheur! Een jeder socht nu Schutz to finn’, de Minschen rennt dorch dick un dünn, de Mäkens un de Froons vorop mit all’ de Röck’ hoch boben Kopp. De Anblick is sehr int’ressant! Worum, dat liggt klor op de Hand: Bi sowat kriggt man, wie ick meen, Verscheedenerlee to sehn.

Na endlich, no den Suus – dor geiht dat nu to Huus, de Vadder un sien Söhn – sünd nüdlich antosehn, de scheune witte Büx – süht ut wie Stebelwix, de Strohheud sünd so slapp – wie oles Papp. De Brögam un de Brut – de seht erst lecker ut! De harr’n, wat sull’n se mooken – sick beid’ in’t Hei verkropen. Dat allerlüttste Göör – weur dorchnatt dör un dör, de Mudder weur so natt – as wie so’n Katt. De een schuwt achtern annern her grood wie de Geus, se könt nich mehr! Un dorbi alle Ogenblick verswind mol eener achtern Knick. Grood wie gerädert un half dood kummt se denn endlich an de Bood. So ward in Hamborg Pingst’n fiert un sick fein amüsiert.

 

Text und Fotos F. J. Krause © SeMa

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