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Gesund alt werden

Wie regelmäßige Freizeitbeschäftigungen dabei helfen, möglichst lange selbstständig zu leben

Bei den Proben des Tanks Theaters in Norderstedt: Peter Jonsson (l.) und Ingrid Löbel.
Foto: Corinna Chateaubourg

Seit sechs Jahren ist der Schnelsener Peter Jonsson beim Ensemble des Norderstedter Tanks Theaters als Schauspieler mit von der Partie. Inzwischen ist er 81 Jahre alt und freut sich immer wieder, in neue Rollen zu schlüpfen und dafür Applaus zu bekommen. Vor seiner Zeit als Bühnenkünstler hatte er sich vor allem beim Polizeichor und beim Operettenchor Hamburg engagiert und sich ebenfalls um einen eigenen Shanty-Chor  gekümmert. Als die Anfrage vom Tanks Theater kam, hat er kurzerhand die Rolle eines ausgefallenen Kollegens angenommen. Von den zeitaufwendigen Proben und Auftritten mit den Chören verabschiedete sich Jonsson dann.

„Es war der Mehlmann im Stück „Kurhaus Dieksiel“, erinnert sich Jonsson an seine erste Rolle. „Mittlerweile habe ich beim Tanks Theater viermal mitgespielt“, so Jonsson. Zuletzt habe ich den Postboten bei ‚Jens Petersen kriggt Besök‘ dargestellt.“

Es sei immer sehr aufwendig, den Text zu lernen, berichtet der schauspielende Senior. „Den Text lerne ich abends vorm Zubettgehen. Dann habe ich ihn irgendwann drauf. Und wenn ich nachts aufwache, nehme ich das Drehbuch und schau noch mal nach“, verrät er seine Methode für das Einstudieren der Texte. Einmal habe er im Musical „Anatevka“ die Hauptrolle gehabt. Für seine Rolle als Milchmann Tevje musste er 80 Seiten Text lernen. „Wiederholen, wiederholen, wiederholen“, beschreibt er sein Textstudium. Für Menschen, die noch unbedarft seien und noch nie Theater gespielt hätten, sei der Einstieg möglicherweise nicht so einfach, sagt Jonsson. Für ihn spiele aber auch der Spaß, der Zusammenhalt und die familiäre Situation bei den Proben und Auftritten mit dem Theater-Ensemble eine große Rolle.

Seit 30 Jahren „wie eine Familie“: das Ensemble des Tanks Theaters in Norderstedt. Foto: Corinna Chateaubourg

„Mir gefallen die lieben Menschen hier“ (Löbel)

Das Familiäre spielt auch für Ingrid Löbel eine große Rolle. Sie ist schon seit 30 Jahren beim Tanks Theater Norderstedt. Durch ihre Tochter kam zuerst ihr damaliger Mann und später auch sie selbst zu der plattdeutschen Norderstedter Theaterformation. Los ging es mit dem Saaldienst: „Bei uns ist der Saaldienst etwas Besonderes: Wir haben Kaffee und Kuchen im Theater. Man muss die Besucher an die Tische bringen und auch ein bisschen Plattdeutsch mit ihnen schnacken“, so die 85-Jährige. Sie ist dabei, ohne auf die Bühne zu müssen. Und dennoch: „Ich bin bei zwei Stücken auf der Bühne gewesen“, erinnert sich Löbel. Es seien kleinere Rollen – einmal als Zitronenjette und einmal als erboste Ehefrau – gewesen, erinnert sie sich. Ihr gefallen die Atmosphäre beim Tanks Theater, „die lieben Menschen hier“ ganz besonders. „Wir sind hier wie in einer Familie“, sagt sie. Früher habe sie auch bei der Dekoration geholfen oder Kostümegeändert. „Es ist genug Arbeit dabei. Wir bauen die Kulissen selbst und dabei kann man sich immer einbringen“, so Ingrid Löbel. In Schnelsen wohnt sie seit zwei Jahren, vorher habe sieseit 1943 in Niendorf gelebt. Inzwischen sind Löbel und Jonsson ein Paar.

Forschungskoordinatorin,
Schwerpunkte Public
Health und Medizinische
Geographie, an der
Medizinisch-Geriatrischen
Klinik im Albertinen-Haus:
Dr. Ulrike Dapp. Sie selbst
singt übrigens im Albertinen-
Mitarbeiter-Gospel-Chor.
Foto: Immanuel Albertinen Diakonie

„Wir sehen eine große Bandbreite an regelmäßigen Freizeitbeschäftigungen, die den älteren Menschen große Freude bereiten und ihnen guttun.“ (Dapp)

Dass die Beschäftigung mit körperlichen, aber auch kulturellen Aktivitäten sehr gut für ein gesundes Altern ist, betont Dr. Ulrike Dapp, Forschungskoordinatorin mit den Schwerpunkten Public Health und Medizinische Geographie an der Medizinisch-Geriatrischen Klinik am Albertinen-Haus in Schnelsen. „In unserer Langzeitstudie LUCAS begleiten wir mehr als 3.300 ältere Menschen in Hamburg bei ihrem Älterwerden, um das normale Altern besser zu verstehen. Hierbei erfragen wir auch in regelmäßigen Abständen, ob und wie häufig körperliche und kulturelle Aktivitäten ausgeübt werden und ob diese Hobbys alleine oder gemeinsam mit anderen durchgeführt werden. Wir sehen eine große Bandbreite an regelmäßigen Freizeitbeschäftigungen, die den älteren Menschen große Freude bereiten und ihnen guttun“, so Dapp. Dies gelte auch angesichts möglicher schmerzvoller Erfahrungen oder Verluste im Lebensverlauf. „Durch gezielte Maßnahmen wie das Programm ‚Aktive Gesundheitsförderung im Alter‘, das wir in unserer Langzeitstudie LUCAS entwickelt und wissenschaftlich überprüft haben, können schleichende Verschlechterungen frühzeitig erkannt beziehungsweise kann diesen vorgebeugt werden. Wir nennen dies ‚Pro-Ageing‘.“

Die regelmäßige Beschäftigung mit der Schauspielerei macht Senior Peter Jonsson große Freude. Dabei sei die Bühne für ihn das Wichtigste, sagt er. Auf den Geschmack ist er als Solist beim Polizeichor gekommen. „Es ist wieder sehr schön, wenn man den Applaus bekommt. Bei einem Auftritt im CCH hatten wir einmal 3000 Besucherinnen und Besucher. Das ist schon gewaltig, wenn die einem dann Beifall geben. Davon zehre ich“, so der 81-Jährige.

Hilft beim Saaldienst und der Requisite: Ingrid Löbel. Foto: Corinna Chateaubourg

Was zählt, ist die individuelle Motivation

Die Gründe dafür, auch spät ein kulturelles Hobby aufzunehmen, beschreibt die Expertin Dapp so: „Bleiben Sie neugierig und offen für Neues. Das erweitert Ihren Horizont und hält Sie geistig jung. Lernen Sie zum Beispiel eine neue Sprache, das ist ‚Futter‘ für Ihr Gehirn und eine tolle Herausforderung. Oder versuchen Sie sich einmal an einem Sudoku, das fördert Ihr logisches Denken, anstatt aus dem Altgedächtnis Begriffe für ein Kreuzworträtsel abzurufen.“

Dass es niemals zu spät ist, damit zu beginnen, eine Sprache oder ein Instrument zu lernen oder eben auch Theater zu spielen, ist ein weiteres Ergebnis der LUCAS-Studie. Dazu Dr. Ulrike Dapp: „In unserer Studie haben wir keine Belege gefunden, dass das Sprichwort ‚Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr‘ stimmt. Was zählt, ist die individuelle Motivation. Warum möchte ich etwas Neues lernen? Wenn die Motivation vorhanden ist, dann finden sich auch Mittel und Wege, diesem Hobby nachzugehen. Da sind die älteren Menschen unglaublich kreativ und lebenserfahren.“    

Bei den Proben des Tanks Theaters in Norderstedt: Peter Jonsson (l.) und Ingrid Löbel. Foto: Corinna Chateaubourg

Bei der LUCAS-Studie ist das Thema „Wie wird man gesund alt“ Forschungsschwerpunkt. Dabei werden ältere Menschen direkt danach gefragt, was gesundes Altern ist. Dazu haben diese ganz konkrete Vorstellungen:

1. Selbstständig bleiben, also ohne fremde Hilfe den Alltag meistern.
2. Gesund bleiben, also geistig klar bleiben und ohne einschränkende körperliche Beschwerden.
3. In der selbst gewählten Wohnform leben, also nicht ungewollt im Alter umziehen müssen.
4.  Gefragt bleiben, also soziale Kontakte pflegen, Aufgaben haben und eingebunden sein.

Die Menschen können selber vieles dazu beitragen, gesund alt zu werden. Neben der regelmäßigen Teilnahme an medizinischen Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen ist es ein gesundheitsförderlicher Lebensstil, der verschiedene Komponenten umfasst, die alle miteinander in Wechselwirkung stehen und deshalb alle berücksichtigt werden sollten. Die Komponenten sind Bewegung, Ernährung und das soziale Miteinander.

Körperliche Aktivität verbessert Gehirnaktivität, Herzleistung, Atemvolumen, Kreislauf, Verdauung, Abwehrkräfte, Gleichgewicht und die Stimmung, senkt den Blutdruck lindert Schmerzen und erhält die Mobilität. Bei all diesen Vorteilen versteht man gut, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor einem überwiegend sitzenden Lebensstil warnt und diesen gleichsetzt mit den negativen gesundheitlichen Folgen des Rauchens. Eine ausgewogene, abwechslungsreiche und möglichst naturbelassene Ernährung deckt den Bedarf an Nährstoffen und Energie. Zur dritten Komponente, der gesellschaftlichen Teilhabe, zählen soziale Vorsorge, ehrenamtliches Engagement, Freizeitaktivitäten und Hobbys.

 

Corinna Chateaubourg © SeMa

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