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Für Hamburger und Quiddjes

... zu Fuß in die Vergangenheit!

Das Eintauchen in Hamburgs Geschichte führt auch unter der Hochbahn hindurch. Foto: Krause

Reisen, eine Lieblingsbeschäftigung der Deutschen – in Corona-Zeiten ist das fast unmöglich geworden. Heute müssen sich selbst Atheisten an die Aufforderung aus Psalm 37, 3 „bleibe im Lande und nähre dich redlich“ halten. Grenzen haben sich plötzlich aufgetan, deren Existenz seit vielen Jahren keine Rolle mehr gespielt hat. Nicht nur Länder, selbst Bundesländer senkten virtuelle Schranken.

Grenzen, die gab es früher auch im Zentrum Hamburgs. Der (alte) Mariendom bildete eine Enklave im Herzen der Stadt, die auswärtigen Mächten unterstand: seit dem Westfälischen Frieden 1648 dem (lutherischen) Erzbischof-Administrator von Bremen, ab 1715 dem Kurfürstentum Hannover. Erst mit dem Reichsdeputationshauptschluss 1803 gelang es der Hansestadt, diesen Stachel aus ihrem Fleisch zu entfernen. Der Dom wurde abgerissen – nicht umsonst sprach später der erste Direktor der Hamburger Kunsthalle, Alfred Lichtwark, von der „Freien und Abrissstadt Hamburg“. Weitere Grenzen fielen mit dem „Groß-Hamburg-Gesetz“. Durch dieses Gesetz wurde Hamburg mit Wirkung zum 1. April 1937 um die bis dahin preußischen Städte Altona, Harburg-Wilhelmsburg und Wandsbek sowie 27 Gemeinden und zwei Gemeindeteile aus den Landkreisen Stormarn, Pinneberg, Herzogtum Lauenburg, Harburg und Stade erweitert. Die Fläche der Stadt wuchs um 80 Prozent. Obwohl  das Wappen Hamburgs ein gschlossenes Tor zeigt, so waren  und sind die Tore immer offen, wenn das dem Erwerbssinn der Hanseaten diente. Tore wie das Ellerntor.

Kann das weg oder ist das nützlich?

Schon 1668 befand der Senat, dass diese Frage beim Ellerntor mit Nein zu beantworten sei und verfügte den Abriss. In Lübeck zeigt das Holstentor heute noch, welche archaische Wucht mittelalterliche Tore haben können. Rund 20 Tore hatte Hamburg im Laufe seiner Geschichte. In Platz – und Straßennamen leben sie weiter. Die spärlichen baulichen Reste, die der Hamburger Abrisswut entgangen sind – zum Beispiel die Millerntor-Wache, Wache am Steintorplatz – können mit dem Holstentor nicht mithalten. Dennoch findet der Lübecker Kartograf und Historiker Stephan Hormes, dass es sich lohne, nicht nur den Toren in der Geschichte der Stadt nachzugehen. Das meint er ganz wörtlich, denn seiner Anleitung „Spuren der Zeiten“ sollte man tunlichst zu Fuß folgen. Wer sich darauf einlässt, wird bekanntes Terrain mit anderen Augen sehen und Neues entdecken. Hormes hat Karten erarbeitet, die es ermöglichen gleich in mehrere Geschichtsschichten einzudringen. Unterstützt wird das Kartenwerk durch Vertiefungsangebote aus dem Internet und nicht zuletzt durch die Bereitschaft des Spurensuchers, seiner Fantasie freien Lauf zu lassen.

Millerntorwache, 1819/20 von Carl Ludwig Wimmel, dem erster Baudirektor Hamburgs errichtet. Foto ©  Alfred Toepfer Stiftung

Nur zwei Kilometer

Obwohl mit Hormes Kartenangebot grundsätzlich an vielen Stellen der Stadt in deren Geschichte eingetaucht werden kann, empfiehlt es sich, mit einem kurzen Spaziergang vom Millerntor zur Hammaburg erste „Tauchversuche“ zu machen. Heute kaum zu glauben, dass der vorgeschlagene Weg einmal die Hauptachse von Altona ins Zentrum Hamburgs war. Wer weisungsgemäß von der lauten Ludwig-Erhard-Straße (früher Ost-West-Straße) stadteinwärts in einen Fußweg abbiegt, befindet sich plötzlich fast in einer anderen Welt. Dem beschaulichem Wohnquartier folgt der Großneumarkt mit seinen zahlreichen gastronomischen Angeboten. Über den Alten Steinweg, vorbei am legendären Cotton Club, wird die nach dem Abriss des Tores als Steinbau errichtete Ellerntorbrücke erreicht. Wo einst eine Straßenbahn ratterte, führt nun der Fußweg in einen Neubau, den Fleethof. Aus diesem wieder aufgetaucht, geht es über den Graskeller unter der Hochbahn hindurch in die einstige Hauptgeschäftsstraße Großer Burstah. Weiter führt die Route über Große Bäckerstraße, Dornbusch, Rolandsbrücke und Domstraße zum Domplatz, der Keimzelle der Stadt.

Mehr als ein Navi

So hilfreich Navigationsgerät, Tablet oder Smartphone zur Orientierung auch sein mögen – nichts geht über gute Karten, deren Gebrauch zudem auch noch die grauen Zellen anregt. Karten, die außerdem vor Ort Geschichte zum Anfassen und Hinsehen bieten, gibt es nicht für jede Stadt. Aber für Hamburg.

Im Kalimedia-Verlag erschienen und im Internet unter www.storymaps.de systemtechnisch unterstützt, lädt Stephan Hormes dazu ein, sich in der Stadt auf den Weg zu machen und beim Gehen deren Geschichte neu zu entdecken. Zu bestellen sind die Karten „Spuren der Zeiten in Hamburg“ Teil 1 und 2 direkt beim Verlag www.kalimedia.de oder über den Buchhandel. Und – was auch immer Corona noch bescheren mag – in Hamburg gibt es keine Schlagbäume und Grenzen. Damit sind hier nicht nur die Gedanken frei!    

 

F. J. Krause © SeMa

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