Fritz Schumacher
... er prägte Hamburgs Stadtbild!

Jeder Zoll ein Herr – so sah einer der bekanntsten
Maler der Hamburger Sezession, Friedrich Ahlers-Hestermann (1883–1973), Fritz Schumacher. Das Bild hängt im Treppenaufgang der nach Schumacher benannten Schule in Langenhorn. Foto: Krause
Es gibt Berufe, die dazu angelegt sind, auch nach Jahrzehnten oder Jahrhunderten von erbrachten Leistungen und ihren Schöpfern zu künden. Der Beruf eines Architekten und Stadtplaners zählt eindeutig mit dazu. Selbst dann, wenn nicht jeder so weit geht wie Anton Pilgram (um 1460–1515), der noch heute sorgenvoll vom Fuß der Orgel in den Stephansdom schaut, oder Cosmas Damian Asam (1686–1739) der seit fast 300 Jahren heiter aus luftiger Höhe auf die Besucher der Klosterkirche Weltenburg niederblickt. Nicht nur sie haben – auch Fritz Schumacher hat ein Werk hinterlassen, dass es ihm am Ende seines Lebens ermöglichte, sich selbst in seinen Werken zu bemerken. Wer heute durch Hamburg geht, kann auch als Laie Schumachers Wirken erkennen.
Ausgerechnet ein Bremer
Das Verhältnis der beiden Hansestädte Hamburg und Bremen zueinander war nicht immer ungetrübt. Früher, weil der Sitz des Erzbischofs des Erzbistums Bremen-Hamburg in Bremen war. Und nach der Reformation der Hamburger Dom eine ungeliebte Enklave des Erzstiftes Bremen im Hamburger Stadtgebiet darstellte. Später verlagerte sich die Rivalität auf den Fußball. Dass Werder Bremen in der Ersten – der HSV seit Jahren in der Zweiten Bundesliga spielt, freut Bremer und schmerzt Hamburger Patrioten. Dennoch entschied sich der weitsichtige Hamburger Bürgermeister Johann Georg Mönckeberg (1839–1908), den in Bremen geborenen Fritz Schumacher 1908 nach Hamburg zu holen und ihn als Baudirektor mit der Planung der damals schon wachsenden Metropole zu beauftragen. Ganz bewusst setzte er bei der Berufung auf einen Architekten mit künstlerischen Ambitionen. Hamburg sollte nicht nur größer, sondern auch schöner werden.

Der Mönckebergbrunnen mit Straßenbahn um 1930. Nach dem Durchbruch der Mönckebergstraße durch die Gängeviertel der Hamburger Altstadt ergab sich bei den Einmündungen von Spitalerstraße und Lilienstraße ein kleiner dreieckiger Platz. Der ursprüngliche Plan war, hier ein Gebäude in Höhe der umge-benden Häuser von 30 Metern zu errichten. Schumacher hatte einen anderen Plan und schlug vor, es müsse hier „ein regelmäßiges Etwas von völlig anderen Verhältnissen und völlig anderem Typus als die ringsum stehenden Kontorhäuser“ gebaut werden. Quelle: Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg
Schumachers Weg nach Hamburg
Geboren am 4. November 1869 in Bremen, verbrachte der Sohn von Herrmann Albert Schumacher, einem Ministerresidenten des Deutschen Reiches, seine Kindheit in Bogotá und New York. Im Jahr 1883 kehrt die Familie nach Bremen zurück. Dort besuchte er das Gymnasium. Von 1889 bis 1896 Studium an der Technischen Hochschule München, Charlottenburg und wieder München. Zuerst Mathematik und Naturwissenschaften; dann Wechsel zur Architektur. Erste Berufserfahrungen sammelte Schumacher in München, Leipzig und Dresden. Ab 1. September 1909 war er Baudirektor und Leiter des Hochbauwesens in Hamburg. 1919 lehnt er die Berufung auf die höchste Baubeamtenstelle des Landes Preußen in Berlin ab. Die Begründung findet sich in seiner Personalakte: „Ich fühle mich durch innere Pflicht und des lebendigen (Thuns) mit dieser Stadt verbunden ... Mein Ziel des Gestaltens geht über die einzelnen Bauwerke hinaus. Es sind die großen Zusammenhänge, die ich vor allem für gestaltungswürdig und gestaltungsbedürftig halte.“ Dennoch verließ er Hamburg, wenn auch nicht in Richtung Berlin. Nach einem Wettbewerbssieg erfolgt die Beurlaubung in Hamburg. Von 1920 bis 1923 ist er Beigeordneter und Stadtplaner unter Oberbürgermeister Konrad Adenauer in Köln. Zurück in Hamburg, war er als Oberbaudirektor – bis auf den Strom- und Hafenbau – für alle Bauvorhaben der Stadt verantwortlich. Am 3. Mai 1933 wurde er durch die neuen Machthaber ohne Angabe von Gründen in den Ruhestand versetzt. In Hamburg 1943 ausgebombt, lebte Schumacher bei Freunden in Lüneburg. Fritz Schumacher blieb unverheiratet – seine zwei ledigen Schwestern Luise und Constanze führten seinen Haushalt. Dank dieses freiwilligen Zölibats – so mutmaßt der Hamburger Professor Hartmut F. G. Frank – „kann er sich mit seiner durch schwere Krankheit häufiger behinderten Energie vollständig seinem Berufsleben widmen“. Der Architekt des modernen Hamburgs starb am 5. November 1947 in einem Hamburger Krankenhaus.
Schumacher und die Politik
Da er in einer Bremer großbürgerlichen Familie aufwuchs, ist naheliegend, dass Schumacher dem bürgerlichen Lager nahestand. Bis auf die kurze Amtszeit des SPD-Mannes Rudolf Adolf Wilhelm Roß waren parteilose oder rechtsliberale Bürgermeister seine „Chefs“. Auch der Kölner Oberbürgermeister Adenauer, als Mann des katholischen Zentrums, lag auf der bürgerlichen Linie. Die Amtsenthebung durch die Nazis hatte daher vermutlich mehr etwas mit einem unterschiedlichen Verständnis von Architektur als mit Politik zu tun. In seinem Aufsatz „Der ‚unpolitische‘ Baudirektor und die Politik“ reflektierte Schumacher: „Es zeigte sich, dass ein Posten wie meiner, der in unzählige andere Interessensphären eingreift, in fruchtbarer Weise nur dann arbeiten kann, wenn sein Inhaber das unbedingte Vertrauen der maßgeblichen Stellen genießt.“ Ein Verpönter war Schumacher in der NS-Zeit nicht. 1937 wurde Fritz Schumacher auf Beschluss Hermann Görings unter Mitwirkung von Albert Speer als ordentliches Mitglied in die Preußische Akademie der Künste berufen. Als Verfasser etlicher Bücher war er Mitglied der Reichsschrifttumskammer. Anlässlich seines 70. Geburtstages ehrte ihn Adolf Hitler 1939 mit der Goethe-Medaille. Den Lessing-Preis erhielt er 1944.

Auch im UKE hat Fritz Schumacher seine Spuren hinterlassen. Es ehrte
ihn mit einem Denkmal vor
dem heutigen Museum.
Foto: Krause
Schumacher und der Klinker
Heute wird der Baumeister Schumacher fast automatisch mit dem Klinker in Verbindung gebracht. Klinker sind Ziegelsteine, die bei so hohen Temperaturen (1.100 bis 1.300 °C) gebrannt werden, dass sich durch den beginnenden Sinterprozess die Poren des Brenngutes schließen. Daher nehmen sie kaum Wasser auf und sind außerordentlich widerstandsfähig. Ursprünglich hatte er andere Pläne. Das zeigt ein Blick auf den Mönckeberg-Brunnen samt Volkslesehalle beziehungsweise öffentlicher Bücherhalle. Doch in Hamburg gab es einen starken Trend zu den robusten Klinkern. Schumacher ließ sich von den Vorzügen des Baumaterials überzeugen und machte den Klinker zu „seinem“ Stein. Gebrannte Steine und künstlerische Keramiken setze er als gestalterische Elemente seiner Bauten ein. Seither galt, so der Kunsthistoriker Professor Hermann Hipp, für Repräsentations- und Zweckbauten, Schulen und Wohngebäuden in Hamburg: „Backsteinbauten mit weißen Sprossenfenstern und nach Möglichkeit grünen Kupferdächern.“
Schumachers Erstlingswerk
Ausgerechnet die erste dokumentierte Arbeit Fritz Schumachers war nur sehr kurz zu bewundern. In den Semesterferien 1891/1892 arbeitete er bei einem Bremer Architekten an der Planung der Innenausstattung des Lloyddampfers „Elbe“ mit. Die „Elbe“ war der erste Schnelldampfer des Norddeutschen Lloyd (Höchstgeschwindigkeit 16 kn/30 km/h). Am 30. Januar 1895 sank sie nach einer Kollision mit dem britischen Dampfer „Crathie“ in der Nordsee, wobei mindestens 332 Personen starben. Nur 20 Menschen konnten gerettet werden. Was war geschehen? In den Morgenstunden setzte plötzlich ein heftiger Sturm ein. Obwohl die beiden wachhabenden Offiziere der „Elbe“ die Positionslichter des sich auf Kollisionskurs zu ihrem Schiff befindlichen Kohledampfers „Crathie“ rechtzeitig gesichtet hatten, unternahmen sie keine weiteren Schritte, da die „Crathie“ aufgrund der gesetzlichen Lage zum Ausweichen verpflichtet war und die Entfernung des Schiffes falsch eingeschätzt wurde. Auf der „Crathie“ hatten der wachhabende Offizier und der Ausguck ihre Posten verlassen, um in der Kombüse Kaffee zu trinken. An Deck war lediglich ein Matrose am Ruder verblieben, der jedoch aufgrund des durch die Schiffsaufbauten eingeschränkten Sichtfeldes die „Elbe“ nicht rechtzeitig sehen konnte. Deshalb stieß die „Crathie“, anstatt die „Elbe“ zu umfahren, mit ungehemmter Wucht gegen die Breitseite des Passagierschiffes.

Die Emil Krause Schule, eine von rund 30 Schulen mit Schumachers Handschrift in Hamburg. Sie trägt den Namen des Senators, mit dem Schumacher eng zusammenarbeitete.
Foto: Krause
Schumacher und die Schulen
Obwohl unverheiratet und kinderlos, entwickelte Schumacher im Lauf seiner Amtszeit eine ganz besondere Affinität zum Schulbau. Er machte als oberster Bauverantwortlicher der Stadt für andere Gebäude und Siedlungen klare Vorgaben, betreute aber nicht alles selbst architektonisch. Das war bei den Schulen anders. Sie waren Chefsache. Rund 30 charakteristische Bauten entstanden nach seinen Plänen. Weitsichtig schuf er einen neuen Schultypus mit Fachräumen, Turnhallen, Aulen, Speiseräumen, Lehrküchen, Arztzimmern, Musikräumen, Elternsprechzimmern und teilweise Kindergärten und Jugendheimen. Der dafür notwendige Raumbedarf lag gegenüber „herkömmlichen“ Schulen bei über 60 Prozent. Weil aber die von Senat bewilligten Grundstücksgrößen für Schulbauten nur um durchschnittlich 20 Prozent wuchsen, musste die Baumasse konzentriert werden. „Raumökonomie und Konstruktionsökonomie müssen sich die Hand reichen.“ Stolz zitierte Schumacher 1929 in einem Buch den Reichssparkommissar Friedrich Saemisch: „Hoch qualifiziertes Personal in leitender Stellung und gut geschultes Personal in den übrigen Stellungen haben es zuwege gebracht, dass das Hamburger Hochbauwesen Bauwerke von kultureller und geschichtlicher Bedeutung geschaffen hat, die im In- und Ausland weitgehende Bedeutung und allgemeine Zustimmung gefunden haben. Vom Standpunkt der Sparsamkeit ist gegen die Hamburger Staatsbauten nichts einzuwenden.“ Der Sozialdemokrat und Schulsenator Emil Krause arbeitete eng mit dem Architekten seiner neuen Schulen zusammen, damit „liebevoll durchgebildete Räumen für eine neue, menschenfreundliche Pädagogik“ entstanden. Hamburg hätte nicht die heutige Gestalt, hätten sie neben Schumacher nicht auch Männer wie Franz Andreas Meyer, Carl Johann Christian Zimmermann oder Johann Friedrich Ludwig Ferdinand Sperber mit geformt. Dass Schumacher nicht nur unter Fachleuten in Hamburg ein Begriff ist, dürfte ganz besonders seinen zahlreichen Schulbauten zuzuschreiben sein. Denn unzählige junge Hamburger haben eine der prägendsten Zeiten ihres Lebens, die Schulzeit, zumindest zeitweilig in einer „seiner“ Schulen verbracht.

Das Museum für Hamburgische Geschichte ist einer der wichtigen Bauten Fritz Schumachers. Foto: Krause
Schumacher und der Wohnungsbau
Schumacher hatte schon sehr früh Sozial- und Umweltaspekte von Architektur bei seiner Stadtplanung im Auge. Die heutige „Fritz-Schumacher-Siedlung“, damals „Staatssiedlung“, damals „Staatssiedlung“ in Hamburg-Langenhorn oder die Planung des Stadtparks als Erholungsgebiet für jedermann sind nur einige Beispiele dafür. Das Recht von Geringverdienern, menschenwürdig zu wohnen, war für ihn unstrittig. Den von ihm geplanten und umgesetzten „Gürtel um Hamburgs alten Leib“ gestaltete er in den „neuen“ Wohngebieten Alsterdorf, Barmbek-Nord und -Süd sowie in Eimsbüttel, Eppendorf, Hamm, Veddel und Winterhude Wohnraum entsprechend seinen humanistischen Vorstellungen. Schumacher realisierte auch Brückenprojekte, Grabsteine, Bühnenbilder, sowie Gewerbe- und Nutzbauten. Er war sich nicht zu schade, auch so profanen Dingen wie Wartehäuschen und Bedürfnisanstalten seinen Stempel aufzudrücken.

Die Finanzdeputation – ein Tempel für die Steuer und das Geld der Freien und Hansestadt Hamburg. Kein nüchterner Zweckbau, sondern ein Haus, dass ein „Hingucker“ ist Foto: Krause
Schumacher heute erleben
Ausstellung
Anlässlich des 75. Todestags von Fritz Schumacher bietet eine Ausstellung im Levantehaus, Mönckebergstr. 7, in der Galerie des Obergeschosses (oberhalb des Postamts) Gelegenheit, sich mit dem Wirken von Fritz Schumacher zu beschäftigen. Die Ausstellung ist bis zum 13. November immer Mo. bis Sa. von 13 bis 19 Uhr geöffnet.
Führungen
Ergänzend zur vom Fritz-Schumacher-Institut kuratierten Ausstellung bietet das Institut Rundgänge an. Geleitet von Jörg Beleites, werden einige Bauten, die in der Ausstellung gezeigt werden, vor Ort aufgesucht und erläutert. Auf der Route liegen Mönckeberg-Brunnen, Rathausmarkt, Finanzdeputation (Gänsemarkt), Erweiterung Ziviljustizgebäude mit Grundbuchhalle (Sievekingplatz), Gewerbehaus/Handwerkskammer (Holstenwall 12) und das Museum für Hamburgische Geschichte (Holstenwall 24).
Führungs-Termine
Donnerstag, 27.10., Donnerstag, 3. und Freitag. den 11. November. Start jeweils um 15 Uhr in der Ausstellung. Dauer ca. 90 Minuten. Teilnahme kostenlos – Spenden erbeten. Es werden auch Wege mit dem HVV zurückgelegt. Maximal jeweils 20 Teilnehmer, daher bitte möglichst vorherige Anmeldung per E-Mail an: stadtbilderklaerer@joerg-beleites.de
Buch
Ganz neu erschienen ist die vom Fritz-Schumacher-Institut herausgegebene Monografie „Fritz Schumacher Kulturpolitik eines Baumeisters“, 280 Seiten, mit 170 historische Farbabbildungen, Format 18 x 24 cm, Halbleinenband, ISBN 9783862181612, Preis € 38,–.
F. J. Krause © SeMa
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