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Ein Schiff wird kommen ...

... nicht eins – es sind einhundertzehn!

Im Schatten der „dicken Pötte“ und doch unverzichtbar – die charakteristischen „Bügeleisen-Fähren“ der HADAG.

Foto: Krause

Was die Bundesbürger inzwischen bei der Deutschen Bahn fast klaglos oder mit Galgenhumor hinnehmen, ist für die Hamburger beim öffentlichen Nahverkehr der Hansestadt ein weitgehend unbekanntes Ärgernis. Dass ausgerechnet dessen maritimer Teil, die HADAG, in den letzten Monaten durch Verspätungen und etliche Ausfälle von sich Reden machte, verwundert deshalb sehr. Etliche Schiffsführer seien, so die HADAG, der günstigeren Arbeitszeiten und besseren Bezahlung wegen in den Tourismusbereich der Hafenschifffahrt gewechselt. Im letzten Monat kam dann die überraschende Meldung, auch Dr. Tobias Haack, dessen Vertrag eigentlich bis 2026 lief, habe seinen Posten als Vorstand der HADAG Seetouristik und Fährdienst AG verlassen, um sich neuen beruflichen Herausforderungen zu stellen.

Pünktliche Dampfer

„In meinen jungen Jahren“, so Heinrich Hartig (85), in Finkenwerder groß geworden, „waren die Fähren der HADAG, die an der Dampferbrücke in Finkenwerder an- und ablegten, für viele Menschen auf  Finkenwerder die einzige und sehr zuverlässige Verbindung nach Hamburg.“ Hartigs Vater war Brandmeister auf der Deutschen Werft – Heinrich befuhr als Schiffsingenieur 15 Jahre die Weltmeere und arbeitete später bis zum Ruhestand familiennah als Ingenieur in Hamburg. Auch wenn viele Jahre die „Großen Pötte“ Hartigs berufliche Heimat waren – sein Herz hing und hängt auch heute noch an den Schiffen seiner Jugend, den auch heute noch unverzichtbaren Fähren der HADAG.

Vom Hobby zum Museumsstück – Heinrich Hartig betrachtet „seine“ Fähren in der Vitrine des Maritimen Museums.

Foto: Krause

Und diese Liebe hat Folgen – Folgen, die einhundertzehnfach auf dem Deck neun des „Internationalen Maritimen Museums“ zu bewundern sind. Denn Hartig hat nicht nur im Laufe der letzten Jahrzehnte 110 Modelle der HADAG-Schiffe gebaut – er hat auch den „Lebenslauf“ für jedes Fährschiff erarbeitet. Und das, ohne das Internet mit seinem fast allwissenden Wikipedia zu nutzen. Unzählige Gespräche mit Wissensträgern und intensives Studium analoger Quellen sowie intensiver Gedankenaustausch mit dem früheren HADAG-Inspektor Hans Quast führten so zu einem Wissensschatz, den Hartig – ohne Computer – im mehr als zehn prall gefüllten Aktenordnern zusammentrug. Nicht nur für Hartig – für viele Hamburger sind die „kleinen“ Schiffe im Hafenliniendienst mehr als nur Beförderungsmittel. Und dass sie nicht nur starke Motoren, sondern auch einen zähen Überlebenswillen haben, hat Hartig dokumentiert. Zum Beispiel die Geschichte der „Lichtwark“.

Mit 66 Jahren ist noch lange nicht Schluss

Der Stapellauf der „Lichtwark“ bei der Stülcken-Werft in Hamburg fand am 22. Mai 1928 statt. Ihre Länge betrug 23,55 Meter, sie war 6,50 Meter breit und hatte einen Tiefgang von 2,20 Metern. Als Antrieb wurde eine Verbunddampfmaschine eingebaut, die 250 PS leistete. Damit erreichte der Neubau 9,3 Knoten. Das Schiff war als Fähre für 300 Passagiere zugelassen. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte die britische Militärregierung die „Lichtwark“ für die Beförderung der Angehörigen des Deutschen Minenräumdienstes zwischen Hamburg und Cuxhaven ein.

Auf Knopfdruck Auskunft – Heinrich Hartig, Dr. Tobias Haack, HADAG, und Peter Tamm jun., Museumsleiter und Sohn des verstorbenen Museumsgründers.

Foto: Krause

Am 24. Februar 1946 verließ sie den Hafen, um 105 Soldaten nach Cuxhaven zu bringen. Trotz Sturms und Bedenkens des Schiffsführers bestanden die Briten auf das Auslaufen des Schiffes. Bei Brunsbüttelkoog traf der Elbstrom auf die aufgewühlte Nordsee. Bei einem Wendversuch kenterte die „Lichtwark“ und sank vor der Ostemündung. Nur neun Personen konnten gerettet werden. Noch im selben Jahr geborgen und instandgesetzt, tat die „Lichtwark“ bis 1977 ihren Dienst in Hamburg, um dann mit weiteren HADAG-Fähren nach Portugal verkauft und als „Castelo“ erneut als Fährschiff eingesetzt zu werden. 1989 wechselte sie nochmals ihren Namen. Als „Vista Douro“ war sie nun als Ausflugs- und Restaurantschiff auf dem Duro unterwegs. 2013 erneut verkauft, tat sie weiter im Tourismus mit Heimathafen Port ihren Dienst, bis sich ihre Spuren 2017 verloren. Immer noch aktiv ist dagegen die „Reeperbahn“. Im Jahr 1954 bei den Ottensener Eisenwerken gebaut, ist sie noch heute im Einsatz. Doch nicht in Hamburg, sondern in St. Petersburg. Dort dient sie als Ausflugsschiff – immer noch mit dem Namen „Reeperbahn“.

Auf Knopfdruck Auskunft

Moderne Technik macht es möglich, dass die Geschichte der von Heinrich Hartig gebauten Schiffe nicht nur in Aktenordnern verfügbar ist. Im Maritimen Museum reicht ein Knopfdruck, um sie aufzurufen – auf Wunsch auch auf Englisch. Auch wenn etwas Wehmut dabei ist, für Hartig ist im 135. Gründungsjahr der HADAG ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung gegangen. Seine Arbeit wird im Internationalen Maritimen Museum vielen Menschen zugänglich gemacht und erzählt weiter die Geschichten der „kleinen“ Schiffe mit großer Vergangenheit.     

 

F. J. Krause © SeMa

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