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Ein Denkmal, das grünt und blüht

– der Garten „de l’Aigle“ auf der Anscharhöhe! „Als Naturdenkmal können Einzelschöpfungen der Natur, deren besonderer Schutz aus wissenschaftlichen, naturgeschichtlichen oder landeskundlichen Gründen oder wegen ihrer Seltenheit, Eigenart oder Schönheit erforderlich ist, ausgewiesen werden. Als Einzelschöpfungen der Natur gelten insbesondere alte oder seltene Bäume und Baumgruppen, erdgeschichtliche Aufschlüsse, Gletscherspuren, Findlinge, Quellen, Gewässer, Dünen, Bracks, Tümpel und Moore. In Hamburg gibt es zehn Naturdenkmale, die zusammen eine Gesamtfläche von knapp 20 Hektar haben.“ Quelle: www.hamburg.de. Weit über Hamburg hinaus bekannt – auch als überdimensionierter Goldklumpen – ist der „Alte Schwede“ am Elbufer. Den „Garten de l’Aigle“ auf dem Gelände der Stiftung Anscharhöhe in Eppendorf hingegen kennen nur Eingeweihte.

Alma de l’Aigle starb im Jahr 1959. Sie wurde auf dem Alten Niendorfer Friedhof beigesetzt. Anders als es der Grabstein dort verkündet, schrieb Alma, quasi als Künstlername, ihren Familiennamen ohne „s“. Foto: Wikipedia

Jurist und Nutzgärtner

Im Jahr 1888 beschloss der Jurist im Staatsdienst, Alexander de l’Aigle, in Frühpension zu gehen und bei halben Bezügen samt seiner wachsenden Familie von den Erträgen eines Gartens zu leben. Zu diesem Zweck erwarb er ein 8000 Quadratmeter großes Grundstück im heutigen Hamburg-Eppendorf am Appener Weg. Im vorderen Teil des Gartens wurde ein Wohnhaus errichtet. Vor dem Haus zierten Rosen die Anlage – im hinteren, weit größeren Teil entstand ein Nutzgarten samt „ländlichem Abort“, verschämt „Privée“ genannt. Der Inhalt der „Goldgrube“, wie das Privée auch genannt wurde, diente zweimal im Jahr den reichlich vorhandenen Obstbäumen als Dünger. Ein Treibhaus und ein Wäschebleichplatz fehlten ebenso wenig. Um die ländliche Idylle komplett zu machen, stand hinter dem Haus eine Pumpe, die aus 40 Fuß – ca. 12 Meter – Tiefe acht Grad kühles Wasser förderte. Für das Abwasser gab es einen Tümpel – elektrischen Strom hatte das Haus nicht. Dafür aber einen freien Blick – von hier aus konnten die Bewohner den wahrhaft nicht hohen Turm der Niendorfer Kirche sehen. Im Jahr 1889 wurde Alma, die erste Tochter geboren, es folgten weitere zwei Mädchen. Schon sehr früh bezog Alexander de l’Aigles seine Töchter in die Pflege des Gartens mit ein.

Schriftstellerin, Reformpädagogin, Rosenfreundin

Für Alma war der kirchenkritische, freigeistige Vater fast so etwas wie Gottvater. Er unterrichtete seine Mädchen zunächst selbst, bevor sie in eine kostenpflichtige Privatschule wechselten. Von studierenden Frauen hielt er nichts; alle drei besuchten später aber ein Lehrerinnenseminar. Alma beschäftigte sich mit pädagogischen Reformgedanken, schrieb Aufsätze und Bücher. Sie gründete 1953 den Kinderschutzbund mit. Ihr ist es zu verdanken, dass man die Geschichte ihrer Familie, die zumindest in ihren Augen die Geschichte des Gartens ist, heute noch nachlesen kann. In dem 1945 abgeschlossenen und 1948 erschienenem Buch „Ein Garten“ steht sie sozusagen bewundernd dem Vater zur Seite und begleitet ihn und den Garten durch das Jahr. Sie berichtet schwärmerisch vom Duft und Geschmack von selbst gezogenen Früchten und Gemüse, von Tagträumen und Kinderängsten. Rosen taten es ihr besonders an. Einigen – heute alten – Rosensorten setzte sie literarisch ein Denkmal. Eine Neuzüchtung, die der Züchter Kordes eigentlich verworfen hatte, „rettete“ sie 1955 anlässlich eines Besuchs beim Züchter. Unter dem Namen „Andenken an Alma de l’Aigle“, „Souvenir de Alma de l’Aigle“ oder „Isabella“ ist sie noch heute gelegentlich im Handel erhältlich.

Almas Rose – die „Erinnerung an Alma de l’Aigle“.
Foto: Rosenhof Schultheis

Ein Fragment wird Naturdenkmal

Nach dem Tod der Schwestern lehnte Hamburg es zunächst ab, den Garten zu erwerben und zu erhalten. Schon damals war er sich mangels Pflege weit von seinem früheren Zustand entfernt. Als nach dem Abriss des Hauses mit dem Bau von Eigentumswohnungen begonnen wurde, bildete sich eine Bürgerinitiative, die zumindest den Erhalt eines Restgartens forderte. Das gelang. Die Stadt übertrug das Gelände der angrenzenden Stiftung Anscharhöhe und erließ am 5. April 1994 die Verordnung zum Schutz des Naturdenkmals „Garten de l’Aigle“. Für die Pflege des Naturdenkmals ist die Stiftung Denkmalpflege Hamburg zuständig – die „Gesellschaft zur Förderung der Garten-kultur e.V.“ Hamburg, die in Abständen den „Alma de l’Aigle-Preis“ vergibt, und die Geschichtswerkstatt Eppendorf halten ebenfalls ihre Hände über den Garten.

Garten?

Wer heute das Naturdenkmal besucht, sollte nicht die schwärmerische Beschreibung der Alma im Hinterkopf haben. Immerhin ist er im Treiben der Großstadt ein kleiner Ruheplatz mit ausreichendem Sitzangebot. Das, obwohl weder die Turmspitze der Niendorfer Kirche noch auch nur ansatzweise der Garten des Herrn de l’Aigle zu sehen ist. Muss das so sein – ist mehr nicht möglich? Keineswegs – denn die Verordnung sagt ausdrücklich „Schutzzweck ist die Erhaltung eines verbliebenen einzigartigen Gartenteils mit seiner eindrucksvollen Gestaltung aus wissenschaftlichen und landeskundlichen Gründen sowie aufgrund seiner Seltenheit, Eigenart und Schönheit. Im Gebiet des Naturdenkmals ist es geboten, die historischen Gartenstrukturen dauerhaft zu erhalten und wiederherzustellen.“

Warum nicht wiederherstellen?

Zurück zur Natur – das war für Stadtbewohner 1888 vermutlich etwas Exotisches. Heute hingegen mieten junge Familien nicht nur Kleingärten, sondern auch Ackerzeilen am Stadtrand, um selbst Obst und Gemüse anzubauen. Menschen mit gärtnerischem Interesse gibt es im Stadtteil genug. Wäre es nicht ein reizvoller Gedanke, dem alten Garten neues Leben einzuhauchen? Wer vor Jahrzehnten die unzähligen, auf Gemüseanbau ausgerichteten Kleingärten in der DDR gesehen hat, weiß, wie schön solche Gärten aussehen und welche Freude es macht, dem Essen beim Wachsen zuzusehen. Gewiss, der heutige Zustand hat auch seinen Reiz – doch er entspricht weder der Intention des Namensgebers noch seiner Töchter. Die Stiftung Anscharhöhe – so war zu erfahren – wäre gesprächsbereit. Und die Wiederherstellung ist eigentlich ein Gebot der Schutzverordnung.    

 

F. J. Krause © SeMa

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