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Die Kraft der Kräuter neu entdecken!

Nicht nur für Söhne und Töchter gebildeter Stände

Jung sind sie besonders köstlich – Brennnesseln finden sich fast überall.
Foto © Krause

Vor fast 200 Jahren brachte der bereits mit 25 Jahren verstorbene Wilhelm Hauff einen Märchen-Almanach für die Söhne und Töchter gebildeter Stände heraus, in dessen Kunstmärchen „Zwerg Nase“ Kräuter eine wichtige Rolle spielen – Kräuter, die damals zumindest für „gebildete Stände“ sogar eine politische Botschaft gegen die herrschende Kleinstaaterei in Deutschland hatten. „Wollen sehen, wollen sehen! Kräutlein schauen, Kräutlein schauen, ob du hast, was ich brauche?“ Mit diesen Worten und dem Durcheinander, das sie bei den Kräutern seiner Mutter anrichtet, bringt die Fee Kräuterweis den Knaben Jakob so in Rage, dass er die Fee beleidigt. Die verwandelt ihn in einen Zwerg mit großer Nase und kurzem Hals. Damit nimmt das Märchen nimmt seinen Lauf.

Kräuter haben, was du brauchst

Menschen wissen seit Urzeiten um die Kraft der Kräuter. Schon in den Schriften der alten Griechen und Römer gibt es ganz konkrete Verwendungshinweise von Kräutern – ein Wissen, das später besonders in Klöstern gepflegt und weitergegeben wurde. Hildegard von Bingen (1098–1178), Benediktinerinnen-Äbtissin, Dichterin, Komponistin und natur- sowie heilkundige Universalgelehrte, hat das Kräuterwissen ihrer Zeit als „erste schreibende Ärztin“ dokumentiert. Kaum ein Kloster ohne Kräutergarten, denn gegen alles ist ein Kraut gewachsen. Nur nicht gegen Dummheit. Mochten Heilkräuter in „frommen“ Händen gut sein, machten sich Laien, zumal Frauen, verdächtig, wenn sie als „Weise Frauen“ mit Kräutern Heilerfolge erzielten oder – schlimmer noch – bei der Geburtenkontrolle erfolgreich waren. Steht doch in der Bibel im Buch der Weisheit 16.12: „Denn es heilte sie weder Kraut noch Pflaster, sondern dein Wort, Herr, das alles heilt.“ Rund 800 Jahre nach Hildegard war es ein von seiner Kirche anfangs wenig geschätzter Kleriker, der den Wildkräutern erneut die ihnen gebührende Wertschätzung entgegenbrachte. Von Sebastian Kneipp stammt er Satz „Gegen das, was man im Überfluss hat, wird man gleichgültig; daher kommt es, dass viele Hundert Pflanzen und Kräuter für wertlose Unkräuter gehalten werden, anstatt dass man sie beachtet, bewundert und gebraucht.“

Besser mit Handschuhen ernten – Brennnesseln geben Suppen den gewissen Pfiff und werden bei der ökologischen Blattlaus-bekämpfung gern eingesetzt. Foto © Krause

Kneipp beim Wort genommen

In Hamburg hat sich Lilli Albrecht der Aufgabe verschrieben, Kneipps Worte mit Leben zu erfüllen. Nach einer abgeschlossenen Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin schloss sie ein Lehramtsstudium an und arbeite zehn Jahre als Lehrerin für Mathematik und evangelische Religion. Beides Fächer ohne wesentlichen Kräuterbezug. Mit der Geburt ihrer beiden Kinder wuchs in ihr zunehmend der Wunsch, mit sanften Mitteln bei Erkältungen, Unwohlsein, Verletzungen und mit gesunder Ernährung den heimischen Kräutern Raum zu geben. Kurzum – sie quittierte den Schuldienst und schaute hin, beachtete, bewunderte und gebrauchte. Nicht nur das, sie lädt andere ein, die Welt der heimischen Kräuter für sich zu entdecken. Wildkräuter in Hamburg – ist das nicht etwas abwegig? „In der Großstadt Hamburg gibt es, trotz der starken Bebauung, viele grüne Ecken, die dem einen oder anderem Kraut Lebensraum bieten“, so die Expertin. „Ich bin selbst immer wieder überrascht und erstaunt, was ich alles entdecke, seit ich mit einem offenen, ja richtiggehend suchenden Blick durch die Stadt gehe und fahre.“

Kennt sich aus und gibt ihr Wissen gern weiter. Lilli Albrecht (40) weiß um die Wirkung von Wildkräutern, ihren Geschmack und wie man sie zubereitet.
Foto © Albrecht

Bückware am Weg

In der DDR hießen besonders begehrte und knappe Produkte, die unter dem Ladentisch und nicht in den Regalen lagen, „Bückware“. Es war hilfreich, den Mitarbeiter der HO gut zu kennen, um an diese Produkte zu gelangen. Bei Wildkräutern sind Beziehungen nicht nötig – nur Kenntnisse und einen scharfen Blick sollte man schon haben, wenn es darum geht, diese kostenlose und häufig reichlich vorhandene „Bückware“ zu finden. Denn bücken muss man sich schon für das gesunde Grün am Boden. Das SeMa hat die Probe aufs Exempel gemacht: Bei einem kurzen Spaziergang an einem kühlen Frühmärztag entlang des Alsterwanderweges in Alsterdorf entdeckte es dabei neun essbare Kräuter: Löwenzahn, Gänseblümchen, Gundermann, Brenn- und Taubnesseln, Scharbockskraut, Schafgarbe, Breitwegerich und Giersch. Genau die Anzahl, die für die „Gründonnerstagssuppe“ notwendig ist.

Frühlingserwachen auf den Tisch

Diese Suppe aßen schon die alten Germanen. Später fand sie in das christliche Osterbrauchtum Eingang und wurde am Gründonnerstag aufgetischt. „Dreimal drei ist neune“ heißt es im Lied. Die Zahl drei ist eine vollkommene Zahl – und drei mal drei, also die Zahl Neun, gilt als die Krönung der Vollkommenheit. Obwohl nach einem kirchlichen Feiertag benannt, muss man es mit neun Kräutern nicht ganz so dogmatisch nehmen – nicht die Anzahl, sondern die Frische der Kräuter des Frühlings ist es, die dieser Suppe ihren besonderen Geschmack gibt. Deshalb ist das hier genannte Rezept nur eine Anregung – jeder und jedem ist es freigestellt, es je nach Wildkräuterangebot der Region noch vollkommener zu machen. Und natürlich schmeckt sie nicht nur am Gründonnerstag!

Gründonnerstagssuppe
© Wellness Natur Resort Gut Edermann

Kein Meister fällt vom Himmel

Dass nicht jeder Pilz, der schmackhaft aussieht, auch essbar und nicht giftig ist, dürfte hinlänglich bekannt sein. Auch Wildkräuter können „es in sich“ haben. Deshalb ist es sinnvoll, sich gemeinsam mit einer „Weisen Frau“ wie Lilli Albrecht dem Thema Wildkräuter zu nähern. Auf ihrer Internetseite finden sich Termine für Kräuterwanderungen und Kräuterkurse. Gern bietet Sie auch an, an Vormittagen in der Woche gemeinsam mit Gruppen ab fünf Personen in deren Umfeld den Kräutern nachzuspüren. Kontakt über Handy 0176-23756066 oder E-Mail info@lillis-kraeuterpfad.de und im Internet www.lillis-kraeuterpfad.de   

Gründonnerstagssuppe für 4 Personen – eines von vielen Rezepten:

Zutaten: 1 Zwiebel, 1 EL Butter, 2–3 mehlig- kochende Kartoffeln, 1 Liter Gemüsebrühe Je eine Handvoll Brennnesseln, Giersch, Schafgarbe, Löwenzahn, Bärlauch, Gundelrebe, Spitzwegerich, Sauerampfer, Rauke oder andere Wildkräuter, 100 ml Sahne, Salz und Pfeffer, Zitronensaft und Muskat

Zubereitung: Die klein geschnittene Zwiebel wird in einem Suppentopf bei milder Hitze in der Butter glasig gedünstet. Hinzu kommen die fein gewürfelten Kartoffeln, die kurze Zeit mitschmoren. Danach wird die Gemüsebrühe aufgefüllt. Nach zehn Minuten Köcheln kommen die gewaschenen und fein gewiegten Kräuter hinzu. Fehlt in der Kräutermischung Bärlauch, darf gern mit Knoblauch nach Geschmack gewürzt werden. Nur noch ziehen lassen – nicht kochen! Mit Sahne, Salz und Pfeffer, Muskat und Zitronensaft abschmecken. Wer mag, kann die Suppe pürieren. Und wer es knusprig liebt, fügt vor dem Servieren je Teller einen EL geröstete Graubrotwürfel hinzu. Unbedingt mit Gänseblümchenblüten garnieren!

F. J. Krause © SeMa

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