Die Geschichte der Gasversorgung in Hamburg
Vom Licht im Vergnügungslokal zur „Energie der Zukunft“! Plötzlich ist Gas ein Riesenproblem. Ein „Gasnotstand“ droht, und Politiker überbieten sich mit Ratschlägen zum Energiesparen. Plötzlich erscheint es wahrscheinlich, dass im Winter das Gas rationiert wird. Werden Privathaushalte bevorzugt, und welche Unternehmen, die auf Gas angewiesen sind, werden als systemrelevant eingestuft? Bundesweit stammten rund 55 Prozent des Gases aus Russland, das wegen des Ukraine-Krieges boykottiert wird und selbst die Lieferung drosselt. Die stadteigene Gasnetz Hamburg GmbH kann keine Angaben über die Herkunft des in der Hansestadt verbrauchten Gases machen. Es wird von deutschen Handelspartnern bezogen, und bisher bestand keine Notwendigkeit, sich über deren Quellen Gedanken zu machen. Sicher ist, dass in Hamburg mehr Energie in Gasform verbraucht wird als durch Strom und Fernwärme zusammen.
Dass die Versorgung mit Gas einmal überlebenswichtig werden würde, hätte sich vor rund 180 Jahren niemand träumen lassen. Tatsächlich fing die Geschichte in Hamburg mit „Hopsern und Galoppaden“ an, als entbehrlicher Zeitvertreib. Der Gastwirt Peter Ahrens hatte eine neue Einnahmequelle erschlossen: das Leuchtgas. Entdeckt worden war der „Kohlegeist“ bereits im 17. Jahrhundert. Er entstand, indem Steinkohle unter Luftabschluss erhitzt wurde. In England, dem Mutterland der industriellen Revolution, in England wurde Gas seit den 1790er Jahren zur Beleuchtung eingesetzt; an der Elbe sprach man daher auch vom „engelschen Steenkohlenlücht“.
Peter Ahrens füllte das Gas in Stahlflaschen, die er an Wohlhabende verkaufte, die ihre Wohnräume damit beleuchteten. Durch die Entgasung verwandelte sich die Kohle in Koks, der als Brennstoff weniger Rauch, Ruß und Schwefel entwickelte. Vor allem aber illuminierte Ahrens sein Tanz-Etablissement in der Neustadt seit 1823 mit Leuchtgas und machte es damit zu einer Attraktion. „An den Ballabenden umstanden hunderte neugieriger Zuschauern den Eingang zum Salon und warteten auf das Anzünden der dort angebrachten Kandelaber“, heißt es in einem zeitgenössischen Bericht. Die Gäste tanzten umso ausgelassener ihre „Hopser und Galoppaden“. Das Lokal war eine Sehenswürdigkeit, die Publikum von jenseits der Stadtgrenzen anlockte. Aus dem „Heini mit dem Gas“, wie Ahrens von denen genannt wurde, die seinen Namen nicht kannten, wurde später die volkstümliche Bezeichnung für die Hamburger Gaswerke „Hein Gas“.
Ahrens war seiner Zeit voraus – wenigstens in Hamburg. Denn obwohl das Gaslicht gegenüber Kerzen und der Beleuchtung durch mit Waltran und Öl befüllte Lampen den Vorteil hatte, nicht zu flackern oder zu rußen, blieb es auf die Verwendung in Gaststätten und Hotels beschränkt und ein Luxus für Begüterte. In London war bereits 1807 die Straße Pall Mall mit Gaslaternen ausgestattet worden, und 1812 eröffnete das erste kommerzielle Gaswerk. In der Pariser Oper brannte seit 1822 Gaslicht. Die erste deutsche Gasanstalt nahm 1825 in Hannover den Betrieb auf. Berlin, Dresden, Frankfurt am Main, Aachen und Leipzig folgten und bestückten die Straßen mit Gaslaternen.
Johann Georg Heise (1779–1860), der Kaufmann und Herausgeber des „Politischen Journals“, hatte in Hamburg in seinem Haus, unweit der Kirche St. Katharinen, von der noch zu reden sein wird, Kerzen und Ölfunzeln durch Leuchtgas ersetzt. Am 14. April 1817 schickte er dem Senat „nachstehende Proposition in betreff der uns vom Auslande her bekannten Gaß-Erleuchtung für unsere Stadt hiermit zu eröffnen“. Doch der Senat zögerte und gab erst einmal bei „Kunstverständigen“ ein Gutachten in Auftrag. Federführend dabei war Oberspritzenmeister Johann Georg Repsold, der aus Sicht der Feuerwehr Einwände hatte. Doch Heise ließ sich nicht entmutigen und brachte sein Anliegen immer wieder vor.
Der Senat blieb dem Gas gegenüber umso misstrauischer, als es die heute allgegenwärtigen Entsorgungsprobleme schuf. 1827 wurde der Besitzer eines Hotels am Jungfernstieg ermahnt, „bei Geldstrafe und bei der Verlust der Erlaubnis, die Gaserleuchtung halten zu dürfen, den Abfall aus seiner Gasgewinnung weder in die Alster noch auf die Straße fließen zu lassen“. Unterdessen bohrte Johann Georg Heise weiter das dicke Brett. 1840 stellte er dem Senat wieder einmal „die Vorteile und Annehmlichkeiten der öffentlichen und privativen Gasbeleuchtung“ vor. Für den „augenfällig am vorteilhaftesten“ Standort einer Gasanstalt hielt er „vor dem Sandtor auf dem Grasbrook“. Aber erneut wurde er abgewiesen. Es ist nicht bekannt, wie der Visionär reagierte, als der Senat schließlich tat, wofür er mehr als zwei Jahrzehnte lang geworben hatte. Heise ist heute vergessen, während an den Bedenkenträger Repsold, der 1830 bei einem Brand ums Leben kam, ein Denkmal am Museum für Hamburgische Geschichte erinnert.
Der Senat kam erst in die Gänge, als nach dem Großen Brand vom Mai 1842 außer zerstörten Gebäuden auch die Infrastruktur neu errichtet werden musste. Am 20. Februar 1843 wurde die „Gas-Straßenerleuchtung mittels Röhrengas“ beschlossen und zu deren Umsetzung 1844 der Verein „Gas-Compagnie“ gegründet. Noch im selben Jahr begann der Bau der Destillationsanlagen des ersten Gaswerks – genau dort, wo Heise es vorgeschlagen hatte: auf dem Grasbrook. Am 4. Oktober 1845 brannten die ersten Gaslaternen in den Straßen.
30 Tage später erloschen sie wieder, denn eine Sturmflut hatte die Kokerei zerstört. Damit schlug die Stunde von William Lindley (1808–1900). Der Ingenieur aus London war bereits damit befasst, die Wasserversorgung auf den neuesten Stand zu bringen. Nun kümmerte er sich auch um das Gaswerk, indem er es auf Eichenpfähle setzen ließ, um es gegen erneute Überflutung zu sichern. Ab September 1846 erstrahlten wieder 2020 Laternen in den Straßen.
Allmählich erhellte das Gaslicht auch öffentliche Gebäude und immer mehr Haushalte von Bessergestellten. Mitte der 1850er Jahre erhielten die damaligen Nachbarstädte Altona, Harburg und Wandsbek eine Gasversorgung. Bis 1864 erreichte der Fortschritt die Vororte Rothenburgsort, Horn, Barmbek, Winterhude und Eimsbüttel. 1870 gab es 9.000 Straßenlaternen.
Das Leuchtgas wurde nun Stadtgas genannt. Der Koks wurde vor allem in der Industrie als Brennstoff eingesetzt. Um die Kohle aus England zu transportieren, schaffte die Gas-Compagnie zwei Dampfschiffe an. Auf dem Gelände am Grasbrook stand als Wahrzeichen des Hafens der „Gasturm“, ein 73 Meter hoher Schornstein, durch den die bei der Destillation entstehenden giftigen Dämpfe entwichen.
1855 hatte Robert Bunsen in Heidelberg den nach ihm benannten Brenner erfunden, der bis heute zur Einrichtung von Labors gehört, aber auch die Möglichkeit eröffnete, mit Gas zu heizen. Die Kirche St. Katharinen war 1856 das erste öffentliche Gebäude in Hamburg, in dem ein Gasofen installiert wurde, wodurch die Gläubigen bei Gottesdiensten im Winter nicht mehr froren. Bis mit Gas in Privatwohnungen geheizt und gekocht wurde, dauerte es noch ein halbes Jahrhundert.
Die Gas-Compagnie machte glänzende Geschäfte. Bevor der Vertrag mit der Stadt nach 30 Jahren auslief, schüttete die Gesellschaft noch reichlich Dividenden von bis zu 66 Prozent an die Aktionäre aus. 1874 setzte der Senat Carl Haase, den früheren Direktor der Berliner Gaswerke, als neuen Pächter der Anlagen ein. In Barmbek wurde eine zweite große Kokerei gebaut. Das Gasnetz umfasste bis zum Ende der 1880er Jahre fast das gesamte damalige Stadtgebiet und war 327 Kilometer lang. Es versorgte 22.322 Straßenlaternen und 335.000 Flammen in Privathaushalten, außerdem 332 Gasmotoren in der Industrie.
Unter der Regie von Carl Haase erlebten die Gaswerke einen Aufschwung. Aber der ging zulasten der Beschäftigten. „Ich kann nur bestätigen, dass der Gaspächter von seinen Angestellten bei nur knapp bemessenen Gehältern außerordentlich viel verlangt“, notierte der Finanz-Deputierte des Senats. „Auf längere Dauer lässt sich auf diese Weise nicht weiterarbeiten, ohne Unzufriedenheit unter den Angestellten Platz greifen zu sehen, welche zu vermeiden für beide Teile – den Staat wie die Angestellten – gleich wünschenswert ist.“
Obwohl die Schichten zwölf Stunden dauerten, reichte das Einkommen kaum für den Lebensunterhalt. Und die Arbeitsbedingungen in der Kokerei waren höllisch. Mit dem „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“, kurz „Sozialistengesetz“ genannt, waren im Deutschen Reich seit 1878 die Versuche der Arbeiterschaft, sich zu organisieren und für ihre Interessen einzutreten, verfolgt und bestraft worden. Mit der Entlassung Otto von Bismarcks als Reichskanzler wurde 1890 auch das „Sozialistengesetz“ abgeschafft. Unter den Gewerkschaften, die sich bildeten, waren der „Verein Hamburger Gasarbeiter“ und der „Verein der Laternenanzünder“.
Für den 1. Mai 1890 wurden Demonstrationen angekündigt. Die Unternehmen drohten, „Arbeiter, welche aus Anlass sozialdemokratischer Demonstrationen am 1. Mai dieses Jahres von der Arbeit fernbleiben oder dieselbe vorzeitig einstellen, als kontraktbrüchig zu entlassen und am 2. Mai abzulohnen.“ Ein Versammlungsverbot wurde verhängt, die Polizei und ein Infanterieregiment waren in Alarmbereitschaft. Etwa ein Drittel der Arbeiter ließ sich nicht einschüchtern, streikte und zog durch die Stadt. Die Firmen antworteten mit Aussperrungen, die etwa 20.000 Arbeiter betrafen. Trotz des Einsatzes von Streikbrechern fiel die Straßenbeleuchtung zeitweise aus. Es kam zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Nach 20 Tagen, in denen die Arbeitgeber keinerlei Zugeständnisse gemacht hatten, wurde der Ausstand beendet.
Carl Haases Pachtvertrag lief aus, und die Stadt übernahm die Gaswerke in staatliche Verwaltung. Im selben Jahr 1891 erließ Kaiser Wilhelm II. Gesetze zur Sozialversicherung und erneuerte die Gewerbeordnung, die nun auch Arbeiterausschüsse in den Betrieben zuließ. Es dauerte jedoch noch mehr als ein Jahrzehnt, bis sich die Arbeitsbedingungen verbesserten: bis die Schichten auf acht Stunden verkürzt, der Akkordlohn erhöht wurde und Nachtschichten besser entlohnt wurden.
Am Billwerder Ausschlag wurde 1903 eine Gasanstalt in Betrieb genommen, die seit 1911 Tiefstack hieß. Das Gasnetz war auf rund 600 Kilometer angewachsen. Bereits zwischen 1892 und 1895 entstand an der heutigen Gasstraße in Bahrenfeld ein Gaswerk, von dem ein Dutzend Gebäude erhalten sind und unter Denkmalschutz stehen. Das Areal ist neben der Speicherstadt eines der größten denkmalgeschützten Ensembles in Europa.
Dort erhält man einen Eindruck von den Ausmaßen, die die Gasproduktion bis zu ihrer Einstellung 1938 hatte. Als Lagerstätte wurde das Gelände noch bis 1960 genutzt, 1974 wurden die letzten Gasbehälter abgerissen. Eine Futtermittelfabrik und Kleingewerbe wie Autowerkstätten siedelten sich an. Künstler entdeckten die Schuppen und Hallen als Ateliers für sich, und sie dienten der TV-Serie „Großstadtrevier“ als Kulisse. Seit 2003 entstanden Büros, Geschäfte, Hotels, Fitnesscenter, Restaurants und 250 Eigentumswohnungen. Der Name „Otto von Bahrenpark“ bezieht sich auf einen legendären Ritter Otto von Bahren, der hier im 13. Jahrhundert Ländereien besessen haben soll, und nach dem angeblich auch der Stadtteil benannt wurde.
Ihre Haushalte mit Gas zu versorgen war lange Zeit den Wohlhabenden vorbehalten. Das änderte sich mit Beginn des 20. Jahrhunderts. Im Dezember 1906 wurden die ersten 25 Münzgasmesseranlagen, sogenannte Gasautomaten, installiert. 1907 waren es bereits 50, und es wurden laufend mehr. Der Erste Weltkrieg unterbrach die Entwicklung dramatisch. Im Juni 1914 stoppte die Belieferung mit Kohle aus Großbritannien. Die öffentliche Beleuchtung wurde reduziert, und der Senat rief zur Sparsamkeit auf. Geschäfte und Gastwirtschaften schlossen früher. Der Gasverbrauch sank um ein Sechstel.
Weil die Männer Kriegsdienst leisteten, wurden die Frauen in Bereichen gebraucht, von denen sie bis dahin ausgeschlossen waren. Also arbeiteten sie erstmals in der Gasproduktion. Nach dem Friedensschluss 1918 erhielten sie dann auch das Wahlrecht. Ein Teil der Versorgung wurde im Krieg durch eine Energieform aufrechterhalten, auf die man am 4. November 1910 zufällig bei Bohrungen nach Trinkwasser gestoßen war: Erdgas. Es entzündete sich und lockte als „Flammenkreuz von Neuengamme“ über Wochen Schaulustige an. Es war die erste in Deutschland entdeckte und erschlossene Erdgasquelle. 1913 wurde eine 15 Kilometer lange Leitung in Betrieb genommen und das Stadtgas mit dem Erdgas gemischt, dessen Anteil bis zu 20 Prozent betrug.
In den 1920er Jahren wurden die Gaswerke zu einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung und hießen fortan HGW. In der Presse etablierte sich „Hein Gas“ als Name für das Unternehmen. Es wurde zum größten Versorgungsunternehmen im Norden und belieferte 28 Gemeinden außerhalb Hamburgs. Von diesem Wachstum profitierten die Arbeitnehmer nicht. Infolge der Weltwirtschaftskrise kam es zu Entlassungen, und die verbliebenen Mitarbeiter mussten bis zu 20 Prozent Lohn- und Gehaltskürzungen hinnehmen.
Der Umbau der Gesellschaft unter dem Regime der Nationalsozialisten betraf auch die HGW. Der Geschäftsführer, ein früherer SPD-Abgeordneter in der Bürgerschaft, wurde im April 1933 entlassen und kam in Haft. Sein Nachfolger wurde ein „verdienter Parteigenosse“, der den Betriebsrat abschaffte, Mitarbeiter aus politischen Gründen entließ und durch ein System von Vergünstigungen und Denunziationen für „Gefolgschaft“ sorgte.
Im Zweiten Weltkrieg wurde die wöchentliche Schichtarbeitszeit von 48 auf 52 Stunden erhöht. Zwangsarbeiter kamen zum Einsatz. Eine unbekannte Zahl von ihnen und 70 HGW-Beschäftigte starben bei Luftangriffen. Anlagen wurden durch Bomben zerstört, darunter 1944 auch der Gasbehälter Tiefstack. Die Gasversorgung erfolgte nurmehr im Notbetrieb. Nach Kriegsende fiel sie ein halbes Jahr lang komplett aus. Der Wiederaufbau dauerte bis 1949.
Die HGW setzten fortan auf dezentrale Heizkraftwerke. Das erste entstand in der Wohnsiedlung Hohenhorst. In Deutschland herrschte Vollbeschäftigung, und es wurden Gastarbeiter aus dem Ausland angeworben. 1961 nahmen die ersten Türken die Arbeit bei den Gaswerken auf. Die Flutkatastrophe im folgenden Jahr beeinträchtigte auch die Gasversorgung.
Wenn Gasnetz Hamburg heute nicht angeben kann, woher das Gas stammt, wussten die HGW es am 30. Oktober 1964 genau, als sie einen Liefervertrag über Erdgas unterzeichneten: aus dem Gebiet der Mündungen von Dollart und Ems, wo im selben Jahr ein Erdgasfeld entdeckt worden war. Bereits 1960 war Oldenburg als erste deutsche Großstadt von Stadtgas auf Erdgas umgestiegen. Die Umstellung hatte weitreichende Folgen für die Belegschaft: Produktionsstätten und damit Arbeitsplätze fielen weg. „Mit Erdgas in die Zukunft“, verkündete die Festschrift zum 125. Jubiläum der Gaswerke 1969. Großraumsiedlungen und öffentliche Einrichtungen waren die ersten Abnehmer.
Der Wechsel von Stadt- auf Erdgas dauerte insgesamt 17 Jahre. 1976 wurde die letzte Großkokerei auf dem Grasbrook geschlossen. Dann verschwand das Gas ganz aus dem Bereich, für den es ursprünglich gedacht war. Durch die Erfindung der elektrischen Glühbirne 1880 war das Gaslicht bereits unter Konkurrenzdruck geraten. Die Entwicklung des Glühstrumpfs 1885, der die Lampen bei geringerem Gasverbrauch heller leuchten ließ, sorgte für eine Schonfrist. Bald aber war Schluss mit dem Gaslicht in Innenräumen. Allein in den Straßenlaternen glühte es weiter. In ihnen erlosch die letzte Gasflamme erst 1981. Im Stadtbild sind noch zahlreiche alte Exemplare erhalten, aber sie sind elektrifiziert und werden vorwiegend mit LED-Technik betrieben.
Seit den 1990er Jahren wurden kommunale Betriebe zusammengelegt oder privatisiert. Die Mehrheit der Anteile von Hein Gas gingen an das städtische Elektrizitätswerk HEW; dieses verkaufte Anteile an den Konzern E.ON. Konnte der Markt aber die Versorgungssicherheit gewährleisten? Bei einem Volksentscheid am 22. September 2013 stimmten 50,9 Prozent der Bürger für einen Rückkauf der Energienetze durch die Stadt. Heute ist das Gasnetz 7.900 Kilometer lang und bedient an die 160.000 Hausanschlüsse. Die Versorgung wird plötzlich von ganz anderer Seite bedroht, und die Geschichte des Gases scheint sich dem Ende zuzuneigen.
Gas-Unglück 1909
Seit 1878 stand auf dem Grasbrook der größte Gasbehälter Europas. Dort wurde ein Riesengasometer errichtet, der vier Mal so viel speichern konnte. Am 7. Dezember 1909 ereignete sich beim Befüllen ein Unglück, als Eisenträger brachen, der Behälter umkippte, und sowohl dieser und auch ein danebenstehender Behälter explodierten. Über die Zahl der Opfer gibt es unterschiedliche Angaben. Am verlässlichsten dürfte sein, was Wilhelm Melhop schrieb, der damals in der Senatsdeputation für das Beleuchtungswesen tätig war: „Bei dem Bruch des großen Behälters wurden 72 Menschen verletzt, davon fanden 20 infolge der Brandwunden ihren Tod, deren 13 unmittelbar nach dem Unglück, während von den 16 schwer verletzten Leuten nachher noch sieben starben.“
16 Tote zwischen 23 und 62 Jahren, zwölf Arbeiter und Handwerker sowie vier Mitarbeiterinnen der Betriebskantine, wurden auf dem Friedhof Ohlsdorf in einer Gedenkstätte beerdigt, die vergessen war, bis Mitarbeiter von Gasnetz Hamburg sie 2019 wieder herrichteten. Der 1911 wiederhergestellte 71 Meter hohe Gasturm war ein Blickfang im Hafen. Im Zweiten Weltkrieg wurde er zerstört und 1950/51 neu gebaut. 1984 erfolgte sein endgültiger Abriss.
Volker Stahl © SeMa
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