Schrift ändern:AAA

Auch im Alter – mittendrin dank Internet

„Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.“ Luther, Vater dieser Weisheit, muss in Zeiten des Internets umdenken: Jüngere sind zwar in manchen digitalen Dingen fixer als Ältere. Doch auch für sie ist das Internet kein Neuland mehr. Jetzt haben Grüne und SPD den Hamburger Senat aufgerufen, Hamburgs Wohn- und Betreuungseinrichtungen mit drahtlosen Netzwerken (WLAN) zu versorgen, damit auch hier Ältere und Pflegebedürftige digital das Tor zu Welt aufstoßen.

Christa Möller-Metzger, senior*innen-politische Sprecherin der Grünen Bürgerschaftsfraktion.

Der Spruch von Angela Merkel, das Internet sei für alle Neuland, ist acht Jahre her – und die damals meist jungen hämischen Kritiker sind heute mucksmäuschenstill. Denn: Derzeit nutzen 94 Prozent der über 14-Jährigen das Internet zumindest gelegentlich, fünf Prozent mehr als im Vorjahr – und vor allem die früher als internetfern kritisierten Senioren sorgen für dieses Plus. Die 50 bis 69-Jährigen sind  fast alle online, selten – aber immerhin. Besonders Ältere stießen dazu: Drei Viertel der über 70-Jährigen fand ins Netz: „ein sprunghafter Anstieg von 17 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr, staunten Forscher der ARD/ZDF-Onlinestudie. Sie vermuten, dass in der Coronakrise viele Ältere ihre Distanz zum „In-meinem-Alter-will-ich-nichts-mehr-zu-tun-haben-mit-Internet“ abgebaut haben. Corona hatte ihr soziales Miteinander stark eingeschnürt: „Damit hatte diese Altersgruppe trotz der Empfehlung von Kontaktbeschränkungen die Chance, eine Verbindung zur Außenwelt über moderne Kommunikationstechnik aufrechtzuerhalten.“ Christa Möller-Metzger, senior*innen-politische Sprecherin der Grünen Bürgerschaftsfraktion, sieht diese neue Nähe zum Internet auch, ist aber skeptisch. Der Zuwachs sei vermutlich ein Pandemieeffekt: „Die Frage bleibt, ob auch die Hochaltrigen um die 80 einen Schub gemacht haben.“

Tor zu Welt

Es gelte, das Tor zur digitalen Welt für alle aufzustoßen, zu Hause oder im Heim. Das wollte Rot-Grün schon 2019, „damit es auch in Pflegeheimen mit der virtuellen Welt klappt“, so hieß es damals „zur Belustigung anderer Parteien“, erinnert sich Möller-Metzger. Jetzt, im Sommer 21, lacht keiner mehr. Corona war Treibmittel – und Anstoß zum Lernen. „Vieles wäre einfacher gewesen, wenn Ältere digital besser aufgestellt gewesen wären, als es mit der Pandemie losging. Wir brauchen WLAN im Seniorentreff, beim Servicewohnen, es darf niemand aus finanziellen Gründen auf digitale Teilhabe verzichten. Gerade bei Hochaltrigen spielt Einsamkeit eine große Rolle.“ Chatrooms, Messengerdienste oder Videokonferenzen können „total helfen“ (Möller-Metzger), der Einsamkeit zu entkommen: „Eine Online-Verbindung bringt so viel mehr Lebensqualität! Auch Menschen mit Demenz macht es Freude, wenn ihre Angehörigen eine Playlist mit der Lieblingsmusik schicken, einen Film, den sie gerne angesehen haben, oder Fotos vom Enkel.“

WLAN im Pflegeheim

Der Zugang zum Internet per WLAN im Pflegeheim wird „wichtige Grundlage für Teilhabe und Lebensqualität“ – auch nach Corona. Für Ältere ist der Klick ins Netz zwar immer öfter selbstverständlich: Fast jeder dritte Onlinekäufer ist älter als 60 Jahre, per E-Mail wird sich für den Stammtisch verabredet, Patiencen werden am Bildschirm gelegt. Doch 20 Millionen ältere Menschen in Deutschland bleiben bei der Digitalisierung auf der Strecke“, rechnen Experten.

Davon weiß auch Möller-Metzger: „Wer digital aufwächst, bewegt sich fixer und selbstverständlicher in der Online-Welt. Das ist völlig normal. Und klar: Die, die heute als digital Natives ganz vorn sind, werden morgen genauso lernen müssen, mit den nächsten Neuerungen zurechtzukommen. Und es geht ja nicht nur um Schnelligkeit, sondern auch um Erfahrung. Deshalb ist es so erfolgversprechend, mit altersgemischten Teams zu arbeiten.“ Allerdings richtet der Alltag heute eine Reihe digitaler Barrieren auf, die – nicht nur für Ältere – nicht leicht zu überwinden sind. Ohne Smartphone kein digitaler Impfausweis, wer  Geldgeschäfte online regeln will, muss die „doppelte Authentifizierung“ kennen ... Nicht jeder ist hier firm. Und: Nur 53 Prozent der 65-plus-Generation hat, so der Digitalverband Bitkom, überhaupt ein Smartphone. Wie kommen Ältere dennoch im Alltag klar? „Schlecht“, sagt Möller-Metzger: „Etwa die Hälfte der Älteren ist digital abgehängt – während viele immer noch davon reden, dass das nicht passieren darf. „Daher sei es wichtig, „von Anfang an zu handeln. Zum Beispiel digitale Schulungen für Ältere zu ermöglichen – und zwar kostenlos, damit sie für alle älteren Menschen zugänglich sind. Aus den gleichen Gründen brauchen wir auch Tablets zum Ausleihen, denn es darf nicht sein, dass Menschen nicht online sind, weil sie es sich nicht leisten können.“ Diese Forderungen will sie – auch politisch – durchsetzen: Sie finden sich im Antrag vom März „Digitale Kompetenzen von Senior*innen stärken“. Möller-Metzger: Das Konzept wird von der Gleichstellungsbehörde erstellt. Viele sind dabei, vom Landesseniorenbeirat bis zu Seniorentreffs und Vereinen, die bereits Schulungen durchführen.“

Digital öffentlich

Als Nächstes will sie einen Runden Tisch mit denen einrichten, die die Digitalisierung voranbringen und von ihr profitieren. Das sind „Banken, die Filialen schließen und auf Homebanking setzen, Supermärkte, die Online-Lieferservice anbieten, Krankenkassen, für die Digital Health immer wichtiger wird. Jede Firma, jede Institution hat eine Verantwortung bei der Einführung digitaler Entwicklungen, muss Hilfestellung geben, wenn Systeme umgestellt werden. Genauso wie die Verwaltung, wenn Online-Termine vergeben werden.“

Rückenwind erhält sie von Branchenexpertin Lena Flohre, Bereichsleiterin Landespolitik Bitkom. Der Digitalverband adelte Hamburg bereits zwei Mal als „Smart City“ – wegen der digitalen Angebote, die „die Prozesse vereinfachen und verschlanken. Gerade hierin liegt ein Vorteil für Menschen, die nicht mehr so mobil sind. Die Fahrt aufs Amt und lange Wartezeiten werden vermieden. Stattdessen kann alles vom Küchentisch aus erledigt werden.“ Aber Flohr weiß auch, dass nicht auf jedem „Küchentisch“ ein Smartphone oder Laptop liegt. „Natürlich muss darauf geachtet werden, dass alle Menschen die Prozesse nutzen können. Grundsätzlich gilt bei öffentlichen Diensten: Die Digitalisierung kann, muss aber nicht genutzt werden. Zukunftsgerichtet ist es, wenn man nicht aus Mangel an Kenntnissen auf analoge Verfahren zurückgreift. Schon heute gibt es in Hamburg viele Beratungsmöglichkeiten zur Nutzung digitaler Technologien. Diese müssen ausgebaut werden. Unterstützung können auch digitale Streetworker bieten, die insbesondere die ältere Generation in die Online-Welt begleiten und Barrieren überwinden.“

Digital privat

Die Teilhabe am öffentlichen Leben ist wichtig – und kann digital leichter werden. Doch Ältere können auch privat dank Internet noch mittendrin sein. Computer oder Smartphone bringen die Adria aus dem Urlaub von Tochter oder Sohn fast live ins Haus. Per Videotelefonie können sich Opa und Opa dazuschalten, um den Surfkurs der Enkel zu loben. Diese Form der Mobilität klappt auch im Pflegeheim, wenn die weite Welt dank WLAN nah ist. Möller-Metzer erinnert sich an ihre 90-Jährige Tante in Austin/Texas. Sie war nicht mehr gut auf den Beinen, aber fit mit dem Tablet auf dem Schoß. „Sie stand mit der ganzen Welt in Verbindung. Sie kam aus Kroatien und las jeden Morgen ihre Zeitungen aus der alten Heimat, setzte einen Like-Daumen auf meine Facebook-Post in Hamburg und telefonierte mit ihren Kindern in Kalifornien und Mexiko. Sie war immer gut drauf, trotz Einschränkungen. Ich glaube einfach, wer einmal sieht, welche Vorteile das Internet bietet, möchte gar nicht mehr darauf verzichten“.     

 

Dr. H. Riedel © SeMa

Analyse Cookies

Diese Cookies ermöglichen eine anonyme Analyse über deine Webseiten-Nutzung bei uns auf der Seite

Details >Details ausblenden