Alt und NO Future?
Soziale Kältewelle für Senioren?
Es gab Zeiten, da freute man sich und nannte ihn liebevoll goldner Herbst des Lebens. Doch wer heute in Ruhestand geht, fürchtet eher eine bleierne Zeit. Viele fragen sich, wie es mit dem lieben Geld weitergehen soll. Und auch die nächste Rentner-Generation wird mit finanziellen Einbußen leben müssen: Die Inflation, die besonders Ältere spüren, frisst sich im Alltag fest. Die EU schreibt Besitzern von Immobilien, Energiesparmaßnahmen vor, die für viele Schulden bis unters Dach bedeuten. Berlin heizt die Angst an, entweder die betagte Öl- oder Gasheizung teuer austauschen oder mit kaltem Hintern überwintern zu müssen. Und wer auf einen Platz im Seniorenheim rechnet, muss hohe Eigenkosten bedenken.
Berlin plant, bereits ab Januar 2024 den Einbau neuer Öl- und Gasheizungen zu verbieten. Jede neue Heizung soll sich mindestens durch 65 Prozent erneuerbare Energien speisen. Die EU hat beschlossen, dass ab 2028 nur noch Häuser ohne Ausstoß von Treibhausgasen gebaut werden dürfen – und dass Gebäude mit schlechter Energieeffizienz saniert werden müssen. „Habeck will Öl- und Gasheizungen komplett verbieten – auch bestehende Anlagen im Visier des Ministers“, schreibt der eher konservative „Merkur“, und das Magazin „Spiegel“ setzt bei der Überschrift: „Habeck verspricht »große soziale Unterstützung« bei Heizungseinbau“ – die versprochenen Hilfen in Tüttelchen. Es soll großzügige Hilfen geben, die sich am Einkommen orientieren. Schnell und unbürokratisch – wie die „schnelle“ Hilfe bei Energiesparprogrammen oder beim Ticket für 49 Euro.
Heizen mit Angst
Im Koalitionsvertrag war vereinbart worden, dass alle neu verbauten Heizungsanlagen ab 2025 ihre Heizwärme zu mindestens 65 Prozent aus erneuerbaren Energien erzeugen müssen. Wegen des Ukrainekriegs soll das jedoch vorgezogen werden. Im „Spiegel“ will Wirtschaftsminister Robert Habeck beruhigen. „Niemand rennt in den Keller und reißt das raus.“ Oder: „Wenn man eine Villa für zehn Millionen saniert, wird man da auch eine Wärmepumpe einbauen können.“ Wird aber Omas kleines Häuschen bewohnt, und das Portemonnaie ist dünn, müsse „weitestgehend überbrückt werden.“ Wie aber soll die Brücke aussehen? Die „Tagesschau“ warnt: „Habeck Heizungspläne – bei Hausbesitzern geht die Angst um.“ Nicht ohne Grund: Die Pläne zur Modernisierung kommen aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Es trägt nicht ohne Grund nur diese beiden Bezeichnungen im Namen – das Wort „sozial“ kommt hier nicht vor. Daher kritisiert Hamburgs SoVD-Landeschef Klaus Wicher eine „chaotische Politik“ mit handwerklichen Fehlern: „Ein Gespenst geht um in Deutschland, das Gespenst des Klimaschutzes, den sich viele nicht leisten können. Die Pläne bringen Feuer auf das alte Dach, weil ein neues zu teuer ist. Energetische Umbauten überfordern Einkommensschwächere und Ältere. Klimaschutz ist nötig, da gibt’s überhaupt nichts dran zu rütteln, aber mit sozialer Empathie.“
Aus für Öl und Gas
Ob in Hamburg oder Berlin. Die Pläne haben sozialen Zündstoff. „Bild“ weiß: „Habecks Wohn-Hammer kostet uns 1000 Milliarden Euro: Ab 2024 Einbauverbot von Öl- und Gasheizungen. Ab 2045 bundesweites Komplettverbot.“ Und die Zeitung „Die Welt“ droht gar mit dem Untergang des Wohlstandes: „Entrücktes grünes Wunschdenken vernichtet Wohlstand und Vertrauen in Politik.“ Der Hintergrund in Hamburg: Während Berlin bereits ab 2024 alte Heizungen in neuen Häusern verbieten will, gilt dies in Hamburg ab 2027. Dafür sieht Hamburg Förderungen ab 2024 vor. Wichert: Nur weiß keiner, wie und wen die entlasten. Das sorgt für Unsicherheit, die Angst erzeugt.“ Er verweist darauf, dass Wärmepumpen statt Öl und Gas ebenso wie eine Wärmedämmung Kosten bedeuten, die besonders für Ältere nicht tragbar sind: „Sie bekommen von kaum einer Bank noch Kredite, das Dach zu dämmen oder die Heizung auszutauschen. Und wenn eine Hypothek aufgenommen werden kann, ist Omas Häuschen wieder kreditbelastet. Das ist Enteignung durch die kalte Klima-Küche.“
Heizen und Hypotheken
Betroffen sind kommende Senioren und Ältere mit Haus, Familien, die weitsichtig mit Kindern ihre Zukunft in eigenen vier Wänden planten, aber auch die, die eine Wohnung in einem älteren Mietshaus nutzen. Wicher: „Wenn Sanierungskosten auf die Miete umgelegt werden, wird diese sich verteuern. Familien mit Kindern und Menschen mit erwartbar kleinen Alterseinkünften haben oft das Haus als Alterssicherung geplant. Sie beabsichtigen, im Alter mietfrei zu wohnen, weil sie mit einer geringen Rente gerechnet haben. Die Politik hat oft genug geraten, vielfältig vorzusorgen. Das ist jetzt vergessen und verkauft. Klimapolitik muss sozial aufgefangen und darf nicht auf den Schultern von Älteren, Einkommensschwächeren und Familien mit mittleren Einkommen abgewälzt werden.“
Heizen in Hamburg
Vom Senat Hamburg kommt Entwarnung. Renate Pinzke, Pressesprecherin in der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft, weist darauf hin, dass der Entwurf zur Novellierung des Hamburgischen Klimaschutzgesetzes einen Anteil von 65 Prozent erneuerbarer Energien beim Heizungstausch ab 2027 verpflichtend vorsieht. Und sie schaut nach Berlin. Die Pläne hier, diese Verpflichtung ab 2024 gelten zu lassen, seien in der Ampel-Koalition noch nicht final abgestimmt. Und zu den Hilfen meint sie: „Der Hamburger Senat wird ab 2024 ein umfangreiches Förderprogramm aufsetzen, das bis zum Inkrafttreten der Pflicht 2027 in Anspruch genommen werden kann. Die Ausgestaltung läuft derzeit. Die Hamburger Förderung wird auf die des Bundes abgestimmt und diese ergänzen. Diese Regelungen werden für alle gelten, die Aussage, dass Senioren besonders betroffen sind, trifft nicht zu. Diese Maßnahmen zum Schutz des Klimas werden zudem erst dann verpflichtend, wenn die Heizungsanlage abgängig ist und ein Heizungstausch vonnöten.“ Zudem müsse man neu rechnen: „Zu beachten ist, dass die Gesamtkosten bei nicht fossilen Lösungen geringer ausfallen, die Summe aus Erstinvestition und den laufenden Energiekosten in den folgenden Jahren ist niedriger als eine neue fossile Anlage mit den dazugehörigen hohen Gas- oder Ölkosten.“
Heizen und kochen mit CO2
Die Fakten liegen auf dem Tisch: Es muss etwas getan werden gegen schmelzende Arktis, Überschwemmungen, Wassermangel – kurz Klimawandel. Die wohlige Stube hat ihren Preis und Anteil an der Klima-Bedrohung: Heizungsanlagen waren 2019 laut Umweltbundesamt für 59 Prozent der Emissionen privater Haushalte verantwortlich. Allerdings: Im Vergleich zu 1990 sank der Ausstoß um 43 Prozent – vor allem, weil alte Kohleöfen verschrottet wurden. Aber: Laut Greenpeace entfällt auf jeden Bundesbürger durch Infrastruktur, Straßen, Krankenhäuser, Schulen über 1,5 Tonnen CO2 pro Jahr. Hinzu kommt der private Bereich.Heizung: 1,3 Tonnen, Strom: fast 1 Tonne und – Fleischkonsum: 1 Tonne. Auto, Zug, Flugzeug bedeuten 2 Tonnen CO2 pro Jahr. Heizen bzw. Stromverbrauch liegen jeweils auf etwa ähnlichem Niveau wie der Genuss von Kotelett, Mettbrötchen oder Labskaus.
Der Streit ums fossile Heizen ist aber nur ein Zündholz, den Sozialstaat zwar nicht abzufackeln, aber zumindest an der Zufriedenheit der Bürger zu zündeln. Eine andere hat sich seit Beginn des Ukrainekrieges wie eine Zecke in den Alltag gebissen: die Inflation.
Je älter, desto ärmer
Ist die Zeit vorbei, dass Oma und Opa immer ein Sümmchen auf der hohen Kante bunkern und der eine oder andere Senior lässig den Cashmere-Schal bei Sonntagsgang um die Alster schwingt? Detlef Baade vom Landesseniorenbeirat (LSB): „Je älter, desto ärmer – und weniger Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Die Mehrkosten sind erdrückend. Und die Rentenerhöhung hält mit der Inflation nicht Schritt. 82 Prozent der Renten liegen unter 1500, aber mehr als 70 Prozent der Pensionen über 2000 Euro. Selbst beim 300-Euro-Energiepaket hat man zuerst die Rentner vergessen. Wie sonst auch. Wir Rentner sind Verlierer, ein Kostenfaktor.“ Rentner haben keine Lobby; gehen nicht auf die Straße, keine Fahne flattert mit „10,5 Prozent mehr im Wind. Keiner klebt sich fest. Aber Sozial- und Klimapolitik müssten Hand in Hand gehen. „Nichts erschwert oder verhindert ökologische Nachhaltigkeit und Klimagerechtigkeit mehr als die soziale Ungleichheit. Immer häufiger steht bei armen Seniorinnen und Senioren am Ende ein ordnungsamtliches oder Sozialbegräbnis“, sagt Armutsforscher Prof. Dr. Christoph Butterwegge, der 2017 für das Amt des Bundespräsidenten kandidierte. Er wirft einen wissenschaftlichen Blick auf die Lage von Senioren: „Pandemie, Energiepreisexplosion und Inflation treffen alte Menschen härter als junge, weil sie in der Regel nicht mehr erwerbstätig und deshalb viel zu Hause sind, was ihre Heizkosten genauso in die Höhe treibt wie die Tatsache, dass sie kälteempfindlicher sind.“
Armut in Zahlen
Das bedeutet: Armutsgefährdet ist, wer über weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoäquivalenzeinkommens ver- fügt. Als einkommensarm kann ein Alleinstehender gelten, der weniger als 1145 Euro (2021) im Monat zur Verfügung hat. Demnach hat die Altersarmut mit 17,6 Prozent und 3 Millionen betroffenen Senioren einen Höchststand erreicht wie Armut insgesamt mit 16,9 Prozent der Bevölkerung und 14,1 Millionen Betroffenen. 1,15 Millionen Rentner haben einen Minijob; 900 000 sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt. 835 000 Senioren hatten 2021 sogar mit 67 und mehr Jahren einen Minijob, 217 000 waren noch sozialversicherungspflichtig beschäftigt. In den vergangenen Jahren sei, so Butterwegge, das Armutsrisiko in keiner anderen Altersgruppe so stark gestiegen wie das der Menschen über 64 Jahre.
Grundgesetz und Alterswürde
Der Forscher verweist auf das Grundgesetz. Das hier in Art. 1 Satz 1 „zur Fundamentalnorm erhobene Gebot, die Würde des Menschen zu wahren, wird durch ein Leben in Armut missachtet. Senioren, denen im Unterschied zu jungen Menschen die Hoffnung auf ein durch Aufnahme von Erwerbstätigkeit – wieder – steigendes Einkommen fehlt, droht dieses Schicksal bis ans Lebensende. Alternativen gibt es praktisch nicht; was bleibt, ist Perspektivlosigkeit. Unter den zwei Millionen Stammkunden der Lebensmitteltafeln befinden sich immer mehr alte Menschen. Während sich wohlhabende und reiche Senioren auf Kreuzfahrtschiffen vergnügen, putzen alte Frauen, deren Rente nicht zum Leben reicht, öffentliche Toiletten oder füllen Supermarktregale auf. Vielerorts gehören Senioren, die in Müllcontainern nach Pfandflaschen suchen, zum Stadtbild.“
Altersarmut ergraut zwar, aber ist durchaus nicht überall gleich zu spüren. Wer keine Einnahmen hat, kann Kosten für die Wärmedämmung nicht steuerlich begünstigen; wer in Mietwohnungen wohnt, muss eventuell mit Kostensteigerungen rechnen. Es ist wie sonst auch: der eine so, der andere so. Wolfgang Arnold, Pressesprecher der Hamburger Sozialbehörde, rät zu differenzieren: „Dass Ältere durch die Inflation stärker betroffen sind als jüngere Menschen, trifft so nicht zu. Es kommt auf die jeweiligen Einkommen und Bedarfe an. Beispielsweise kann ein Haushalt mit zwei 35-jährigen Personen, die einmal in Vollzeit und einmal in Teilzeit auf Mindestlohnniveau arbeiten und zwei minderjährige Kinder haben, finanziell stärker betroffen sein als zwei Personen mit durchschnittlicher gesetzlicher Rente.
Arnold verweist auf staatliche Hilfen, die Menschen mit „keinem oder niedrigen Einkommen schützt. Ältere Menschen mit niedriger Rente können Grundsicherung im Alter beziehen. Hierbei werden Leistungsberechtigte grundsätzlich auch vor starken Preissteigerungen geschützt: Das Grundsicherungs- und Sozialamt erhöht die Gesamtleistungen wegen der Heizkosten bei Vorlage entsprechender Nachweise.“ So würden Abschläge, also Nachzahlungen, Zahlungen gemäß des sogenannten Regelsatzes etwa für Lebensmittel und Haushaltsstrom jährlich angepasst. Eine „spürbare Erhöhung“ habe es zum 01.01.23 gegeben.
Persönliche Inflation
Doch die Kosten sind zwar im Supermarktregal gleich, rechnerisch. Wer – wie manche im Alter – viel Wärme braucht, dreht den Thermostat weiter auf oder friert. Wer viel zu Hause und nicht in der Kantine isst, kocht mehr und merkt, dass die Gurke mittlerweile 2 Euro kostet. Auch das Bundesamt für Statistik kennt den Unterschied zwischen amtlicher und persönlicher Inflation. In die allgemeine Inflationsrate fließt die Preisentwicklung für alles ein, wofür alle privaten Haushalte Geld ausgeben. Wie stark ein Einzelner betroffen ist, hängt davon ab, wie viel Geld er für welche Güter ausgibt. Wer – wie viele Ältere – kein Auto mehr hat, wenig fährt oder umweltbewusst Bus und Bahn nutzt, gibt weniger oder nichts für Benzin aus – und gehört aber zum Warenkorb der Preisstatistik.
Armut macht Angst
Auch der Vorsitzende des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA), Helmut Kneppe, verweist darauf, dass individuelle Inflation geprägt ist von der jeweiligen Einkommens- und Vermögenssituation: „Insoweit ist die persönliche Betroffenheit zwar unabhängig vom Alter. Da aber die Preise für Energie und Lebensmittel gestiegen sind, für notwendige Güter also, sind vor allem Menschen mit niedrigen Einkommen stark betroffen. Deutschland nimmt hin, dass jeder fünfte ältere Mensch und insbesondere Frauen – Kinder zu bekommen bedeutet ein Armutsrisiko! – von Armut bedroht ist! Der Sparzwang hat Folgen für Gesundheit und Psyche. Hier wirken nicht nur Existenzängste, wobei viele Ältere Inflation noch angstbesetzt in Erinnerung haben. Folge ist bei älteren Menschen, die nicht mehr so leicht die Lebenssituation verändern oder hinzuverdienen können, auch oft Einsamkeit, die den Lebensmut schwinden lassen kann.“
Kneppe ruft daher Familien, Nachbarschaften und Soziale Dienste auf, besonders achtsam auf die Lebenssituation der anderen zu schauen. Aber er geht weiter: „Grundsätzlich müssen wir aber das Alter wieder zurück in die Gesellschaft bringen und unsere Sozialsysteme dringend aktualisieren.“ Eine Reform brauchen jedoch nicht nur die Systeme wie Renten- und Pflegeversicherung. Verändern müsse sich auch die Praxis, etwa die „Lebensform“ im Pflegeheim. Kneppe knallhart: „Die Gestaltung eines würdigen Alters ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“ Das bedeute, nicht nur das System, sondern auch die Praxis zu ändern, um eine würdevolle pflegerische Versorgung in Einrichtungen und anderen „Wohnsituationen“ zu sichern. Denn manche Pflegeeinrichtungen bildeten die Lebensrealität nicht mehr im erforderlichen Maße ab. Aber: „Ob in einer Einrichtung oder zu Hause – eine würdige Lebens- und Pflegesituation müsse der Anspruch der Gesellschaft sein.“
Würde im Alter
Auch Kneppe blickt auf die Verfassung und fordert, den Würdebegriff des Grundgesetzes deutlicher auch auf das Alter zu beziehen: „Wir müssen nicht nur ,die Pflege‘ reformieren! Wir müssen die Regelungen zur Versorgung unserer Pflegebedürftigen als gesamtgesellschaftlichen Gestaltungsprozess über alle Lebensbereiche hinweg denken. Pflegereform ist einfach mehr als Pflegeleistungen zu organisieren und zu finanzieren!“
Klima- ist Altersschutz
Das sei allerdings eine „Herkulesaufgabe“. Wie der Klimaschutz. Kneppe: „Klimaschutz ist Menschenschutz. Ältere haben ein erhöhtes Risiko – nicht nur, was gesundheitliche Folgen betrifft, auch mit Blick auf Katastrophen- und Rettungsmaßnahmen. Gerade darum ist der gesellschaftliche Zusammenhalt ein enorm wichtiger Aspekt. Es wird entscheidend sein, die notwendigen Transformationen sozial abzufedern.“ Dazu stand 2021 im 1. Gesetz zur Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes: „Die ökologischen, sozialen und ökonomischen Folgen werden berücksichtigt.“ Und im Hamburger Klimaschutzgesetz 2020 war noch zu lesen: „Im Rahmen der Erreichung der Ziele nach Absatz 1 sind das Prinzip der Sozialverträglichkeit und das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu berücksichtigen.“ Im neuen Entwurf fehlt das Wort sozial.
Keine Gefahr, aus vollstationären Pflegeeinrichtungen ausziehen zu müssen
Drei SeMa-Fragen an die Hamburger Sozialbehörde
SeMa: Durch steigende Kosten in Seniorenheimen verteuert sich das Leben bzw. der Eigenbeitrag in diesen Häusern. Wie beurteilen Sie die Situation?
Preiserhöhungen leitungsgebundener Energien werden nicht über die Entgelte der teil- und vollstationären Pflegeeinrichtungen an die Pflegebedürftigen weitergegeben. Nach § 154 SGB XI erstatten die Pflegekassen auf Antrag der Pflegeeinrichtung für den Zeitraum Oktober 2022 bis einschließlich April 2024 bei leitungsgebundenem Erdgas, leitungsgebundener Fernwärme und leitungsgebundenem Strom die Differenz zwischen der abschlägigen Vorauszahlung für den Verbrauch des Monats März 2022 und der jeweiligen laufenden monatlichen abschlägigen Vorauszahlung für die genannten Verbrauchsgüter für den Betrieb der Pflegeeinrichtung (Ergänzungshilfe).
SeMa: Und die steigenden Kosten für Pflege?
Bei steigenden Pflegevergütungen übernimmt die Pflegeversicherung neben den Pauschalen nach Pflegegrad gem. § 43 SGB XI auch einen prozen-tualen Anteil an den Pflegekosten – je nach Dauer des bestehenden Aufenthalts in der Pflegeeinrichtung nach § 43c SGB XI.
SeMa: Müssen Bewohner fürchten, ein Heim wegen der Kosten verlassen zu müssen?
Die Vergütungsvereinbarungen (Heimentgelte) für die vollstationären Pflegeeinrichtungen, die sich aufgrund der Tariftreueregelung mit verbesserten Löhnen für die Pflegekräfte und aus allgemeinen Preissteigerungen erhöht haben, werden im Fall der individuellen Bedürftigkeit nach Abzug von Leistungen der Pflegeversicherung und eigenen Leistungen aus Einkommen und Vermögen vom Sozialhilfeträger übernommen. Damit besteht für Pflegebedürftige in vollstationären Pflegeeinrichtungen nicht die unterstellte Gefahr, ausziehen zu müssen, da die bedarfsgerechte Versorgung über die Sozialhilfe sichergestellt wird.
Dr. H. Riedel © SeMa
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