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Als Senior Experte im Einsatz

Ein Erfahrungsbericht von Claus Oellerking!

Claus Oellerking

„Alt werden ist nichts für Feiglinge!?“ Oft ist der Hintergrund dieser Aussage eher unerfreulich. Mal ist es eine Erkrankung, eine körperliche Einschränkung, mal ist es das Geld, das nicht ausreicht. Und oft ist es die erste Reaktion auf eine echte Herausforderung: Wie gestalte ich mein Leben im Alter?

Besonders für einst Berufstätige bringt der Ruhestand folgenreiche Veränderungen mit sich. Der Alltag, gestern noch von Ar-beitszeiten und Arbeitsabläufen bestimmt, muss neu organisiert und gefüllt werden. Das Arbeiten, die Kolleginnen und Kollegen sind quasi über Nacht verschwunden.

Eine Zeitlang ist es ganz schön, wie ein längerer Urlaub. Wohin mit all dem Können und Wissen, den Erfahrungen, den Kontakten zu Kollegen, zu Kunden, Klienten, Geschäftspartnern, Handwerkern und vielen mehr? Verkümmern lassen wie eine schlecht gepflegte Pflanze auf der Fensterbank?

Wie wäre es, mit den alten Talenten und Erfahrungen noch einmal etwas Gutes zu tun? Für sich selbst und für andere? Der Senior Experten-Service (SES) bietet  hier Wege, ehrenamtlich einen erfüllenden Alltag im Alter zu leben. Einer der Wege kann in die weite Welt führen, ein anderer führt direkt vor die Haustür. Beide sind spannend. Beispielhaft möchte ich hier von meinen Erfahrungen berichten.

Willy (17), macht eine Ausbildung in einem Hotel in Norddeutschland. Er kommt in der Berufsschule möchte nicht mit, hat deswegen Ärger im Ausbildungsbetrieb und die Ausbildung abbrechen. Daher sucht er Kontakt zur örtlichen Industrie- und Handelskammer und  hört zum Glück von VerA. Und VerA bringt uns zusammen.

VerA (steht für „Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen“) stellt Auszubildenden, die Unterstützung wünschen, ehrenamtliche Profis im Ruhestand zur Seite – eins zu eins, lautet das Prinzip. Individueller geht es nicht. Und so arbeiten Willy und ich regelmäßig fast ein Jahr lang. Mal treffen wir uns persönlich, mal online. Dabei bin ich kein Experte für das Hotelwesen. Ich kann zuhören, habe ein gutes Allgemeinwissen, und ich weiß, wie man lernen, wie man Selbstvertrauen stärken und Konflikte lösen kann. Genau das hat Willy gebraucht. Und so schafft er letztlich auch seine Prüfung. Diese VerA-Begleitungen machen Spaß, fordern beide Partner und führen zu 75 Prozent zum Ziel! Zahlreiche Senioren haben auf diesem Weg bisher mehr als 18.000 Auszubildenden geholfen.

Senior Experten sind regional und in aller Welt aktiv. 2019 waren es 2206 Einsätze im Ausland, in den Coronajahren deutlich weniger. 2020 in 72 Ländern 453 Einsätze und 2021 noch 201 Einsätze in 44 Ländern. Dabei wird klar: keine Einsätze in Risikogebieten. Digital und online wurden zeitgleich mehr als 1000 Einsätze vorbereitet. Es kann also nach der Pandemie munter weitergehen. Im Ausland sind SESler meist vier bis sechs Wochen, maximal für ein halbes Jahr im Einsatz.

Mein erster Auslandseinsatz ging 2015 nach Raja Ampat in Indonesien. Eine neue Berufsschule hatte das Ziel, die Ausbildung besser mit der Praxis in den Betrieben der Region zu verzahnen. Der Bildungsbehörde schwebte ein System nach dem Muster der klassischen Lehre, der dualen Berufsausbildung in Deutschland, vor. Ehrlich, in zwei Monaten war dies nicht zu leisten. Als Berufspädagoge und ehemaliger Schulleiter konnte ich bei der Anpassung der schulischen Lehrpläne und bei Gesprächen mit Inhabern international geführter Unternehmen, die mit dem dualen Ausbildungssystem vertraut sind, helfen. Bis heute stehe ich mit der Schule im Kontakt und verfolge die Entwicklung.

Erst kürzlich bin ich aus Ostafrika zurückgekommen. Geimpft, getestet und mit guter Vorbereitung, habe ich mich im Januar 2022 auf den Weg nach Kasese in Uganda gemacht. RuFI – die Rural Focus Initiative – hatte um Unterstützung gebeten. Das Ziel: Aufbau eines Unternehmens, das profitabel wirtschaftet und zugleich junge Frauen, meist ohne Schulabschluss, ausbildet. Mein Organisationstalent, meine kaufmännische Ausbildung und Erfahrungen in der Begleitung von Projekten zahlen sich dort aus.

Der Erlös aus der Herstellung und dem Verkauf von leichten, langlebigen Körben reicht zum Kauf einiger Nähmaschinen. 17 junge Frauen lernen nun nähen. Sie stellen bereits während der Ausbildung auf Bestellung Schuluniformen her. So gelingt es, die Ausbildung zu finanzieren und RuFI weiterzuentwickeln.

Kleine Erfolge, große Wirkung. Vor der Haustür und in der Welt. Vielleicht ist es auch etwas für Sie, beim Senior Experten-Service eine passende ehrenamtliche Aufgabe zu finden. Der SES sucht Expertinnen und Experten aus allen Berufen. Ob Handwerk, Technik, Handel, Vertrieb, Bildung und Ausbildung, Gesundheits- und Sozialwesen oder Verwaltung und Wissenschaft: Jeder kann eine Aufgabe finden.

Der Senior Experten Service fördert seit 1983 die ehrenamtliche Weitergabe von Wissen und Erfahrung – in allen Branchen und Sektoren. Mit etwa 60.000 ehrenamtlichen Einsätzen in 160 Ländern ist der SES eine der bedeutendsten Organisationen ihrer Art. Derzeit sind beim SES rund 12.000 Expertinnen und Experten registriert. Der Altersdurchschnitt liegt bei 70 Jahren, der Frauenanteil bei 23 Prozent. Finanzielle Unterstützung erhält der SES von der öffentlichen und der privaten Hand. © SeMa

Kontakt: Senior Experten Service (SES), Stiftung der Deutschen Wirtschaft für internationale Zusammenarbeit, Gemeinnützige Gesellschaft, Buschstr. 2, 53113 Bonn,
Tel.: 0 228/2 60 90-0, ses@ses-bonn.de, www.ses-bonn.de

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